Dark Patterns: Die Tricks von Webseitenbetreibern und Software-Herstellern

Fiese Gestaltung (Fortsetzung)

Confirmshaming

Zu Deutsch etwa «Beschämen per Bestätigung». Die Schaltfläche, um eine Dienstleistung oder Werbemails abzulehnen, ist so beschriftet, dass man sich damit selbst blossstellt. Etwa so wie in unserem von realen Beispielen inspirierten Mock-up, Bild 7.
Bild 7: Sehr fies ist der Psychotrick des «Confirmshaming»
Quelle: PCtipp.ch
So kann die Nein-danke-Schaltfläche bei Werbe-Pop-ups für Newsletter zum Beispiel mit «Nein, ich bleibe lieber uninformiert» beschriftet sein. Oder bei Werbung für einen Ernährungsratgeber mit «Nein, ich lebe nicht gerne gesund», bei VPN-Werbung vielleicht «Nein, ich will nicht sicher surfen» und so weiter. Lassen Sie sich von derartigen Psychomaschen nicht ins Bockshorn jagen.
An Confirmshaming grenzt auch dieser Dialog im Edge-Browser, wenn man ihn mal aus Versehen trotzdem öffnet, Bild 8. Wer nicht «aktualisiert», outet sich schliesslich als rückständig. Der korrekte Begriff, der keine unterschwellige Beleidigung enthält, müsste eigentlich «ändern» lauten, denn es geht schlicht um eine Änderung der Einstellungen.
Bild 8: Bin ich rückständig, wenn ich diese Einstellungen nicht «aktualisiere»?
Quelle: PCtipp.ch

Getarnte Werbung

Bild 9: Beim Klick auf einen Download-Link erscheint in einigen Fällen ein völlig anderes Download-Fenster
Quelle: PCtipp.ch
Als Inhalt oder Systemdialog getarnte Werbeelemente sind gang und gäbe. Gerade neulich habe ich wieder so eins gesehen, Bild 9. Früher handelte es sich oft um Pop-up-Fenster, die wie Windows-Systemmeldungen aussahen. Heute findet man eher noch die gefälschten respektive irreführenden Download-Knöpfe. Sie klicken auf einem Download-Portal zum Beispiel auf einen Link zum Opera-Webbrowser. Schon erscheint ein grosses Fenster mit einem fetten, grünen Download-Knopf. Klicken Sie darauf, landet aber nicht etwa der Opera-Browser auf Ihrer Festplatte, sondern etwas völlig anderes. Den echten Download-Link finden Sie erst nach dem Wegklicken des unerwünschten Download-Angebots.

Zeitdruck und Knappheit

Die Industrie hat herausgefunden, dass Nutzerinnen und Nutzer sich zu übereilten Klicks oder gar Käufen hinreissen lassen, wenn man ihnen das Gefühl gibt, dass ihnen die Zeit davonlaufe oder der gerade im Shop betrachtete Artikel knapp sei, Bild 10. Manchmal kommen auch Countdowns zum Einsatz, bei denen die anscheinend noch verfügbaren Exemplare langsam herunterzählen. Und so sehr wir den Onlinehändler Brack (nebst Digitec, STEG Electronics und wie sie alle heissen) schätzen: Auf seinem DayDeal-Portal läuft diese Art von Unterdrucksetzung zur Hochform auf. Wer dort ohne felsenfeste Impulskontrolle aufschlägt, wird unter Umständen mehr Geld los als beabsichtigt.
Bild 10: Ein Reiseportal sorgt mit solchen Pop-ups subtil für Zeitdruck
Quelle: PCtipp.ch

Flunkern

Irgendwo zwischen der Wahrheit und der Lüge steht das Flunkern. Wenn Sie beim grossen deutschen Mailanbieter GMX per Browser Ihr Postfach anschauen wollen, könnte Ihnen ein Fenster wie dieses begegnen, Bild 11. Der Link bietet Ihnen einen «Kostenlosen GMX Browser» an. Bei diesem handelt es sich aber nur um einen mit GMX-Werbung angereicherten Firefox, Chrome oder Opera. Als «veraltet» betrachtet GMX Ihren derzeitigen Webbrowser übrigens schon, wenn Sie zum Beispiel via NoScript nicht alle Scripts freigegeben haben. Oder wenn Ihr Firefox zwar aktualisiert ist, aber dessen Neustart (um die Aktualisierungen anzuwenden) nicht vollzogen ist. Lassen Sie sich durch irgendwelche Pop-up-Fenster oder Anzeigen keine Software aufschwatzen.
Bild 11: Veralteter Webbrowser? Netter Versuch, GMX!
Quelle: PCtipp.ch

Verunsichern

Das Verunsichern der User, damit sie am Ende doch noch den «richtigen» Klick machen, gehört zum Standardarsenal der Software-Hersteller. Ein Besuch in den Windows-Einstellungen zeigt bei vielen Firefox- oder Chrome-Anwendern einen Warnpunkt, Bild 12 A.
Bild 12: Hinweispunkte teilen mit, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Das gilt offenbar auch für Ihre Browserwahl
Quelle: PCtipp.ch
Normalerweise ist so ein Punkt ein Hinweis darauf, dass etwas «nicht in Ordnung» ist, wie beispielsweise hier beim fehlgeschlagenen Update B. Für Microsoft ist es aber offenbar auch nicht in Ordnung, wenn Sie sich für einen anderen Webbrowser entschieden haben. Lassen Sie sich also auch nicht durch solche Warnpunkte irritieren.

Kontrollentzug

Schon wieder zu Microsoft: Bei Windows 10 und 11 wird kaum eine Gelegenheit ausgelassen, die Nutzergemeinde mit mehr oder weniger sanfter Gewalt in die gewünschte Richtung zu dirigieren. Ein Fenster wie dieses erscheint nach einer Neuinstallation oder einem Update immer wieder mal, Bild 13. Wer heute noch so mit Windows arbeiten möchte, wie man dies schon vor zehn Jahren tat, will vermutlich gar nichts aus diesen Angeboten haben.
Bild 13: Von hier aus gibts kein Zurück. Diese Meldung lässt sich nur durchklicken oder zeitlich verschieben, aber nicht wegklicken
Quelle: PCtipp.ch
Früher wäre hier irgendwo ein Ankreuzkästchen wie «Nicht mehr anzeigen» erschienen. Diesen Komfort gönnt uns Windows im Jahr 2023 nicht. Ein genervter Nutzer muss entweder da durch und die Punkte via Weiter einzeln ablehnen oder muss sich in drei Tagen erneut damit befassen. Das Fenster entzieht ihm zudem vorübergehend die Kontrolle übers System: Es ist weder minimier- noch schliessbar. Auch das Startmenü und der Task-Manager sind gesperrt. Nicht einmal mit Alt+Tab ist von hier aus ein Wechsel zu einer anderen Anwendung möglich. Fast so, als hätte man sich in Redmond etwas bei Ransomware-Verbreitern abgeschaut.

Auf Schritt und Tritt

Zur gruseligen Sorte der Gängeleien gehört, wenn Ihr Betriebssystem oder eine Webseite Sie bei allem, was Sie tun, zu beobachten scheint. Machen Sie unter einem frischen Windows 11 Ihren ersten Screenshot, springt Ihnen sofort ein Werbefenster entgegen, das Ihnen die Nutzung von OneDrive schmackhaft machen will.
Oder öffnen Sie bei einem neuen Benutzerkonto den Edge-Browser und suchen Sie in dessen Suchmaschine Bing beispielsweise nach Google Chrome. Oberhalb des Suchresultats erscheint ein fetter grauer Balken, der Sie unterschwellig vor Zeit- und Geldverlust warnt, wenn Sie nicht Edge benutzen, Bild 14.
Bild 14: Aber hallo, lieber User, du willst doch nicht zur Konkurrenz abwandern!
Quelle: PCtipp.ch
Erfrechen Sie sich, trotzdem aufs Suchresultat zu Google Chrome zu klicken, wartet die nächste Überraschung. In Edge erscheint ein Pop-up, das uns quasi mitteilt, dass man Google weniger als Microsoft trauen könne. Ähnliches passiert auch auf manchen Websites: Sobald Sie die Maus in Richtung Schliessen-Knopf bewegen, taucht ein Pop-up auf, das versucht, Sie auf der Webseite zu halten. Dies haben wir kürzlich bei einem Reiseportal und einem deutschen Hoster gesehen. Im Pop-up des Letzteren stand «Halt! Wir haben noch etwas für Sie!».

Bedienelemente

Wenn man nicht will, dass jemand eine bestimmte Funktion benutzt oder Einstellung ändert, verstecke man diese Einstellung hinter einem unsichtbaren Bedienelement. Das kann ein Scrollbalken oder ein Ausklappmenü sein, das erst erscheint, wenn ein Anwender mit der Maus drüberfährt.
Beispiel gefällig? Wieder eins von Microsoft! Ein frisch eingerichtetes Windows-Notebook bot uns an, die Gesichtserkennung einzurichten. Auf den ersten Blick gab es nur einen Informations-Link und die Schaltfläche Ja, einrichten. Erst, wenn die Maus über dem zunächst unsichtbaren Scrollbalken schwebt, erscheint dieser und lässt uns zur gesuchten Option scrollen: Vorerst überspringen.

Graue Option

Zum Schluss noch der Klassiker, dem Sie garantiert schon öfter begegnet sind. Gegeben seien mindestens zwei Schaltflächen, von denen eine in Farbe und gut lesbar gestaltet, die andere grau und schlechter lesbar ist. Natürlich sollen Sie auf den bunten Knopf klicken. Das findet sich in Cookie-Bannern, die Sie auf Webseiten antreffen, und sogar in Software.



Kommentare
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Brigitte Passler
01.02.2023
Klasse! Mal wieder ein sehr lesenswerter und informativer Artikel von Frau Salvisberg. Auch wenn einer schon sehr vorsichtig ist, kann doch der eine oder andere Tipp nützen (z.B. der Hinweis auf versteckte Scrollbalken).

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Gaby Salvisberg
01.02.2023
Danke! :cool:

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Poldi
02.02.2023
Vielen Dank. Immer und immer wieder fällt man auf diese miesen Schwindel rein und ärgert sich dann fürchterlich mal wieder zu schnell geklickt zu haben. Auch wenn man von einer seriösen, sicheren Seite einen Download macht, hat man plötzlich noch ein Programm auf Festplatte, dass man nur mühsam wieder loswird. Jammerschade, dass wir von unseren Lieferanten so schlecht behandelt werden. Diese leben ja von uns.

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Gaby Salvisberg
03.07.2023
Zum Thema Dark Pattern/Deceptive Design: Der Schweizer Konsumentenschutz sammelt Beispiele dazu: https://www.konsumentenschutz.ch/melden-sie-uns-dark-patterns/