Konamis «PES 2019» läutete die diesjährige Fussballsaison ein und zeigte besonders auf dem Rasen seine Qualitäten. Doch punkto Umfang und Optionstiefe fehlten uns die Innovationen. «FIFA 19» dagegen zeigt sich in diesem Jahr generalüberholt: mit frischen Animationen, dem dritten Teil der «Journey»-Saga und vor allem vielen kleinen und grossen Veränderungen. Sichert sich EA Sports deshalb diesmal mühelos die Tabellenführung oder patzt das Lizenzwunder und stolpert womöglich über die eigenen Ansprüche?

EA Sports versucht in diesem Jahr, eine neue Zielgruppe zu erreichen. In «NHL 19» probierte man dies mit der World of Chel, in «FIFA 19» mit den sogenannten Hausregeln: Abseits der klassischen Freundschaftsspiele können Sie nun Ihre Matches nach den eigenen Wünschen variieren. Abhängig von den von Ihnen ausgewählten Optionen zählen etwa nur Volley-Schüsse und Kopfbälle oder Treffer aus grösserer Distanz. Wer mal die Sau rauslassen möchte, deaktiviert kurzerhand gelbe und rote Karten. Die Hausregeln erweisen sich gerade bei lustigen Spieleabenden mit Freunden als unterhaltsam. Sie sind zwar kein alleiniger Kaufgrund, fügen sich aber ausgezeichnet in «FIFA» ein.

Gleiches gilt im Übrigen für die neuen Lizenzen der Champions League und der Europa League. Sie entscheiden, ob Sie die aktuellen Wettbewerbe nachspielen möchten, ob Sie einen eigenen Wettbewerb erstellen wollen und ob Sie Gruppenphase, Halbfinals oder nur das Finale – inklusive Jubelfeier zum Abschluss – bestreiten möchten. Die Präsentation ist erstklassig und kratzt mal wieder am Eindruck einer TV-Übertragung. Spätestens, wenn ein gewaltiger Cristiano Ronaldo die Fankurve der Juve-Fans ziert, kommt echte Stadionatmosphäre auf.

Bemängelten wir bei «PES 2019» die Stagnation in Sachen Spielmodi, fährt «FIFA 19» in diesem Bereich schwere Geschütze auf. Abseits der Hausregeln und der frischen Wettbewerbe finden Sie etwa den dritten Ableger der «Journey»-Story. In dieser kontrollieren Sie gleich drei Hauptcharaktere – Alex Hunter, Kim Hunter und Danny Williams. Sehr schön: Zu Beginn importieren Sie die Geschehnisse aus «FIFA 18» und spielen so Ihre Geschichte weiter.

Jede Figur verfolgt dabei ihre eigenen Ziele: Alex startet bei Real Madrid durch und wird zum Superstar, Kim möchte sich in der US-Damen-Nationalmannschaft durchsetzen und Danny kämpft in der Premier League um Anerkennung. Erstmals kontrollieren Sie nicht nur die Mannschaft oder den Spieler selbst, sondern auch bestimmte Gruppierungen innerhalb des Teams. Kim Pöhlt mit ihrer Sturmkollegin Alex Morgan und Alex Hunter mit einer optionalen Gruppe von Mentoren. Wählen Sie diese Option häufiger, steigt das Team-Gefühl. Wie schon im Vorgänger bestimmen Ihre Entscheidungen in Dialogen über das Ansehen der Stars.

Daneben bleibt der Karrieremodus – egal, ob als Trainer oder als Spieler – nahezu unangetastet und erhält lediglich einige wenige neue Menü-Designs. Das beliebte FIFA Ultimate Team dagegen wird um die Division Rivals ergänzt. Dieser Online-Modus soll vor allem für ein gleiches Niveau unter den Spielern sorgen und das ständige Auf- und Absteigen reduzieren. Ob das funktioniert, werden erst die kommenden Wochen und Monate zeigen. Aktuell sind die Server noch vergleichsweise leer.

Auf dem Platz spielt «FIFA 19» neue Stärken aus und präsentiert sich dadurch – gerade im Vergleich zum Vorjahr – als deutlich bessere und interessantere Simulation. Schon auf den ersten Blick fällt die ausgezeichnete Präsentation auf: Einspieler nach Toren oder Chancen zeigen die Stars in der Nahaufnahme und zeigen die Emotionen der Stars. Wenn sich ein Manuel Neuer nach einem kassierten Treffer ärgert, möchte man ihm doch direkt ein Taschentuch reichen. Das exakte Gegenteil ist dann wieder Liverpool-Coach Jürgen Klopp, der nach einem Treffer förmlich ausflippt. Dazu gibt es speziell bei den grossen Teams die typischen Gesänge von den Rängen, die das Geschehen passend untermalen. In Sachen Atmosphäre steckt «FIFA 19» «PES 2019» – trotz weniger authentischer Spielermodelle – daher in die Tasche. Der deutsche Kommentar mit Wolff Fuß und Frank Buschmann gefällt uns ebenfalls einen Hauch besser, allerdings wiederholen sich die beiden Besserwisser weiterhin zu oft. Und einige Sprüche – etwa bei der Siegesfeier – wirken arg aufgesetzt.

Im Spiel entdecken Sie schnell die vielen Veränderungen. War «FIFA 18» eher ein müdes Update, wagt EA Sports in diesem Jahr wieder stärker den Umbruch. Die Mitspieler laufen sich stärker frei und bieten sich direkter für Zuspiele an. Abwehrreihen stellen ihre Gegenüber nur allzu gerne ins Abseits. Sie benötigen gutes Timing für den tödlichen Pass. Verteidiger bringen nun vermehrt ihre Kraft ins Spiel und schieben ballführende Kontrahenten einfach weg. Dribblings und Doppelpässe sind daher angebracht. Sehr schön: Das Flankenspiel gewinnt an Tiefe hinzu. Stehen Sie schlecht zum Ball, dreschen selbst erfahrene Kicker das Leder in die Wolken. Dazu erkennt das Programm besser, wie weit und zu wem Sie den Ball spielen möchten. Dadurch kommt es zu mehr Varianz im Angriffsspiel – auch wenn kurze Pässe durch das Zentrum weiterhin sehr effektiv bleiben.

Besonders fallen die vielen zusätzlichen Animationen auf. In Zweikämpfen kommt es vermehrt zu Pressschlägen, bei denen der Ausgang oftmals ungewiss erscheint. Bedeutet: Nur weil Sie vielleicht gut in der Abwehr stehen, ist die Balleroberung noch längst nicht sicher. Trotzdem gibt es nur selten den in Vorgängern verpönten Flummi-Effekt. Viel besser gefallen uns da die neue Unberechenbarkeit im Spiel und die fortgeschrittenen Aktionen wie die getimten Abschlüsse. Sie erfordern viel Übung und richten sich daher wirklich nur an die fortgeschrittenen Spieler. Im direkten Vergleich mit «PES 2019» wirkt das Spiel bei «FIFA 19» langsamer und etwas träger. Auf dem Feld ist nicht ganz so viel Bewegung. Auch Faktoren wie Müdigkeit oder Verletzungen spielen eine dominante Rolle.

Das Leder selbst wirkt in diesem Jahr einen Hauch schwerer, nimmt aber dennoch gelegentlich ungeahnt Fahrt auf. Während gerade Flanken oftmals eher träge wirken, sind Schüsse und auch weite Steilpässe teils arg wuchtig. Optisch erscheint dieser Gegensatz mitunter merkwürdig, schmälert aber nicht den Spielspass. Im Vergleich zum Vorjahr jedenfalls ist «FIFA 19» auf jeden Fall anspruchsvoller und authentischer.

EA Sports legt in diesem Jahr kräftig nach und wartet – im Vergleich zu «PES 2019» – nicht nur mit einem breiten Lizenzpaket, sondern vor allem mit Modusvielfalt auf. Egal, ob Sie eine Runde Arcade-Fussball mit Freunden zocken oder sich online im Ultimate Team austoben möchten.

Auf dem Platz mag sich zwar «PES 2019» weiterhin flüssiger und etwas authentischer spielen, doch der Abstand zwischen den beiden Fussballriesen wird schmaler. Speziell in Sachen Mitspieler-KI und Aufbauspiel gibt sich «FIFA 19» vielseitiger als sein Vorgänger. Die Zweikämpfe fühlen sich besser an als beim Konkurrenten und auch sonst überzeugen Verbesserungen wie die fortgeschrittenen Schüsse.

Nach dem müden Update des vergangenen Jahres wagt EA Sports in diesem Jahr einen kleinen Umbruch und so spielt sich «FIFA 19» deutlich anders als sein Vorgänger. Wer also «FIFA 18» übersprungen hat, darf hier getrost wieder einsteigen. «FIFA»-Dauerzocker freuen sich ebenfalls auf die neuen Optionen und die vielen kleinen Gameplay-Anpassungen.