NSA-Affäre: «Die Schweiz ist auf vielen Ebenen betroffen»

Der Schweizer Geheimdienst

In Ihrem Bericht kritisieren Sie auch den Schweizer Geheimdienst. Braucht die Schweiz den NDB überhaupt?
In der jetzigen Form ist er in den Aufgaben zu vermischt. Inland- und Auslandgeheimdienst wurden vor einigen Jahren zu einer Organisation zusammengeführt. Zusätzlich wird im NDB Spionage und Espionage betrieben und gleichzeitig mit ausländischen Geheimdiensten zusammengearbeitet, also laufen gegensätzliche Interessen am gleichen Ort zusammen. Das muss entflechtet werden. Ich gehe noch weiter und sage, die Aufgaben des zivilen Nachrichtendienstes soll durch die Bundesanwaltschaft wahrgenommen werden.
Aktuell wird im Parlament das BÜPF behandelt, bald auch das neue Nachrichtendienstgesetz. Die Politik scheint Ihre Meinung von klaren Gesetzesgrundlagen zu teilen.
Das Problem scheint, dass im National- und Ständerat grösstenteils das Verständnis für diese – meist sehr technischen – Fragen fehlt. Die Politiker haben sehr viele Geschäfte auf dem Tisch und können sich in derart komplexe Thematiken kaum genügend einarbeiten.
Gerade Politiker könnten sich doch profilieren, wenn sie dieses Thema zum Wahlkampfprogramm machen. Eben weil es fast niemand tut.
Dass dies in der Tat nur wenige tun, hat aber einen weiteren Grund. Wenn man über die Datenhoheit spricht, muss man sich immer auch der Diskussion Freiheit gegen Sicherheit stellen. Und es ist schwer, Freiheit zu verkaufen beziehungsweise die Errungenschaften unserer westlichen Demokratie aufzuzeigen.
Wäre es nicht Ihre Aufgabe, den Parlamentariern beratend zur Seite zu stehen?
Das sehen wir schon auch als unsere Aufgabe an. Als rein ehrenamtliche Organisation sind wir personell jedoch nur beschränkt dazu in der Lage.
Und was ist mit den Unternehmen? Die müssten auch ein Interesse daran haben, dass sich der Staat die Daten ihrer Kunden nicht genauer anschaut.
Es gibt durchaus Unternehmen und Verbände, die Interesse haben und sich beteiligen. Gerade die grossen Provider möchten sich an der politischen Debatte jedoch nur bedingt öffentlich beteiligen. Hier geht es oft auch darum, dass sie selbst durch Überwachungsmassnahmen keine finanziellen Schäden davontragen.
Unternehmen und Politiker könnten durch den Druck der Öffentlichkeit überzeugt werden. Darum wiederhole ich eine Frage vom Beginn: Bisher gelang die gesellschaftliche Debatte trotz aller Berichte nicht. Warum sollte er Ihnen gelingen?
Das schaffen wir sicher nicht alleine. Unser Bericht war auch für uns eine Aufarbeitung. Aber wir sehen auf nationalstaatlicher Ebene Bemühungen, die Sicherheit zu verstärken. UNO und Europarat schauen sich dazu die Grundrechte an und diskutieren, welche Art von Überwachung nötig und welche unverhältnismässig ist. Beispielsweise: Ist es zulässig, bei der Überwachung zwischen inländischer und ausländischer Kommunikationzu unterscheiden.
Wie lange wird es dauern, bis sich auch die Stammtische mit solchen Fragen beschäftigen und der gesellschaftliche Diskurs stattfindet?
Vielleicht 5, vielleicht 10 Jahre? Sicher nicht von heute auf morgen.

Fabian Vogt
Autor(in) Fabian Vogt



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