Tipps & Tricks 20.03.2013, 12:10 Uhr

Das RAW-Dilemma

Sie fotografieren in RAW und sind nicht sicher, auf welche Software Sie in Zukunft setzen sollten? Holen Sie zum endgültigen Befreiungsschlag aus. Ein Lösungsansatz.
Jedes RAW-Foto muss vor Gebrauch entwickelt werden, sonst gibt es nichts her. Diese Regel gilt ausnahmslos. Doch welche Software darf es sein? Adobe Lightroom, weil es von gefühlten 80 % der Fotografen verwendet wird? Capture One wegen seiner hervorragenden Perspektivekorrektur? Optics Pro, weil die Entwicklung fast immer vollautomatisch abläuft? Oder Apples Aperture, weil es nicht nur hübsch aussieht, sondern auch perfekt mit den iOS-Geräten zusammenarbeitet?
Optics Pro macht die RAW-Entwicklung zu einem vollautomatischen Prozess
Die Frage ist für viele Fotografen deshalb so bedeutungsvoll, weil die Bildverwaltung in derselben Software abgewickelt wird wie die Entwicklung. Programm A verwaltet hervorragend, zeigt aber Schwächen bei der RAW-Umsetzung – und bei Programm B ist es genau umgekehrt. Es ist ein Kreuz.
Zwei Knackpunkte
Das Problem liegt in dieser Vermischung der Kompetenzen. Wenn in der Fotoverwaltung unzählige Schlagworte zugeteilt, Alben erstellt und Wertungen vergeben worden sind, dann ist ein Wechsel zu einer anderen Software nur noch mit viel Aufwand möglich – denn diese liebevoll eingepflegten Funktionen gehen verloren. Und dabei hätte Programm C doch so tolle Filterfunktionen!
Lightroom: der Platzhirsch unter den RAW-Entwicklern
Die zweite Falle lauert bei der «nicht-destruktiven Bearbeitung». Das heisst, dass alle Bildmanipulationen nur virtuell aufgetragen werden und jederzeit rückgängig gemacht werden können. Erst wenn ein Bild zum Beispiel nach Photoshop (Elements) exportiert wird, muss eine Kopie erstellt werden. Die meisten namhaften Programme arbeiten heute nicht-destruktiv, etwa Google Picasa, Adobe Lightroom, ACDSee, Optics Pro, Aperture oder iPhoto …, um nur einige zu nennen.
Nicht-destruktive Verarbeitung: Der Pinsel in Aperture lässt sich jederzeit wieder radieren
Diese nicht-destruktive Bearbeitung gehört zu den grössten Fortschritten der letzten Jahre, aber sie ist nicht ohne Tücke: Im Bestreben, alle Fotos schön aufgeräumt an einem Ort zu sammeln, möchten sich viele Fotografen nur noch auf eine Software beschränken. Sie suchen also die viel zitierte Eier legende Wollmilchsau.
Doch damit werden die Dinge nicht einfacher, im Gegenteil: Die Chance, dass Ihnen die Verwaltung und die Bearbeitung eines Software gleichermassen zusagen, ist eher gering. Und deshalb befinden sich so viele von uns auf der sinnlosen Suche nach der alleinseligmachenden Software, mit der wir den Rest unseres Lebens verbringen möchten.
Wenn Sie sich in dieser Gruppe wiedererkennen, versuchen Sie es doch einmal mit einem anderen Ansatz, der an Banalität kaum mehr zu unterbieten ist – und der das Problem auf lange Zeit hinaus lösen kann.
Nächste Seite: Gewaltentrennung

Gewaltentrennung

Gewaltentrennung
Die Lösung: Finden Sie sich damit ab, dass es den perfekten RAW-Konverter nicht gibt – und wahrscheinlich auch nie geben wird. Vergessen Sie die Idee, dass die Entwicklung und die Verwaltung in der gleichen Umgebung stattfinden müssen. Oder dass eine Originaldatei reicht, um alle erdenklicken Bearbeitungsschritte verlustfrei durchzuführen. Sobald Sie diesen mentalen Schritt vollzogen haben, sind Sie frei.
Ende.
Nein, doch nicht ganz. Das führt natürlich zu Konsequenzen. Wenn Sie die Fotos in Lightroom entwickeln und in Picasa verwalten, dann gibt es von jedem Bild mindestens eine Kopie, denn Picasa versteht nichts von der verlustfreien Retusche des Adobe-Produkts. Stattdessen muss das Bild von Lightroom mit allen Änderungen exportiert werden, damit es in Picasa wunschgemäss erscheint.
Ein Rückfall in dunkle Zeiten also? Nicht wirklich. Je intensiver Sie sich mit der Fotografie beschäftigen, desto grösser wird die Chance, dass Bilder regelmässig exportiert werden müssen – sei es für den Feinschliff in Photoshop, wegen den tollen Nik-Filtern, den Effekten in Snapseed oder wegen irgendeiner anderen Software, die eine Funktion beherrscht wie keine andere.
Effekt muss sein – wenigstens ab und zu. Im Bild: Nik Snapseed
Wenn dieses Siegel erst einmal gebrochen ist, dann spielt es keine Rolle mehr, wie viele Programme in den Prozess involviert sind. Ausserdem sind Festplatten heute so gross und günstig, dass diese Doppelspurigkeit selbst bei umfangreichen Bildersammlungen kaum mehr ins Gewicht fällt – vor allem, weil die exportierten Fotos meistens im platzsparenden JPEG-Format abgelegt werden.
Die Praxis
Welche Software Sie verwenden, bleibt natürlich Ihnen überlassen. Ich selbst war jahrelang zwischen Aperture und Lightroom hin- und hergerissen – so sehr, dass ich am Schluss meine Fotosammlung doppelt geführt habe. Auch eine Möglichkeit, seine Zeit zu verschwenden. Heute läuft der Prozess bei mir so ab:
Für die Entwicklung verwende ich in erster Linie Adobe Lightroom, weil es sich mit meinen Bedürfnissen bei der RAW-Veredelung am ehesten deckt. Ab und zu werden Dateien in andere Programme exportiert, um ihnen den letzten Schliff oder einen bestimmten Effekt zu verpassen, doch die dabei anfallenden Kopien landen ebenfalls wieder in Lightroom. Die Bilder werden in Lightroom auch verwaltet, aber eher lieblos, ohne Schlagworte und ohne Bewertung – halt so wie früher, als man die Fotos einfach in einen Schuhkarton warf.
Wenn es an einem Foto nichts mehr zu rütteln gibt, wird es aus Lightroom im JPEG-Format exportiert und landet in … iPhoto. Erst hier mache ich mir die Mühe, Schlagwörter und Wertungen zu vergeben oder Alben zu erstellen.
iPhoto ist die Spassabteilung, in der so ernsthafte Begriffe wie «Objektivprofile» oder «Rauschreduktion» keinen Platz haben. Hier dreht sich alles um Diashows, geprägte Glückwunschkärtchen und – natürlich! – die nahtlose Synchronisation mit den iOS-Geräten. iPhoto ist eine regelrechte Erleichterung nach den Ballaststoffen, die mir von Lightroom verabreicht wurden.
Karten mit Prägung: In iPhoto dauert das nur wenige Klicks
Aber natürlich können Ihre Anforderungen anders aussehen. (Oder Sie arbeiten mit Windows; dann hat sich das Thema iPhoto sowieso erledigt.) Doch zum Glück wimmelt es auf dem Markt vor Alternativen.
Nächste Seite: Hilfe bei der Auswahl

Hilfe bei der Auswahl

Hilfe bei der Auswahl
Von kleinen Shareware-Programmen abgesehen, bietet jeder ernsthafte RAW-Converter auch eine Verwaltungsfunktion – selbst wenn diese vielleicht nur rudimentär ist. Doch oft reicht das bereits, um die «Negative», also die RAW-Originale, zu verwalten.
Bei der Verwaltung der fertigen Fotos liegt der Fall ein wenig anders. Die Entscheidung steht und fällt mit Ihren Vorlieben und Anforderungen – vielleicht als Privatperson, vielleicht als Profi. Hier einige Beispiele, die als Geschmacksmuster dienen sollen:
Mac-Anwender. Als Apple-Anwender sind iPhoto oder Aperture (Mac) fast schon Pflicht – es sei denn, Sie wollen sich das Leben bei der Synchronisierung mit iPhone, iPad und iPod touch künstlich schwer machen.
Unbeschwerter als in iPhoto lassen sich Bilder nicht verwalten
Google-Fans. Wenn Sie die Nähe zur Google-Welt suchen, dann könnte das kostenlose Picasa (Mac und Win) ein Favorit werden, weil es eine direkte Anbindung zum Picasa-Bilderdienst und zu Google+ bietet.
Druck & Werbung. Wenn Sie in der Druckvorstufe oder in der Werbung arbeiten, sollten Sie sich Media Pro von Phase One ansehen (Mac und Win). Diese Software bietet unzählige Möglichkeiten zur Organisation oder Verschlagwortung und erstellt Webgalerien auf Knopfdruck. Kataloge lassen sich zusammen mit einer kostenlosen Runtime-Version speichern, die zum Beispiel an Kunden weitergegeben werden kann. Allerdings ist die Anwendung ziemlich spassbefreit und wird deshalb meistens nur von Profis verwendet.
Sortierwütige. Adobe Lightroom (Mac und Win) eignet sich besonders für die Verwaltung, wenn Sie nicht in Alben, sondern in ganzen Bibliotheken denken – zum Beispiel weil Sie die Fotos von verschiedenen Kunden oder Anlässen strikt voneinander trennen möchten. Lightroom macht die Aufteilung, Zusammenführung und Sicherung der einzelnen Bibliotheken einfach und bietet darüber hinaus ein gerüttelt Mass an Bildretuschefunktionen, mit denen unzählige Fotografen ihren Lebensunterhalt verdienen.
Das letzte Wort
Die Herausforderung besteht also darin, Entwicklung und Verwaltung zu trennen. Nachdem es zu diesem Bruch gekommen ist, wird alles viel einfacher. Legen Sie den Schwerpunkt zuerst auf die Verwaltung und finden Sie eine Software, die Ihnen am ehesten zusagt – doch prüfen Sie den potenziellen Kandidaten gründlich! Anschliessend können Sie in aller Ruhe Ihr Arsenal für die Retusche und die RAW-Entwicklung zusammenstellen.



Kommentare
Es sind keine Kommentare vorhanden.