Tipps & Tricks 18.11.2019, 11:21 Uhr

Kabelloses Laden: Vorteile, Nachteile, Technik, Mythen

Was seit vielen Jahren bei den elektrischen Zahnbürsten gang und gäbe ist, klappt so ähnlich beim Smartphone: das drahtlose Laden. Die kabellose Zukunft hat allerdings auch einige Nachteile. Alles Wichtige zum Qi-Standard.
Bild 1: So sieht das offizielle Qi-Logo aus
Scherzfrage: Was klingt wie ein Nieser und spendet Energie? Es ist Qi! Das Wort wird wie «Tschi» ausgesprochen, stammt aus dem Chinesischen und bedeutet etwa «Energie» oder «Atem». Gemeint ist der am weitesten verbreitete Standard für kabelloses Aufladen von Akkus kleinerer Geräte (Smartphones, Smartwatches, Kopfhörer, Eingabestifte etc.). Geräte, die Qi unterstützen, tragen das entsprechende Logo, Bild 1.

Nicht alles Kabellose ist Qi

Elektrische Zahnbürsten folgen nicht dem Qi-Standard. Auch das erste uns bekannte Smartphone, das vor gut zehn Jahren überhaupt mit einer drahtlosen Ladefunktion vorgestellt wurde (der Palm Pre, Bild 2), entsprach noch nicht dem Qi-Standard, funktionierte aber sehr ähnlich.
Bild 2: Noch nicht ganz Qi – Palms Touchstone war das induktive Ladegerät zum Palm Pre
Erst 2012 erschien das allererste Gerät nach Qi-Standard: das Nokia Lumia 920. Und seither werden Qi-taugliche Geräte immer zahlreicher. Von Nokia über Apple, Google, Huawei, Samsung bis hin zu unbekannteren Herstellern gibts kaum mehr einen, der komplett auf Qi verzichtet. Viele moderne Smartphones werden Qi-fähig ausgeliefert, manche lassen sich durch Austauschen der Rückabdeckung nachträglich mit dem drahtlosen Standard ausstatten.
Nächste Seite: Was ist Qi?

Was ist Qi?

Was ist Qi?

Zuständig für Entwicklung und Zertifizierung von Qi ist das Wireless Power Consortium, kurz WPC. Nicht jede heute eingesetzte induktive Ladetechnik entspricht dem Qi-Standard. Das WPC entwickelt und koordiniert derzeit nebst Qi auch zwei weitere kabellose Ladestandards. Vom «Cordless Kitchen Standard» (für Küchengeräte ab 200 Watt) oder vom «Medium Power Standard» für Bohrmaschinen oder Staubsauger (30 bis 65 Watt) soll hier jedoch nicht die Rede sein, sondern ausschliesslich vom Qi-Standard, der derzeit zwischen 5 und 30 Watt für kleinere Geräte und Gadgets liefert. Und wie eigentlich alle kabellosen Lademethoden erfolgt die Stromübertragung auch hier über Induktion, also über ein Magnetfeld.
Laut WPC seien derzeit rund 650 Hersteller an Bord mit inzwischen über 4500 Geräten. Der Qi-Standard soll gemäss Plänen von WPC erweitert werden, sodass sich bald auch Geräte mit mehr Energiebedarf (bis 60 Watt, etwa Notebooks) damit aufladen und betreiben lassen.
Der aktuelle Qi-Standard ist «abwärtskompatibel»; so lassen sich ältere Qi-Geräte auch mit neuen Ladepads aufladen. Qi-Geräte sind zudem flexibel. Legen Sie ein zu ladendes Smartphone auf ein Qi-Ladepad, einigen sich die beiden bei der Kontaktaufnahme auf eine passende zu übertragende Energiemenge. Kann ein Ladepad also im Moment nur 5 Watt liefern, weil es bloss an einem Notebook-USB-Port hängt, wird das darauf liegende Smartphone trotzdem geladen – einfach etwas langsamer. Kann ein Pad 15 Watt liefern, aber das darauf liegende Gerät nur 5 Watt verdauen, werden auch nur 5 Watt geliefert.

So funktioniert Qi

Das Ladegerät mit seiner eingebauten Induktionsspule wird ans Stromnetz angeschlossen, Bild 3. Im Smartphone selbst – meistens in der rückseitigen Abdeckung verbaut – befindet sich ebenfalls eine Spule, die mit dem Akku verbunden ist. Legt man das Smartphone möglichst deckungsgleich aufs Ladepad, baut sich zwischen den Spulen auch ohne direkten Metallkontakt ein magnetisches Feld auf, über das der Akku geladen wird.
Bild 3: Im Smartphone und im Ladepad braucht es mit Qi kompatible Ladespulen
Nächste Seite: Verschiedene Bauformen: Vor- und Nachteile, Hüllen und Tipps für den Kauf

Verschiedene Bauformen: Vor- und Nachteile, Hüllen ...

Verschiedene Bauformen

Bild 4: Auch Ikea hat Qi entdeckt. Der Fuss dieser Bürolampe enthält ein Qi-Ladepad
Ein Qi-Lader kann in allerlei Bauformen stecken: in einer flachen Matte, in einer Art Ladeschale, in einem flachen runden oder viereckigen Pad oder in einer aufstellbaren Halterung wie dem Charger von Samsung. Es gibt auch bereits Radiowecker mit Qi, auf die man das Handy über Nacht legen kann. Theoretisch lässt sich diese Technik in alles Mögliche einbauen, was gross und flach genug ist, Platz für ein Handy oder eine Smartwatch zu bieten. Bei Ikea finden Sie nebst Ladepads im Korkdesign auch die beiden Arbeitsleuchten Riggad und Hektar mit integrierter Qi-Ladevorrichtung im Lampenfuss, Bild 4. Es wird zudem daran gearbeitet, Pads zu entwickeln, auf die man mehrere Geräte legen kann.

Die Vorteile

Mit Qi könnte man sich das friemelige Einstöpseln fürs Aufladen des Smartphones ersparen. Man legt einfach das Smartphone auf die am Strom angeschlossene Ladevorrichtung – und fertig. Ein Ladepad sieht eleganter aus als ein herumbaumelndes Kabel. Schön ist auch, dass Qi bei allen Herstellern Qi ist – zumindest theoretisch. Der Ketzerei zum Trotz können Sie ein Qi-kompatibles Apple iPhone an einem Samsung-Qi-Ladegerät aufladen. Aufgrund des Verzichts auf Öffnungen für Buchsen ist es auch hygienisch, denn eine Qi-Ladefläche lässt sich mit einem feuchten Tuch abwischen und es kommt auch kein Staub ins Gerät. Jene, die sich vor Datenspionage beim Laden an unbekannten USB-Ladestationen fürchten, können Qi dennoch verwenden. Über diesen Weg herrscht kaum Spionageoder Schädlingsgefahr.

Die Nachteile

Zu den Schattenseiten gehört der Wirkungsgrad. Jede induktive Ladetechnik weist einen geringeren Wirkungsgrad auf als eine mit Kabel. Das heisst: Um einen Akku voll aufzuladen, wird mehr Strom verbraucht. Ausserdem dauert das Aufladen über Qi deutlich länger und heizt das Gerät tendenziell auch ein wenig mehr auf, besonders wenn es nicht optimal auf der Ladematte liegt. Insofern eignet sich Qi jedoch gut fürs Laden über Nacht, denn hier spielt es keine grosse Rolle, ob das Laden eine Stunde oder vier dauert.
Ein offensichtlicher Nachteil ist das blockierte Telefon: Während das Gerät auf der Ladematte liegt, können Sie zwar beispielsweise Videos schauen, aber Sie werden damit kaum telefonieren wollen, mal von der Nutzung eines Freisprechmodus abgesehen oder wenn Sie es fürs Gespräch ab der Matte nehmen und danach wieder drauflegen.
Qi funktioniert leider nicht immer so gut. Die Autorin fühlte sich beim Antesten ihres Nokia 8 Sirocco mit verschiedenen Qi-Ladegeräten sehr an die nervigen Macken des Palm Pre bzw. des Touchstones von damals erinnert: Beim Drauflegen eines Smartphones auf ein flach liegendes Qi-Ladepad muss man häufig etwas «zirkeln», bis sich Ladepad und Telefon auch elektrisch «finden». Wenn Sie nach dem Drauflegen zu voreilig davontraben, werden Sie Stunden später oft weiterhin einen leeren Akku vorfinden. Nach ein bis zwei Tagen wird man den Dreh meistens raushaben, wie die Geräte am besten aneinander auszurichten sind. Besser aber, Sie finden ein Qi-Ladegerät, das von Anfang an mit Ihrem Smartphone harmoniert, (siehe dazu die nachfolgenden «Tipps für den Kauf»).

Hüllen

Bild 5: Lederdesign, zusammenklappbar, rutschfest – ein zuverlässiger Qi-Ladeständer von Samsung
Das Qi-Laden mit montierter Handy-Hülle ist grundsätzlich möglich, aber Glückssache. Es ist nicht nur das Material der Hülle, das eine abschirmende Wirkung haben kann, die das Laden verhindert. Es liegt oft auch bloss am Abstand zwischen Gerät und Ladepad, der durch die Hülle zwangsläufig etwas grösser wird. Beim redaktionsinternen Kurzversuch war mit montierter Hülle jeder Versuch auf billigeren flachen Ladepads zwecklos. Anders beim Qi-Ladegerät EP-PG950 von Samsung, Bild 5, in das man jedes Qi-fähige Smartphone stellen kann. Damit funktionierte das Laden auf Anhieb – mit Hülle. Der Akku wurde in einer Stunde ca. 20 Prozent geladen.

Tipps für den Kauf

Nicht jedes Pad funktioniert mit jedem Smartphone gleich gut. Bevor Sie ein Qi-Ladegerät kaufen, prüfen Sie unbedingt, ob Ihr Smartphone überhaupt Qi kann. Besuchen Sie die Webseite wirelesspowerconsortium.com und suchen Sie dort im Reiter namens Product Database nach der genauen Bezeichnung Ihres Geräts. Weil vom gleichen Grundmodell verschiedene Serien im Umlauf sein könnten, konsultieren Sie im Zweifelsfall Ihr Smartphone, zum Beispiel über einen Punkt wie Einstellungen/System/Über das Telefon/Modell und Hardware. Hier finden Sie die genaue Modellnummer, nach der Sie auf der erwähnten Website suchen können.
Wenn Sie bei einem Kollegen ein Qi-Ladegerät entdecken, legen Sie doch Ihr Smartphone probeweise drauf. Vielleicht stellt sich heraus, dass die beiden Geräte gut harmonieren. Notieren Sie die Typenbezeichnung der Qi-Ladestation.
Vielleicht liegen auch im Laden ein paar ausprobierbereite Qi-Exemplare bereit. Legen Sie das Smartphone ein paarmal etwa mittig auf das Qi-Pad und beobachten Sie im Anschluss einige Sekunden lang, ob sich die beiden Geräte gut finden und ob sich das Smartphone anschliessend in einen stabilen Lademodus versetzt. Ist das der Fall, können Sie bedenkenlos zugreifen. Sie haben die passende Qi-Ladestation gefunden.



Kommentare
Avatar
macwintux
19.11.2019
Problemsteller statt Problemlöser Das Laden dauert massiv länger (wenn es denn überhaupt funktioniert), das Gerät wird heisser, das Auflegen muss akkurat geschehen, das Pad ist relativ gross (und das Mitnehmen für unterwegs deshalb oft schlecht möglich) und mit der Hülle am Smartphone funktioniert es in der Regel nicht - und das alles um ein einfaches unkompliziertes Einstöpsel zu vermeiden. Tja, viel zu viele neue Probleme, um ein bereits gelöstes Problem kompliziert anzugehen.

Avatar
freya
20.11.2019
Schadet die Wärme? Dass das Handy recht warm wird beim Qi-Laden wurde erwähnt, leider nicht, ob das auf Dauer schädlich für das Gerät ist (oder auch nicht). Ich bin deswegen sicherheitshalber wieder aufs Kabel umgestiegen. Aber wenn mir jemand bestätigen kann, dass das Qi-Laden den Akku und das Handy auf Dauer nicht schadet, würde ich sofort wieder umsteigen.

Avatar
rrx007
24.11.2019
Schlechter Wirkungsgrad -> No Go Sie schreiben: "Zu den Schattenseiten gehört der Wirkungsgrad. Jede induktive Ladetechnik weist einen geringeren Wirkungsgrad auf als eine mit Kabel." Deshalb ist diese Technik für mich von vorherein ein No Go.