Aufregung in Schweden 07.06.2023, 09:25 Uhr

Online-Händler sperrt 42'000 Kunden, weil sie zu viel retournieren

Der Rücksende-Wahn für Produkte, die bei Online-Händlern erworben wurden, verbreitet sich immer weiter. Was für Kunden (noch) kostenlos ist, verursacht bei den Händlern selbst massive Probleme. Nun greift die Firma Boozt zu harten Mitteln.
Symbolbild
(Quelle: Pixabay)
Ein bekannter Online-Händler steht aktuell im Fokus. Die Wut der Betroffenen ist gross. Aber ist sie auch berechtigt? Der Modehändler Boozt mit Sitz im schwedischen Malmö hat mehr als 42'000 Kundenkonten gesperrt. Als Begründung wird angegeben, dass dieser Teil der Kunden zu viele der bestellten Waren zurückgeschickt habe. Dies koste Boozt Geld und habe auch negative Auswirkungen auf die Umwelt.
Ask Kirkeskov Riis, ein Sprecher von Boozt, erklärt: «Viele Kunden nutzen wiederholt das hohe Service-Niveau des kostenlosen Versands und der Rücksendungen auf Kosten unseres Geschäfts, anderer Kunden und der Umwelt aus.»

Rücksendewahn

Wir alle kennen den Rücksendewahn auch aus Deutschland. Der Online-Händler Zalando kann ein Lied davon singen. In Deutschland wurden laut einer Studie der Uni Bamberg 2021 1,3 Milliarden Artikel retourniert. Umgerechnet 41 Pakete pro Sekunde! Im Schnitt haben die Händler bei einer Rücksendung Transport- und Bearbeitungskosten von 6,95 Euro je Sendung auf der Uhr.
Insgesamt sollen bei Boozt weniger als zwei Prozent der Kunden betroffen sein, berichtet BusinessInsider. Die Betreiber des Shops geben ausserdem an, im letzten Jahr 791 Tonnen CO₂ eingespart zu haben. Diese Menge sei durch die zusätzlichen Retouren angefallen und entspreche fast 600 vollgeladenen Lkw. Boozt gibt an, dass die Sperrungen 25 Prozent an Rücksendungen einsparen.
Mehrere andere Unternehmen sperren keine Konten. Sie gehen wieder dazu über, dass Retouren Geld kosten. Denn das ist die Crux: Da die meisten Online-Händler bisher keine Retouren-Gebühren erheben, ist es den Konsumentinnen und Konsumenten wurscht. Sie bestellen häufig gleich mehrere Artikel der gleichen Art, suchen sich die ihrer Meinung nach beste Ware aus und retournieren den Rest. So wurden 2021 in Deutschland etwa 795'000 Tonnen CO₂ produziert. Die Menge ist vergleichbar mit den Emissionen von 6,6 Millionen Pkw auf der Strecke von Hamburg nach München.
Der Artikel erschien zuerst bei unserem Schwesterportal W&V.
Text: Michael Gronau




Kommentare
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speedy2008
08.06.2023
Wurde auch Zeit, dass dem Online-Möchtegernkäufer ein Riegel vorgeschoben wird! Ich dachte, der Artikel beziehe sich auf einen bestimmten Händler. Aber wenn die Praxis so peu à peu anhält, ist es ok. Ich bin ein gutes Beispiel: bestelle hin und wieder bei Zalando & Co. Kleider, die leider (Material oder Grösse) nicht passen, vor allem Sale. Resultat: ca. 90% Retouren. Während bei Zalando z.B. der Bestellrhythmus (z.B. letzte Bestellung vor mehr als 12 Monaten) hin und wieder für Probleme sorgen, ziehen andere Händler ratzekal einen Schlussstrich: die Retourenzahl bestimmt also, ob die Bestellung akzeptiert wird bzw. man gesperrt wird wie der schwedische Händler im Artikel. Zwar blöd für gelegentliche Kunden wie mich, aber nachvollziehbar für solche, die einfach drauflos bestellen, die Kleider für den Ausgang brauchen und dann wieder retournieren. Ich warte nur darauf, dass das Zalando auch einführt, wie der andere deutsche, mich gesperrte Onlinehändler. Das Problem ist aber nach wie vor, dass die Grössen einmal europäisch (deutsch), einmal amerikanisch oder international angezeigt werden. Wenn dann selbst das telefonische Personal (Callcenter) nicht beraten kann (nur da für Bestellungen!), dann liegt es nahe, dass die Ware retourniert wird. Wie soll ich auch wissen, wenn eine Markenhose einmal mit Grösse 42 angezeigt wird und einmal mit 28/30, worauf ich dann achten muss? Zalando hat gemäss kürzlichen Artikeln eine Art Online-Spiegel für die Kleidung eingeführt. Dem ging ich nach und stellte fest, dass das zwar eine gute Sache ist, aber eben nur eine einzige Marke (Puma-Sport) betraf, wo man online seine Masse eingeben konnte und via Online-Modell sah, wo z.B. der Artikel ideal ist oder enger ausfällt (Software von einer Zürcher Firma konzipiert). Ein bescheidener Anfang zwar, aber wenn sich das durchsetzt oder die Software verbessert wird, könnten damit seriöse Onlinebesteller (wie ich) um Retouren herumkommen.

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Klaus Zellweger
08.06.2023
Das Problem ist aber nach wie vor, dass die Grössen einmal europäisch (deutsch), einmal amerikanisch oder international angezeigt werden. Wenn dann selbst das telefonische Personal (Callcenter) nicht beraten kann (nur da für Bestellungen!), dann liegt es nahe, dass die Ware retourniert wird. Wie soll ich auch wissen, wenn eine Markenhose einmal mit Grösse 42 angezeigt wird und einmal mit 28/30, worauf ich dann achten muss? Das stimmt. Zalando macht das allerdings sehr geschickt. Das System sagt einem einerseits, ob der Artikel eher eng oder weit geschnitten ist – bis hin zur Empfehlung, eine Nummer grösser zu bestellen. Ausserdem wird man gelegentlich gefragt, ob ein bereits gekaufter Artikel gepasst hat – und das fliesst dann in die Empfehlungen zu anderen Kleidungsstücken mit ein. Wir haben als vierköpfige Familie zu Beginn alle unter demselben Zalando-Account bestellt, was im Nachhinein betrachtet keine so gute Idee war. Jeder sollte sein eigenes Kundenkonto haben, in das die “Erfahrungen” des Systems einfliessen können.