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06.04.2017, 06:41 Uhr
Test: Fujifilm X100F
Dieses Kleinod ist nicht für jedermann gedacht. Doch wenn die Chemie stimmt, wartet die perfekte Beziehung.
Klein, leicht und mit dem Aussehen einer klassischen Reportage-Kamera: Die Fujifilm X100F ist dazu geschaffen, das Leben zu dokumentieren. Ihr Design gilt als ikonisch, obwohl die X100-Serie erst sechs Jahre auf dem Buckel hat. In dieser Zeit wurde die Kamera über vier Generationen hinweg verbessert, ohne dabei ihrem Charakter untreu zu werden.
Doch das Retro-Design ist weit mehr als Hipster-Futter. Denn bei den meisten Fotos beschränkt sich die Kameratechnik auf die Dreiecksbeziehung zwischen Verschlusszeit, Blende und ISO-Wert. Wo das Gros der Kameras den Fotografen mit Menüs und fummeligen Tasten in Schach halten, offeriert die X100F diese Paramter über griffige Drehräder, die auf einen Blick alle Einstellungen preisgeben.
Ein weiteres Novum ist der Joystick auf der Rückseite, der den Fokuspunkt auf die gewünschte Bildstelle verlagert: Er liegt stets in Reichweite unter dem Daumen und führt dazu, dass Sie nach kurzer Zeit jede andere Lösung als Zumutung empfinden.
Der Sucher
Dem klassischen Design zum Trotz wartet die X100F mit technischen Leckereien auf, die kein anderer Hersteller bietet. Dazu gehört vor allem der hybride Sucher: Er funktioniert im einfachsten Fall wie ein Guckloch aus Glas, wobei die Angaben wie Blende, Verschlusszeit usw. eingespiegelt werden.
Über den Hebel an der Vorderseite wird zum elektronischen Sucher gewechselt: Wie alle Vertreter seiner Art zeigt dieser bereits vor der Aufnahme, wie das Bild aussehen wird – inklusive Effekte oder möglichen Problemen bei der Belichtung.
In beiden Fällen überzeugt die Darstellung mit ihren feinen, unauffälligen Schriften und Symbolen. Auf Wunsch rotieren die Anzeigen um 90 Grad, wenn die Kamera im Hochformat gehalten wird. Welche Angaben überhaupt eingeblendet werden, lässt sich bis ins kleinste Detail festlegen.
Optik und Verschluss
Wie ein Anachronismus wirkt die fest verbaute 35-Millimeter-Optik. Die Brennweite ähnelt allerdings unserem natürlichen Sichtfeld, sodass die Bilder aus der X100F stets vom Hauch einer Reportage umweht werden. So viel sei verraten: Wenn Sie an die Brennweite keine besonderen Anforderungen stellen (wie zum Beispiel Sport-, Porträt oder Makro-Aufnahmen), dann fühlen sich diese 35 Millimeter in den meisten Fällen «genau richtig» an.
Fujifilm bietet als Ergänzung einen optionalen Tele- und einen Weitwinkel-Aufsatz an. Sie verkürzen die Brennweite auf 28 Millimeter (WCL-X100 II) oder verlängern sie auf 50 Millimeter (TCL-X100 II). Die neue Generation dieser Konverter wird von der X100F automatisch erkannt. Die Vorgänger lassen sich ebenfalls verwenden; dabei müssen die Aufsätze lediglich in den Einstellungen der Kamera angemeldet werden, so wie es bis anhin der Fall war.
Graufilter. Auf Knopdruck wird der integrierte Graufilter zugeschaltet, der drei Belichtungsstufen schluckt. Damit werden Aufnahmen mit Offenblende bei hellem Sonnenlicht sehr viel einfacher.
Zentralverschluss. Auch der Zentralverschluss gehört zu den exotischen Eigenschaften der X100F, weil er heute fast in Vergessenheit geraten ist. Im Gegensatz zum allgegenwärtigen Schlitzverschluss gibt es auch bei sehr kurzen Belichtungszeiten einen Moment, in dem er komplett geöffnet ist. Dank dieser Eigenheit funktioniert der Blitz bei jeder Verschlusszeit bis hin zu einer 1/2000 Sekunde. Ausserdem funktioniert er so leise, dass er nie unangenehm auffällt.
Optionaler digitaler Verschluss. Der mechanische Verschluss arbeitet fast unhörbar leise – doch sein digitaler Bruder ist überhaupt nicht mehr zu hören. Einzig die Lamellen der Blende melden sich mit einem hauchzarten Klicken, das nur noch der Fotograf wahrnimmt. Die kürzeste Verschlusszeit liegt bei 1/32’000 Sekunde.
Allerdings eignen sich diese extrem kurzen Zeiten «nur», um sehr viel Licht zu verschlucken. Für schnelle Motive sind sie ungeeignet, weil es bei digitalen Verschlüssen zum «Rolling-Shutter-Effekt» kommt: Durch die zeilenweise Auslesung der Sensorfläche werden schnelle Motive verzerrt.
Hohe Anpassungsfähigkeit
Die meiste Zeit werden Sie sich an die mechanischen Bedienelemente halten – doch wenn nicht, verbiegt sich die X100F wie Wachs in den Händen. Die Menüs, die Sucheranzeigen und die Funktionstasten lassen sich nahezu beliebig anpassen. Die «Play-Taste» landet auf dem hinteren Steuerkreuz? Das sollte immer so sein!
Allerdings bleibt zu hoffen, dass Fujifilm in Zukunft den Bogen nicht überspannt. Auf das neue Steuerrad auf der Vorderseite hätte ich aus ästhetischen Gründen gerne verzichtet, denn es ist schlicht überflüssig. Im Test war es bereits schwierig, die anderen Funktionstasten sinnvoll zu belegen, weil es sie bei der X100F in dieser Menge einfach nicht braucht.
Kurz, die X100F ist ein ergonomischer Traum, auch wenn der Retro-Look die Raffinesse kaum erahnen lässt. Für Fotografen mit grossen Händen könnten die geringen Abmessungen jedoch zu einem Problem werden, aber man kann nicht alles haben. Falls Ihre Hände an Bratpfannen erinnern, ist die deutlich grössere X-Pro2 (Test) die bessere Wahl.
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