COVID-19 Kontakt-Tracing
25.06.2020, 07:00 Uhr
Die SwissCovid-App erklärt
Wie funktioniert die SwissCovid-App? Was bringt sie? Wo liegen die Grenzen der App? Wie sicher ist sie? Und sollten Sie die App installieren? Die Autorin hat die App schon seit einigen Tagen.
Per heute wird sie offiziell verfügbar, die Schweizer App «SwissCovid» fürs Kontakt-Tracing zum Eindämmen der COVID-19-Pandemie (PCtipp berichtete). Für Android gibt es sie hier und fürs iPhone hier.
Die über das Virus SARS-CoV-2 verbreitete, als COVID-19 bezeichnete Lungenkrankheit hat deutlich mehr Menschen mit schweren Symptomen in die Spitäler getrieben und wesentlich mehr Menschen das Leben gekostet, als dies bei einer Grippewelle der Fall gewesen wäre. Daher mussten auch in der Schweiz unter dem Stichwort «Lockdown» zahlreiche Vorsichtsmassnahmen getroffen werden. Viele dieser Massnahmen haben dazu geführt, dass die Ansteckungszahlen in der Schweiz relativ schnell zurückgegangen sind.
Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat daher inzwischen die meisten COVID-19-bedingten Kontakt-Beschränkungen wieder aufgehoben. Damit möchte man den Menschen wieder ein gesellschaftliches Leben und den Unternehmen die Wiederaufnahme ihrer Geschäftstätigkeit ermöglichen.
Die Pandemie ist noch längst nicht vorbei. Die täglich schweizweit gemeldeten Neuansteckungszahlen bewegten sich im Juni 2020 im einstelligen bis relativ niedrigen zweistelligen Bereich. Niemand will, dass diese Zahlen wieder in die Höhe schnellen, denn ein Lockdown ist wirklich genug. In dieser Phase ist es wichtig, möglichst jeder einzelnen Infektion nachzugehen, weitere Kontaktpersonen der infizierten Person zu warnen und jene – sofern möglich – um eine freiwillige Selbstisolation zu bitten. Der Grund liegt in der relativ langen Inkubationszeit der Viruserkrankung. Zwei bis drei Tage nach der Ansteckung können Infizierte die Krankheit bereits selbst weitergeben, noch bevor überhaupt Symptome auftreten.
Hier sind nun primär die Kantone gefordert, die ein akribisches Kontakt-Tracing betreiben müssen. Damit sollen Infektionsherde frühestmöglich eingedämmt werden. Diesem analogen, manuellen Kontakt-Tracing wird mit der neuen SwissCovid-App ein neuartiges technisches Hilfsmittel an die Seite gestellt.
Was will die App?
Manche Infizierte können zwar noch ungefähr rekapitulieren, mit wem sie sich in den letzten Tagen getroffen haben. Aber auf zwei Wochen zurück wird das schon schwierig. Am einfachsten haben es dabei all jene, die ihre persönlichen Kontakte ohnehin auf ein absolut notwendiges Minimum beschränkt haben. Ein Nachverfolgen und Informieren der Kontakte funktioniert ausserdem nur bei Personen, die man persönlich kennt und zu denen man eine Kontaktmöglichkeit hat. Was aber ist mit allen anderen Personen? Was, wenn im wieder eröffneten Kino eine infizierte Person neben Ihnen sitzt? Was ist mit anderen Passagieren in den Öffentlichen Verkehrsmitteln? Mit Leuten in einer Bar?
Genau hier will die SwissCovid-App des Bundes ansetzen. Und eigentlich können wir in der Schweiz auf dieses Stück Informatik sogar besonders stolz sein. In anderen Ländern war eine App-Variante angedacht und teils schon lanciert worden, die eine zentrale Datensammlung aller Teilnehmenden inklusive Sammeln von Positionsdaten erfordert hätte. Dagegen sind Datenschutzexperten aus gutem Grund Sturm gelaufen. Forscherteams der Eidgenössisch-Technischen Hochschulen in Zürich (ETHZ) und Lausanne (EPFL) haben stattdessen zusammen ein Konzept entwickelt, das ohne das Sammeln von Standortdaten (GPS) und ohne zentrale Sammlung aller Nutzerdaten auskommt.
Das Konzept dieser App ist so überzeugend, dass sogar die Smartphone-Konkurrenten Google und Apple diese App-Idee unbürokratisch unterstützen und die hierfür erforderlichen Anpassungen in den Smartphone-Betriebssystemen implementiert haben. Auch andere Länder haben ihre wenig datenschutzfreundlichen App-Konzepte über Bord geworfen und schwenken nun ebenfalls aufs Schweizer Modell um. Das Zürcher IT-Unternehmen Ubique hat den Auftrag des Bundes gefasst und umgesetzt, diese App auf Basis des gemeinsam entwickelten öffentlich verfügbaren Quellcodes und der Forschungsergebnisse der ETH und EPFL fertig zu bauen. Nach einem mehrwöchigen Beta-Test wird die App heute offiziell lanciert.
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So funktioniert das Tracing
Das Kontakt-Tracing der App erfolgt nicht via WLAN oder GPS, sondern ausschliesslich über Bluetooth Low Energy (BLE). Damit können gar keine absoluten Positionsdaten gemessen werden, sondern nur Abstände zwischen einzelnen Geräten im nahen Umkreis.
Ist die App auf dem Smartphone installiert und aktiviert, zeichnet sie fortlaufend Kontakte zu anderen Geräten auf, die ebenfalls die App nutzen. Als aufgezeichneter «Kontakt» gilt das Fremdgerät jedoch erst, wenn sich jenes innerhalb eines Tages gesamthaft länger als 15 Minuten und näher als zwei Meter bei Ihrem Gerät aufgehalten hat. Hat ein solcher «Kontakt» stattgefunden, wird dies ausschliesslich auf den Geräten selbst mit einem Zeitstempel und einer verschlüsselten Geräte-ID zwischengespeichert. Diese Tracing-Daten werden nach 14 Tagen automatisch gelöscht.
Wenn jemand von einem zugelassenen Labor als SARS-CoV-2-positiv getestet wird, erhält er vom zuständigen Arzt oder von der Ärztin einen nur einmal gültigen persönlichen Covid-Code, den er oder sie in die App eingibt. Zusammen mit diesem Code wird ein anonymer verschlüsselter Eintrag an den Server des Bundes übermittelt. Das sind die einzigen Daten, die von einem Handy an den Server des Bundes hochgeladen werden. Dies passiert also nur im Infektionsfall – und es sind ausschliesslich anonyme Schlüssel des Handys. Da sind keine Personen- oder Positionsdaten enthalten.
Die teilnehmenden Geräte laden regelmässig die anonymen Schlüssel der neu positiv getesteten Personen herunter. Angenommen, Sie bzw. Ihr Smartphone hätte in den letzten zwei Wochen Kontakt mit einer dieser infizierten Personen bzw. mit deren Handy gehabt. In diesem Fall entdeckt Ihr Handy unter den neu hinzugekommenen Infektionen den anonymen Schlüssel des Kontakts. Nun erscheint in Ihrer SwissCovid-App die Mitteilung, dass Sie an einem bestimmten Tag Kontakt mit einer infizierten Person hatten.
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Antworten auf die wichtigsten Fragen
Einige Antworten auf Fragen, die sich wohl die meisten Nutzerinnen und Nutzer stellen dürften.
Ist die App absolut sicher?
Nein, denn es gibt auf der Welt wohl kein Stück Software, das für sich beanspruchen kann, 100% sicher zu sein. Laut einem Artikel von Inside-IT gibt es auch bei der SwissCovid-App zumindest theoretische Angriffsszenarien. Eine besteht darin, über zwischengeschaltete Geräte einen Kontakt zwischen zwei Smartphones zu simulieren, die in Wahrheit kilometerweit von einander entfernt sind. Zudem könnten theoretisch einzelne Teilnehmer deanonymisiert werden, sofern diese positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden sind. Eine Ausnutzung dieser Lücken wäre jedoch enorm aufwändig, beträfe nur einzelne Daten und könnte nicht zu einer flächendeckenden Verfälschung oder Deanonymisierung führen.
Die App kann nicht zaubern
Die App kann nur eines: Ihnen Bescheid geben, wenn sich Ihr Handy während mindestens 15 Minuten in der Nähe des Geräts einer später als infiziert gemeldeten Person befunden hat. Die App kann Ihnen jedoch nicht mitteilen, ob Sie sich bei jener Gelegenheit tatsächlich mit dem Coronavirus angesteckt haben.
Die App kann auch nichts «sehen». So weiss die App nicht, ob sich zwischen Ihnen und der infizierten Person während dieser Zeit eine Plexiglasscheibe befunden hat. Oder ob vielleicht Sie und die andere Person Masken getragen haben. Vielleicht haben Sie und die infizierte Person auch bloss an derselben Mehrfachsteckdose gleichzeitig Ihre Handys aufgeladen – und ein persönlicher Kontakt hat vielleicht gar nicht stattgefunden. Sie misst immer nur den Abstand zwischen den Geräten.
Ausserdem ergeben sich bei den Messungen Unterschiede, je nachdem, ob Sie das Smartphone in der Jackentasche oder Handtasche haben oder ob es in Ihrer Hand oder auf dem Tisch liegt. Durch ein dickes Handtaschenfutter hindurch glaubt das Gerät einen grösseren Abstand zu messen. Hier könnte die App also einen tatsächlich stattgefundenen Kontakt verpassen.
Und was ist mit der Akkunutzung? Jede App, die dauernd irgend etwas macht, benötigt natürlich Strom. Die Autorin hat die Beta-Version der App schon seit ein paar Wochen installiert und nur einen geringfügig höheren Stromverbrauch festgestellt. Es war in dieser Zeit wie auch sonst immer: Das Gerät kam bestens durch den Tag und durfte am Abend mal für ein Stündchen ans Ladekabel.
Warum sollten Sie die App installieren?
Die obigen Einschränkungen im Hinterkopf, empfiehlt die Autorin dennoch die Installation der App, sofern Sie ein kompatibles Android- oder Apple-Smartphone besitzen (das dürften die meisten aktuellen Smartphones sein). Die App ist eine flankierende Massnahme, die dabei helfen kann, viel Leid zu verhindern. Dabei geht sie mit den Daten der Nutzerinnen und Nutzer so schonend um wie nach heutigem Stand überhaupt möglich.
Jetzt, da die meisten Betriebe wieder öffnen, viele Beschränkungen gefallen sind, viele Leute wieder reisen, an Festivitäten teilnehmen oder im ÖV fahren, ist ein unkompliziertes Nachverfolgen der Kontakte erforderlich.
Die App ist eine absolute Premiere und daher auch aus technischer und wissenschaftlicher Sicht hochinteressant. Wenn sie den erhofften Erfolg bringt, hat man bei späteren Pandemien schon recht früh ein gutes Hilfsmittel zur Hand, um diese einzudämmen. Insofern ist sie auch weit mehr als nur ein Experiment.
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So geht die Installation
Beachten Sie, dass unsere Screenshots aus der Beta-Version unter Android stammen. In der finalen Version und auf einem iPhone könnten sich die Bilder und Texte leicht unterscheiden.
Installieren Sie die App auf Ihrem Smartphone via Google Play Store oder über den Apple Store. Allzu viel einzustellen gibt es nicht. Das meiste ist selbsterklärend. Tippen Sie bei der Inbetriebnahme der App jeweils auf Weiter. Was Sie jedoch auch auf Ihrem Gerät bei der Inbetriebnahme antreffen dürften, ist ein Punkt wie «Akku-Optimierung ignorieren».
Akku-Optimierung? Damit verhält es sich wie folgt: Smartphone-Hersteller möchten, dass die Nutzer nicht allzu häufig gezwungen sind, den Akku aufzuladen. Darum haben Google & Co. Akku-Optimierungswerkzeuge in Android eingebaut; ähnliches gibt es wohl auch auf iPhones. Die sorgen dafür, dass Apps möglichst keinen Strom brauchen, solange sie nicht wirklich benutzt werden. Das ist vielleicht bei einer Notiz-App oder einem Spiel in Ordnung. Aber bei einer App, deren Job es ist, nach anderen Geräten zu suchen oder auf Benachrichtigungen zu warten, wäre das nicht erwünscht. Die soll daher im Hintergrund weiterlaufen. Tippen Sie daher auf Zulassen, wenn der Punkt Akku-Optimierung ignorieren erscheint. Auch bei «Soll die App immer im Hintergrund ausgeführt werden?» entscheiden Sie sich für Zulassen.
Die App funktioniert via Bluetooth. Wischen Sie von oben herunter und prüfen Sie, ob Bluetooth aktiv ist. Das sehen Sie am blauen Bluetooth-Icon, hier im Screenshot ist es das rechte runde Icon mit dem B-ähnlichen Symbol. Ist das Icon grau, ist Bluetooth deaktiviert. Schalten Sie es ein, indem Sie aufs Icon tippen.
Jetzt doch GPS? Lassen Sie sich vom folgenden Umstand nicht irritieren. Unter Android muss für diese App auch die GPS-Funktion aktiv sein, die normalerweise dem Ermitteln von Positionsdaten dient. Das heisst aber nicht, dass hier tatsächlich Standortdaten gesammelt werden. Die Nutzung von Bluetooth LE erfordert seit Android 6.0 generell eine Aktivierung der Standort-Funktion (über diesen Umstand schreibt z.B. hier auch Fitbit.). Wirklich benutzt wird durch die App aber weiterhin ausschliesslich Bluetooth LE. Da die App Open-Source ist, können sich interessierte Fachkreise den Quellcode anschauen.
Nun dürfte in der App auch die Frage nach der eigentlichen Tracing-Funktion erscheinen. Die muss natürlich in Gang gesetzt werden. Jetzt ist die App installiert. Auf dem Startschirm sehen Sie, ob das Tracing aktiviert ist und ob eine Meldung eingegangen ist.
Was tun im Fall einer Meldung der App? Keine Panik. Die Mitteilung enthält die Info, an welchem Datum dieser Kontakt festgestellt wurde. Es bedeutet: Ihr Handy hatte am genannten Tag über 15 Minuten lang weniger als 1,5 Meter Abstand zum Handy einer infizierten Person. Werfen Sie einen Blick in Ihren Kalender und allenfalls in Ihre Google-Maps-Timeline. So finden Sie vielleicht heraus, wo Sie an diesem Tag mit wem gewesen sein könnten. War es vielleicht eine längere Bahnfahrt? Vielleicht sassen Sie alleine im Abteil und trugen eine Maske. Vielleicht sassen Sie Rücken an Rücken mit der Person und zwischen Ihnen befand sich die übliche hohe und breite Bahnsitzlehne. Oder vielleicht waren Sie auswärts Essen – und zwischen Ihnen und der infizierten Person befand sich eine Plexiglasscheibe. Vielleicht wars auch im Büro – und es lag bloss Ihr Handy eine Zeit lang neben dem Gerät der infizierten Person – und Sie selber sind einander gar nicht so nahe gekommen, dass eine Ansteckungsgefahr vorlag.
Versuchen Sie abzuschätzen, ob wirklich eine Ansteckung erfolgt sein könnte. Versuchen Sie in den nächsten zwei bis drei Wochen möglichst persönliche Kontakte mit anderen Menschen zu vermeiden. Konsultieren Sie hierzu die Themen-Webseite des Bundesamtes für Gesundheit. Melden Sie sich bei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt, falls Sie bei sich Symptome feststellen.
Tipps zum Schluss
Viele legen das Smartphone jeweils nachts auf den Nachttisch, um sich am Morgen von ihm wecken zu lassen. Hierfür empfiehlt es sich schon aus Stromspargründen, das Gerät in den Flugzeugmodus zu versetzen, falls man auch keine Anrufe oder sonstige Benachrichtigungen will. Das können Sie durchaus weiterhin tun. Ein Kontakt-Tracing ist während der nächtlichen Ruhephase nicht nötig. Allfällige Benachrichtigungen werden Sie erhalten, sobald Sie am Morgen den Flugzeugmodus wieder abschalten. Und ab dann geht auch das Tracing wieder weiter.
Falls Sie nachts oder mitten am Tag bloss das Tracing vorübergehend deaktivieren wollen, geht das auch. Tippen Sie in der App auf Tracing aktiv und kippen Sie den Schalter.
Und nicht vergessen: Weiterhin gelten die allgemeinen Hygiene- und Distanz-Empfehlungen. Wer vom Arbeitgeber die Erlaubnis hat, Homeoffice zu machen, sollte dies so oft wie möglich tun, schon um den öffentlichen Verkehr zu entlasten. Waschen Sie sich oft die Hände, fassen Sie sich nicht ins Gesicht. Halten Sie zwischen sich und Personen ausserhalb Ihres Haushalts möglichst einen Mindestabstand von 1,5 Metern ein. Husten oder niesen Sie in ein Taschentuch oder in die Ellbogenbeuge. Verzichten Sie allenfalls freiwillig auf eine Teilnahme an Veranstaltungen mit vielen Personen. Müssen Sie sich an Orten aufhalten, an denen Sie die Distanzempfehlung nicht einhalten können (im Supermarkt oder ÖV), kann eine Schutzmaske eine Ansteckung verhindern helfen.
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