Die ideale Kamera

Die Auswahlkriterien

Da Sie noch weiterlesen, gehe ich davon aus, dass Sie weiterhin eine Kamera kaufen möchten. Legen wir also los. Zunächst sollten Sie die wichtigsten Kriterien festlegen, die für Sie relevant sind. Am besten schreiben Sie diese auf, damit Sie diese im Dickicht des Kamera­angebots nicht aus den Augen verlieren.

Budget

Legen Sie zu Beginn ein Budget fest. Am besten möglichst genau, im Zweifelsfall geht aber auch eine Preisspanne. Falls Geld gar kein Thema ist, müssen Sie nicht mehr weiterlesen. Gehen Sie einfach in das nächste Fotofachgeschäft und lassen Sie sich das Beste vom Besten verkaufen.
Bedenken Sie beim Budget, dass der Preis der Kamera nur ein Teil der Gesamtkosten darstellt. Sie benötigen diverses Zubehör, einiges davon sogar zwingend. Bei einer Systemkamera brauchen Sie mindestens ein Objektiv. Die Preisspanne reicht von etwa 200 Franken bis ins schier Unermessliche. Für Normalsterbliche rechnen Sie zwischen 200 und 2500 Franken für ein Standard-Zoomobjektiv, Bild 4.
Bild 4: Auf Vollformat-Kameras gilt das Objektiv 24–70 ƒ/2,8 als Klassiker, ist aber auch nicht billig
Quelle: PCtipp.ch
Dazu kommen mehrere Speicherkarten. Achten Sie dabei darauf, wie viele und welche Speicherkartenslots Ihre Wunschkamera hat. Nebst SD-Karten sind auch die teureren CFexpress-Karten geläufig. Die Preise variieren je nach Speichergrösse und Qualität zwischen etwa 50 und 500 Franken pro Karte.
Ein Akku und ein Ladegerät sind in der Regel beim Kauf dabei. Zusätzliche Akkus sind jedoch äusserst empfehlenswert und kosten nicht die Welt. Zwischen 50 und 100 Franken pro Akku ist realistisch.
Alles Weitere ist optional. Besonders empfehlenswert sind:
  • Kameragurt: Die mitgelieferten Gurte sind nicht ideal, testen Sie unbedingt alternative Modelle, Bild 5.
    Bild 5: Handschlaufen wie diese von Peak Design sind praktische Alternativen zum herkömmlichen Kameragurt
    Quelle: PCtipp.ch

  • Mehr Objektive: Flexibilität ist immer gut.
  • Stativ: Auf keinen Fall Billigmodelle kaufen. Ihre teure Kamera soll sicher stehen.
  • Noch mehr Objektive: kann man nie genug davon haben.
  • Bildbearbeitungs-Software: Lohnt sich besonders für die Bearbeitung von Rohdatenbildern, ist aber auch sonst eine sehr praktische Investition.
  • Vielleicht noch ein letztes Objektiv: Was man mit so einem Makroobjektiv alles machen könnte …
  • Licht: ein externer Blitz für Fotografie, eine LED-Leuchte für Video.
  • Okay, das ist jetzt wirklich das letzte Objektiv – echt jetzt.
  • Mikrofone: Ein externes Mikrofon empfiehlt sich für Video. Die internen Mikrofone sind meistens schwach.
Stöbern Sie auch sonst noch ein wenig in den Zubehörkategorien Ihres Händlers. Je nachdem, was Sie mit der Kamera vorhaben, finden Sie womöglich noch etwas Passendes.
Aber Vorsicht: Das meiste Zubehör ist optional und geht schnell ins Geld. Sparen Sie im Zweifelsfall nicht am Objektiv und an der Kamera, um sich mehr «nettes» Zubehör leisten zu können. Erste Priorität hat ein gutes Objektiv, danach folgt eine starke Kamera, anschliessend das essenzielle Zubehör und erst zuletzt das Nett-zu-haben-Zubehör.

System

Mit einer hochwertigen Kamera kaufen Sie stets mehr als nur das Gerät. Sie kaufen sich in ein System ein. Entscheiden Sie sich für einen Nikon-Body, benötigen Sie auch die passenden Objektive und das kompatible Zubehör. Recherchieren Sie also nicht nur zur Kamera, sondern auch, ob das dazugehörige System Ihren Anforderungen gerecht wird.
Glücklicherweise ist beim Zubehör heutzutage vieles nicht mehr systemgebunden. Speicherkarten, Stative, Mikrofone oder Tragegurte sind universell einsetzbar. Bei anderem Zubehör wie Blitzgeräten oder Fernauslösern variiert die Kompatibilität. In der Praxis steht das «System» also primär stellvertretend für zwei grosse Themen: Objektive und Sensoren.
Fast alle grossen Hersteller haben eines oder mehrere Systeme im Angebot. Definiert wird das System fast immer anhand des Objektivanschlusses. Teilweise, aber nicht immer, ist dieser durch die Sensorgrösse bedingt. Canon, Nikon und Sony bieten verschiedene Sensorgrössen im gleichen Anschluss an, Fujifilm und Panasonic führen unterschiedliche Systeme dafür, da deren Sensorgrössen weiter auseinander liegen. Erstere Variante ermöglicht ein leichteres Wachstum innerhalb des Systems, ist aber verwirrender und technisch stellenweise limitiert.
Bild 6: Micro-Four-Thirds ist eines der  wenigen Systeme, die herstellerübergreifend sind
Quelle: PCtipp.ch
Für Sie heisst das: Bei Canon, Nikon und Sony können Sie einen Teil der Objektive bei einem Upgrade auf einen grösseren Sensor mitnehmen. Dafür müssen Sie beim Kauf auch genauer aufpassen, nicht ein falsches Objektiv zu erwischen. Bei Fujifilm und Panasonic sollten Sie sich im Vorfeld langfristig festlegen, haben dann aber jeweils das ganze Angebot ohne Einschränkungen zur Verfügung. Panasonic geht hier sogar noch einen Schritt weiter und verwendet offene Systeme, die mit anderen Herstellern wie Olympus oder Leica geteilt werden. Das heisst mehr Auswahl an Objektiven, dafür etwas weniger Kontrolle bei der Entwicklung neuer Features, Bild 6.
Hier die wichtigsten Systeme in der Übersicht, Bild 7:
  • Canon EOS R: APS-C & Vollformat
  • Fujifilm GFX: Mittelformat
  • Fujifilm X: APS-C
  • Nikon Z: APS-C & Vollformat
  • Panasonic Lumix G: Micro-Four-Thirds
  • Panasonic Lumix S: Vollformat
  • Sony Alpha E-Mount: APS-C & Vollformat
Bild 7: Kamerasensoren im Vergleich zu den Smartphone-Sensoren am unteren Ende (1/3 Zoll). Fujifilms Mittelformat ist noch grösser
Quelle: PCtipp.ch

Spezielles

Ausser dem Budget und dem System ist fast alles andere für spezielle Anforderungen reserviert. Bei den Standardfunktionen stehen sich die Kamerahersteller praktisch in nichts nach. Sie können sich also auf diejenigen Kleinigkeiten fokussieren, die für Sie besonders wichtig sind: Sei es ein besonders schneller Autofokus, die Farben der Kamera oder schlicht die Haptik und Bedienung. Dabei geht nichts über eine ausführliche Recherche in Fachmagazinen und einen Besuch in einem Fotofachgeschäft.
Eine besonders wichtige Abwägung ist hier diejenige zwischen Foto und Video. Beide Aufnahmeformen haben eigene Anforderungen, die sich teilweise ausschliessen. Kameras, die beides anbieten möchten, müssen oftmals Kompromisse eingehen oder eine der beiden Seiten zurückstellen. Falls Sie fast ausschliesslich fotografieren oder filmen, sollten Sie sich für einen Spezialisten in dieser Richtung entscheiden. Für einen gelegentlichen Ausflug in die Gegenseite reicht das meistens schon aus. Wollen Sie beides gleichermassen betreiben, gibt es Alleskönner. Dabei müssen Sie sich allerdings bewusst sein, dass diese den Spezialisten im jeweiligen Gebiet nicht das Wasser reichen können.

Und eine Spiegelreflex?

Zum Schluss eine Frage, die vor zehn Jahren noch umgekehrt gestellt wurde. Die Spiegelreflex war damals dominant, die spiegellosen Systemkameras waren erst gerade am Kommen. Heute ist es anders. Alle grossen Hersteller haben auf die spiegellose Bauweise gewechselt. Die Spiegelreflex gibt es zwar noch, allerdings nur in einigen Nischen – beispielsweise in der extremen Reisefotografie, wo eine lange Akkulaufzeit und maximale Robustheit alle anderen Anforderungen ausstechen. Aber auch dort stehen die Zeiten auf Wandel. Heute noch eine Spiegelreflexkamera zu kaufen, ergibt höchstens aus Nostalgie Sinn. Das herrliche Klackern des hochklappenden Spiegels ist etwas wunderbar Physikalisches, die Sicht direkt durch das Glas herrlich makellos. Aber die Nachteile überwiegen zu stark, dass die Technologie im breiten Feld noch sinnvoll wäre. Und wenn schon retro, dann doch gleich richtig: Kaufen Sie sich eine analoge Film-Spiegelreflexkamera. Und wenn es nur dazu dient, die Vorzüge der digitalen Welt wieder schätzen zu lernen, Bild 8.
Bild 8: Wenn schon retro, dann richtig, mit einer analogen Spiegelreflex
Quelle: PCtipp.ch




Kommentare
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Holzbock
13.09.2024
Interessanter Artikel, der sehr viele Aspekte ausgewogen beleuchtet - besten Dank (ich habe meine ersten Fotos im Jahr 1969 mit einer damals als Geschenk erhaltenen, etwas "zickigen" Spiegelreflexkamera "Topcon Uni" geschossen). Was man vielleicht noch hätte streifen können: - Statt dem grossen und teuren Umstieg direkt vom Phone auf eine Systemkamera als Zwischenstufe eine Kompaktkamera für einige hundert Franken anschaffen. Wenn einem das gefällt, kann man nach einiger Zeit immer noch "upgraden", wenn man aber keinen grossen Spass damit hat, ist keine vergebliche Megainvestition getätigt worden. - Warum nicht eine Occasion in Erwägung ziehen? Gibt es denn zum Beispiel in Zürich die klassischen Foto-Fachgeschäfte nicht mehr, wo man sich Dutzende von Second-hand-Kameras (vom Einfachstmodell bis zur Leica) zeigen lassen kann? Auch das vielleicht eine Möglichkeit, sich mit einer Produktlinie vertraut zu machen, bevor man sich "ewig bindet".

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gucky62
15.09.2024
- Statt dem grossen und teuren Umstieg direkt vom Phone auf eine Systemkamera als Zwischenstufe eine Kompaktkamera für einige hundert Franken anschaffen. Wenn einem das gefällt, kann man nach einiger Zeit immer noch "upgraden", wenn man aber keinen grossen Spass damit hat, ist keine vergebliche Megainvestition getätigt worden. Der Vorschlag mit der Kompaktkamera ist leider wirklich überholt. Da ist man wieder bei den Smartphone-Kameras. Die Optik der Compact-Kameras mag je nachdem Modell etwas besser sein, aber dann hat es sich schnell mal. Die Compact-Kameras sind mit den Smartphones ziemlich obsolet geworden. Gibt auch nicht viel brauchbares mehr auf dem Markt. Da ist man wohl zum Einsteigen besser mit einer Systemkamera aus dem preiswerteren Segment besser bedient. Ich nutze zwar immer noch die gute Nikon D850, nun aber auch eine Nikon Z7II als System-Variante. Mit Adapter tun die Objektive sehr gut. Aber die kompakten Sony Alpha's 6XXX oder 7XXX sind hier eine gute Einsteiger Option. Als "Schnappschuss-Kamera" gut geeignet und eben kompakt. Gruss Daniel

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