Dark Patterns: Die Tricks von Webseitenbetreibern und Software-Herstellern

Fiese Gestaltung (Beispiele)

Von verfänglicher Textformulierung übers Verbergen oder Ausgrauen von Bedienelementen bis hin zur Vorspiegelung falscher Tatsachen ist in dieser Sammlung der kleinen fiesen Tricks alles dabei. Einige davon wurden von Harry Brignull beschrieben, einige sind mir selbst aufgefallen.

Negative Bejahung

Bild 3: Wie jetzt? Ankreuzen oder nicht?
Quelle: PCtipp.ch
Ja, ich will nicht! Harry Brignull bezeichnet diese Kategorie als «Trick Questions» (Fangfragen). Elemente in Formularen, die nur auf den ersten Blick klar sind. Sie kennen es so ähnlich von vielen Onlinebestellungen. Bei vielen hat es ein bereits angekreuztes Kästchen dabei für «Ich möchte Informationen über zukünftige Angebote erhalten», was den Betreiber der Seite ermächtigt, Ihnen in Zukunft regelmässig Werbung zu senden.
Daran ist eigentlich nichts verkehrt. Kundenfreundlich wäre es aber, das Kästchen schon gar nicht erst standardmässig anzuhaken. Die meisten erfahrenen Onlineshopper deaktivieren solche Kästchen reflexartig. Nur gibt es unter den Webseitenbetreibern aber Schlaumeier, die es umgekehrt machen, wie in unserem von einem realen Beispiel inspirierten Mock-up, Bild 3. Angekreuzt ist hier «Bitte senden Sie mir keine weiteren Informationen …». Wer das Kästchen aus alter Gewohnheit deaktiviert, wird also mit Werbung zugedeckt.

In den Korb schmuggeln

Sie mieten eine Onlinedienstleistung, zum Beispiel eine Internetdomain. Doch wenn Sie am Schluss beim Warenkorb angelangt sind, stecken noch Zusatzdienste mit drin, die Sie gar nicht ausgewählt haben, ein «Domainschutz» vielleicht oder zusätzliche Domains mit anderen Endungen. So wurde das zeitweise beim US-Hoster GoDaddy beobachtet.
Bild 4: Deaktiviert man den «Domainschutz», macht einem der gelbe Balken ein schlechtes Gewissen
Quelle: PCtipp.ch
In der EU ist dieses Verhalten inzwischen verboten. Heute zeigt GoDaddy ein Zwischenfenster für solcherlei Dienste an. Deaktiviert man den Zusatzdienst, greift ein anderes Trickli, Bild 4 (siehe dazu auch Teil 4: Fiese Gestaltung (Fortsetzung)/«Confirmshaming»).
In eine ähnliche Kategorie wie das In-den-Korb-Schmuggeln gehen auch Gebühren und Steuern, die erst ganz am Schluss im Warenkorb auftauchen.

Vergleich erschweren

Haben Sie schon einmal ein Mobilfunk-Abo gesucht? Die Produkte der Telekommunikations-Anbieter sind oftmals so geschickt mit Zusatzdiensten geschnürt, dass sie sich nur schwer mit jenen der Konkurrenz oder gar mit den hauseigenen Billiglinien vergleichen lassen. Ohne unabhängige Schweizer Preisvergleichsdienste wie dschungelkompass.ch oder moneyland.ch wäre die einheimische Smartphone-Nutzergemeinde aufgrund dieser Praxis verloren.
Bild 5: Wie schwer ist eine Zitrone?
Quelle: PCtipp.ch
Ähnlich schwierig wirds, wenn ein Anbieter beim Onlineobstkauf bei zwei ähnlichen Produkten mit verschiedenen Ellen misst: Bei der einen Sorte ist ein Stückpreis angegeben, bei der anderen hingegen ein Kilopreis. Welches Angebot günstiger ist, kann die vor dem Bildschirm grübelnde Kundschaft nicht herausfinden. Bei einer kurzen Stichprobe bei Coop und Migros waren die Preise zum Beispiel bei Äpfeln durchs Band in Kilogramm angegeben. Nicht aber bei Zitronen, Bild 5.
Damit ist ein Preisvergleich unmöglich. Zugegeben: Bei den Zitronen ist es ein Grenzfall, da oftmals nur ein bis zwei Stück benötigt werden. Aber was ist, wenn ich vier Zitronen brauche?

Lockvogeltaktik

Die in Englisch als «Bait and Switch» bezeichnete Methode bedeutet, eine ganz andere Aktion durchzuführen, als der oder die Getäuschte annimmt. Microsoft hat im Jahr 2016 mit dieser Taktik für viele rote Köpfe gesorgt. Damals wollte der Konzern die Nutzerzahlen von Windows 10 auf Biegen und Brechen schnell erhöhen. Die Windows-7-User bekamen daher ab Ende 2015 immer wieder Pop-ups zu sehen, mit dem Angebot, auf Windows 10 zu upgraden.
Seit Jahrzehnten weiss indes jeder computergewohnte Mensch eines: Ein Klick auf ein X-Symbol oben rechts schliesst das Fenster. Darum wurden diese Fenster fleissig weggeklickt. Bis eines Tages Microsoft den Spiess umdrehte, Bild 6.
Bild 6: Bei Mspoweruser.com haben wir diesen Screenshot des Corpus Delicti gefunden
Quelle: Mspoweruser.com
Der Klick aufs X schloss nicht einfach das Fenster, sondern leitete auf den Geräten die Installation von Windows 10 ein – also das Gegenteil des eigentlichen User-Wunschs.



Kommentare
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Brigitte Passler
01.02.2023
Klasse! Mal wieder ein sehr lesenswerter und informativer Artikel von Frau Salvisberg. Auch wenn einer schon sehr vorsichtig ist, kann doch der eine oder andere Tipp nützen (z.B. der Hinweis auf versteckte Scrollbalken).

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Gaby Salvisberg
01.02.2023
Danke! :cool:

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Poldi
02.02.2023
Vielen Dank. Immer und immer wieder fällt man auf diese miesen Schwindel rein und ärgert sich dann fürchterlich mal wieder zu schnell geklickt zu haben. Auch wenn man von einer seriösen, sicheren Seite einen Download macht, hat man plötzlich noch ein Programm auf Festplatte, dass man nur mühsam wieder loswird. Jammerschade, dass wir von unseren Lieferanten so schlecht behandelt werden. Diese leben ja von uns.

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Gaby Salvisberg
03.07.2023
Zum Thema Dark Pattern/Deceptive Design: Der Schweizer Konsumentenschutz sammelt Beispiele dazu: https://www.konsumentenschutz.ch/melden-sie-uns-dark-patterns/