Tests 25.03.2013, 09:10 Uhr

Test: Fujifilm X100S

Die Fujifilm X100S setzt mit ihren Qualitäten eine neue Marke; und hat das Zeug zum Kultobjekt.
Die Philosophie der X-Serie lässt sich auf wenige Worte reduzieren: High-Tech, verpackt in attraktives Retro-Design. 2011 nahm diese Modellreihe mit der Fujifilm X100 ihren Anfang, gefolgt von der kleinen X20 und den grossen Brüdern, der X-Pro1 und der X-E1. Nun hat der Archetyp der Serie sein erstes Upgrade erfahren.
Äusserlich ist die X100S vom Vorgängermodell kaum zu unterscheiden. Das Design wirkt wie aus den späten 60-er Jahren. Das Magnesium-Gehäuse ist hochwertig verarbeitet und fühlt sich grundsolide an. Verschlusszeit, Blende und Belichtungskorrektur werden mechanisch verstellt – ein Geschenk des Himmels für alle, die winzige Tasten und Einstellungen am Display gründlich satt haben.
Unwiderstehlich: Mechanische Bedienelemente
Die Automatiken folgen einem einfachen Muster. Sowohl der Blendenring als auch das Verschlusszeitenrad sind mit der Stellung «A» ausgerüstet. Wenn beide «A»s aktiviert sind, gilt die Programmautomatik, ansonsten entweder Zeit- oder Blendenvorwahl. Wenn beide Automatiken ausgehebelt werden, erfolgt die Belichtung manuell. Alles ganz einfach.
X-Trans-Sensor der zweiten Generation
Den mechanischen Bedienelementen zum Trotz lauert im Inneren modernste Technik. Der Sensor im APS-C-Format löst mit 16 Megapixeln auf. Allerdings handelt es sich bei der Farbfilter-Anordnung nicht um das klassische Bayer-Muster, sondern um Fujifilms X-Trans-Sensor der zweiten Generation:
Links das klassische Bayer-Muster, rechts der X-Trans-Sensor der X100S
Dieser wartet mit einer gänzlich anderen Farbfilter-Anordnung auf, eingeteilt in 6x6 Pixel grosse Einheiten. Dadurch sind in jeder Reihe des Sensors sämtliche RGB-Farbinformationen enthalten, was zu einer deutlich verbesserten Farbwiedergabe führt.
Diese Anordnung simuliert ausserdem das zufällig angeordnete Korn analoger Filme. Damit lässt sich die Bildung von Moirés verhindern, die zum Beispiel bei geometrischen Mustern auf Kleidungsstücken auftreten können. Als direkte Folge verzichteten die Ingenieure bei Fujifilm auf einen vorgeschalteten Tiefpassfilter, der durch eine leichte Unschärfe solche Interferenzen reduziert; als direkte Folge sind schärfere Bilder möglich.
Die Optik
Die X100S ist mit einem fest verbauten 35-mm-Objekt bestückt (bezogen auf KB). Die maximale Lichtstärke liegt bei f/2.0. Der mechanische Blendenring rastet in Drittelstufen ein. Gleich dahinter befindet sich der Ring für die manuelle Fokussierung. (Dazu später mehr.) Die Bewegung der Linsen ist keine direkte Folge der Drehbewegung am Fokussiering; stattdessen wird sie durch die Elektronik gesteuert. Allerdings ist dieser kleine Trick gefühlsmässig kaum von einem mechanischen Schneckengang zu unterscheiden.
Der mechanische Blendenring und der Fokussierring
Das Objektiv kassiert denn auch die ersten Kritikpunkte. Im Lieferumfang ist keine Sonnenblende enthalten – bei einer Kamera in dieser Preisklasse eine schwere Unterlassungssünde. Ausserdem fehlt am Objektiv ein Filtergewinde. Wer beides will, muss tief in die Tasche greifen: Die Sonnenblende LH-X100 kostet rund 70 Franken. Mit dabei ist der Adapter, dessen Filtergewinde einen Durchmesser von 49 mm aufweist.
Der Sucher
Genau wie bei der alten X100 arbeitet das neue Modell mit einem hybriden Sucher. Dieser funktioniert je nach Anforderung analog oder komplett digital.
Digitale Informationen werden in den analogen Sucher eingespiegelt
Der digitale Sucher zeigt das Bild exakt so, wie es der Sensor aufzeichnen wird – inklusive Belichtung, Tiefenschärfe, Effekte und mehr. Durch das Betätigen des Hebels auf der Vorderseite schaltet die Kamera vom digitalen zum optischen Sucher um. Jetzt blickt der Fotograf einfach durch eine Stück Glas. Alte Schule vom Feinsten.
Der leicht zugängliche Sucherhebel schaltet zwischen den Darstellungen um
Allerdings ist die Geschichte damit nicht zu Ende. Informationen zur Blende, Verschlusszeit und mehr werden beim optischen Sucher in das Sichtfeld gespiegelt. So geniesst man die Vorzuge aus beiden Welten.
Sucheranzeigen (Bild: Fujifilm)
Die Anzeige lässt sich bis ins Detail konfigurieren, sodass der Fotograf genau jene Informationen zu sehen bekommt, die er als wichtig erachtet. Die Einstellungen für das Display werden wiederum separat vorgenommen, so dass jeder noch so individuelle Wunsch erfüllt wird.
Links vom Sucher befindet sich ein Drehrad, mit dem sich Sehschwächen zwischen ?2 und +1 Dioptrien korrigieren lassen. Leider weist dieses Rädchen überhaupt keine Markierungen auf und zeigt noch nicht einmal die Null-Stellung. Man muss sich also im wahrsten Sinn des Wortes an die optimale Korrektur herantasten. Rechts vom Sucher befinden sich die Annährungssensoren; sie schalten automatisch vom Display zum Sucher um, wenn die Kamera vors Gesicht gehalten wird.
Das Okular mit Dioptrienkorrektur und Sensoren
Der Blitz
Besonderes Augenmerk verdient der integrierte Blitz, der den Blitzschuh ergänzt. Die winzige Funzel befindet sich direkt über dem Objektiv. Mit ihren Abmessungen eignet sie sich nicht für die Ausleuchtung einer Szene, wohl aber zum Aufhellen von Schatten im grellen Sonnenlicht.
Der eingebaute Blitz ist auch deshalb eine hochwillkommene Ergänzung, weil er als Commander für eine Blitzanlage verwendet werden kann! Das Abfeuern des Blitzes löst also die Studioblitz-Anlage aus, ohne dass er selbst in die Belichtung pfuscht.
Die wichtigsten Bedienelemente
Die Bedienung hat gegenüber dem Vorgänger-Modell eine deutliche Verbesserung erfahren. Das Q-Menü der X-Pro1 und X-E1 hält nun auch bei der X100S Einzug. Es zeigt neben dem konventionellen Menü in Listenform die 16 wichtigsten Funktionen auf einem Raster. Aufgerufen wird es über eine eigene Taste, bedient wird es mit dem Wippschalter.
Das Q-Menü erlaubt den schnellen Zugriff auf die wichtigsten Einstellungen
Bereits nach kurzer Zeit geht die Bedienung erstaunlich schnell von der Hand, weil man sich ganz einfach die Position einer Einstellung merkt. Filmsimulationen? Immer ganz rechts bleiben, dann die zweite Reihe von oben. Kein Vergleich zu ellenlangen Menüs, die man bei jeder Änderung durchblättern muss.
Der am häufigsten verwendete Befehl wird ausserdem auf die Fn-Taste gelegt und steht ab sofort auf Knopfdruck bereit. Die Zuteilung dieser Taste lässt sich schnell ändern, indem sie einfach ein wenig länger gedrückt und anschliessend neu belegt wird.
Nächste Seite: die Seele der Fotografie

die Seele der Fotografie

Die Bedienung
Über die Bedienung der X100S könnte man stundenlang schwärmen – oder sie einfach auf den Punkt bringen: Diese Kamera ist die perfekte Ausrüstung für die Strasse, für die Familie und auf Reisen. Ihre bescheidenen Abmessungen sorgen dafür, dass für sie immer Platz da ist, auch wenn sie nicht in die Hosentasche passt. Dazu kommen einige Merkmale, die nicht unerwähnt bleiben sollen.
Auch der Objektivdeckel fügt sich nahtlos ins Erscheinungsbild ein
Zentralverschluss. Zu den herausragenden Eigenschaften der X100S gehört der Zentralverschluss. Im Gegensatz zum Schlitzverschluss gibt während jeder noch so kurzen Belichtung immer einen Moment, an dem der ganze Verschluss offen ist. Deshalb kann bei jeder Verschlusszeit geblitzt werden, sogar bei einer 1/4000 Sekunde. Damit lässt sich das Motiv selbst dann noch mit einem Blitz aufhellen, wenn es im hellen Sonnenlicht bei offener Blende abgelichtet werden soll.
Geräuschpegel. Dank diesem Zentralverschluss arbeitet die X100S unglaublich leise. Selbst in einer absolut stillen Umgebung hört nur der Fotograf das zarte Klicken, das vom Zentralverschluss verursacht wird. Oder anders gesagt: Es gibt wohl keinen Ort auf der Welt, an dem das Geräusch der Kamera unangenehm auffallen könnte. Wer’s mag, kann zwischen drei simulierten Auslösegeräuschen wählen. Sobald Diskretion gefragt ist, wird die Kamera stumm geschaltet und der Blitz deaktiviert, indem die «Disp»-Taste etwas länger gedrückt wird.
Eine Kabelfernauslöser wie anno dazumal
ND-Filter. Falls zu viel Licht die Arbeit einschränkt, wird der eingebaute ND-Filter zugeschaltet. Er verschluckt drei Belichtungsstufen, sodass entweder längere Verschlusszeiten oder eine grössere Blendenöffnung erreicht werden.
Anzeigedauer nach der Aufnahme. Die kürzeste Anzeige des letzten geschossenen Bildes kann auf 0,5 Sekunden reduziert werden. Das ist lange genug, um im Sucher einen kurzen Blick auf die Aufnahme zu werfen – aber kurz genug, um nicht zu stören.
Burst-Mode. Die Kamera zeichnet entweder Einzelbilder oder Serienbilder mit 3 respektive 6 Bildern pro Sekunde auf. In der Bildeinstellung «RAW+JPEG» schaufelte die X100S 8 Bilder in sich hinein, bevor die Kamera weitere Auslösungen verweigerte und den Puffer auf die Karte schreiben musste. Bei JPEG-Aufnahmen wurden beachtliche 77 Bilder abgelichtet, bevor die Kamera ins Stottern geriet. Zum Einsatz kam eine schnelle SanDisk-Karte mit einer Übertragung von 30 MB/Sek.
Panorama-Funktion. Panoramas werden erstellt, indem die Kamera einfach über die Szene geschwenkt wird.
Belichtungsreihe. Die automatische Belichtungsreihe spielt leider Ihr Potenzial nicht aus. Sie schiesst drei Bilder mit einer maximalen Abweichung von plus minus einer Blende – definitiv zu wenig, wenn man der HDR-Fotografie frönt.
Filmsimulationen
Zu den Alleinstellungsmerkmalen der X-Serie gehören die Filmsimulationen. Sie orientieren sich an der Farbgebung der analogen Fuji-Filme. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Retro-Effekte im Instagram-Stil, sondern um leichte Verschiebungen in der Farbgebung.
Die X100S bietet in den Standard-Einstellungen weiche, zarte und fast schon ein wenig langweilig-neutrale Bilder, die auf der Farbgebung des Fuji-Films «Provia» basieren. Allerdings lassen sich die Werte für den Kontrast, die Sättigung und mehr anpassen, so dass man seinen eigenen Stil erarbeiten kann.
Zusätzlich kann die X100S neun weitere Filmsorten simulieren. Diese umfassen Fuji-Filme wie zum Beispiel den bunteren «Velvia» oder den weichen «Astia». Natürlich fehlt auch eine Schwarzweiss-Umsetzung nicht, die wahlweise durch einen simulierten Gelb-, Rot- oder Grünfilter ergänzt wird. Diese Filmsimulationen gehören denn auch zu den gewichtigsten Kaufargumenten.
Dasselbe Bild, in der Kamera 3x entwickelt
Das Schöne an den Filmsimulationen ist, dass man sich an das Thema herantasten kann. Wer seinen eigenen Stil für die JPEG-Aufnahmen sucht, fotografiert einfach im RAW-Format. Das Bild lässt sich anschliessend in der Kamera unterschiedlich «entwickeln», indem die Filmsimulationen und alle anderen Einstellungen nachträglich angewendet werden. Die fertigen Bilder speichert die X100S als JPEGs, so dass sie sich später am Rechner vergleichen lassen.
Autofokus …
Der Autofokus wurde dramatisch verbessert. Der Hybride arbeitet mit einer Mischung aus Kontrast- und Phasenerkennung. Selbst in dunklen Räumen findet er die Schärfe schnell und vor allem hochpräzise – vorausgesetzt, die angepeilte Stelle zeigt wenigstens einen minimalen Kontrast. Der Autofokus funktioniert meistens auch dann zuverlässig, wenn in schummerigen Umgebungen das Hilfslicht deaktiviert wird. Am besten schaltet man diese lästige Lampe also aus und sieht zu, wieweit das verfügbare Licht reicht.
… und manuelle Fokussierung
Und dann werden auch jene Fotografen bedient, die gerne manuell fokussieren. Wird die manuelle Fokussierung angewählt, kann immer noch automatisch fokussiert werden, indem auf der Rückseite die AF-L-Taste gedrückt wird. Die Feinarbeit erledigt anschliessend der Fokusring auf der Vorderseite.
Fokuskontrolle. Für die manuelle Fokussierung wird automatisch der digitale Sucher eingeschaltet. Ein Druck auf die Wippe an der Rückseite der Kamera vergrössert den Ausschnitt auf dem Display, damit die Schärfeebene besser ermittelt werden kann. Wer diese Vergrösserung in jedem Fall will, aktiviert in den Einstellungen die «Fokuskontrolle»; anschliessend vergrössert sich der Ausschnitt automatisch, sobald der Fokusring gedreht wird.
Schnittbild. Das Schnittbild war in den analogen Tagen das Mittel der Wahl, um die Schärfe zu kontrollieren. Dazu wurde eine scharfe Kante anvisiert, die bei Unschärfe leicht verschoben wirkte. Ziel war es, die Kante durch die Fokussierung wieder zur Deckung zu bringen. Genau dasselbe Verfahren kommt jetzt in der X100S zur Anwendung – allerdings nicht durch einen kleinen Kreis in der Mitte, sondern durch eine ziemlich grosse Fläche:
Schnittbild
Fokus-Peaking. Der letzte Schrei bei der manuellen Fokussierung. Alle Welt nennt diese Einrichtung «Fokus Peaking», Fujifilm spricht vom «Maximalen Glanzlicht-Fokus». Das erinnert ein wenig an den Sprachgebrauch in der alten DDR, doch das tut der Nützlichkeit keinen Abbruch. Beim Fokus-Peaking wird im Sucher jener Bereich weiss markiert, auf dem die Schärfe liegt. Bei einer Drehung am Fokusring wandert die Schärfe in Echtzeit über das Bild. Allerdings hätten wir uns eine andere Farbe gewünscht, als ausgerechnet ein unauffälliges Weiss. Aber das sind Dinge, die mit einem Firmware-Update behoben werden könnten.
Zwischen den Fokussierhilfen kann übrigens ganz einfach gewechselt werden, indem der Wippschalter auf der Rückseite gedrückt und nach links oder rechts gekippt wird.
Nächste Seite: Bildqualität

Bildqualität

Bildqualität
Und wie steht es mit der Bildqualität? Der Farbtreue? Und der Schärfe? Die ist eigentlich nur schwer in Worte zu fassen. Diese Kamera dürfte etwas vom Besten sein, das man sich in der APS-C-Klasse überhaupt für Geld kaufen kann. Hier eine Gesamtansicht:
Und hier der 100%-Crop:
Bereits bei offener Blende zeigt das Objektiv eine hervorragende Schärfe bis in die Ecken. Der Autofokus führt zu knackigen Bildern, die ohne jedes Nachschärfen vom Fleck weg begeistern. Feinste Härchen, Wimpern und Strukturen werden bereits in den JPEG-Fotos so scharf und brillant abgebildet, dass einem die Lust auf RAW-Bilder fast gänzlich genommen wird.
Jede Pflanzenfaser ist zu sehen
Low-Light-Qualitäten
Wenn das Licht weniger wird, läuft die X100S zur Höchstform auf. Bis 6400 ISO kann wahlweise in RAW oder JPEG fotografiert werden. Bei 12’800 und 25’600 ISO lassen sich die Fotos hingegen nur im JPEG-Format speichern. Die Resultate überzeugen dabei auf der ganzen Linie. Bei 6400 ISO ist das Rauschen minimal und bei 12’800 absolut erträglich. Selbst bei 25’600 ISO gelingen brauchbare Aufnahmen.
12800 ISO, Blende ƒ/2,8, 1/38 Sekunde, Freihand-Aufnahme
Natürlich schmieren die Pixel auf dem Bildschirm in der 1:1-Ansicht ein wenig zu; doch später im Druck erhält man Fotos, die in Anbetracht der Umstände nichts zu wünschen übrig lassen. Nach der Dämmerung noch mit einer 250-stel fotografieren und den Blitz in der Tasche lassen? Unbezahlbar!
ISO-Automatik
Seit es die X-Serie gibt, betteln die Fotografen um eine ISO-Automatik, bei der sich die kürzeste Verschlusszeit einstellen lässt. Mit der X100S wurden sie endlich erhöht. In den Einstellungen lässt sich die gewünschte ISO-Zahl einstellen (meistens 200), die maximale Empfindlichkeit (bis 6400 ISO) und die kürzeste Verschlusszeit. Damit ist der Rahmen abgesteckt. Wenn die Vorlage jedoch nicht eingehalten werden kann, geht das zulasten einer längeren Verschlusszeit. Es empfiehlt sich also, den maximalen ISO-Wert auf 6400 einzustellen.
Das Kreuz mit der Software
Solange nur im JPEG-Format fotografiert wird, spielt die mitgelieferte Software keine Rolle – schliesslich hat sich jeder von uns längst für eine solche entschieden. Die JPEG-Dateien sind ausserdem so hochwertig, dass nur selten der Wunsch aufkommt, mit einer ungeschliffenen RAW-Datei zu arbeiten. Falls doch, nimmt die Sache eine unangenehme Wendung.
Zurzeit versteht sich nur der mitgelieferte RAW-Converter «SilkyPix» mit dem RAW-Format der X100S - eine Software, die so hässlich, sperrig und langsam ist, dass eine adäquate Beschreibung kaum möglich ist. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden Sie sich nach einer Viertelstunde wünschen, Sie hätten sie nie installiert. Doch was sind die Alternativen?
SilkyPix – die Software, die keiner haben will
Tatsächlich stellt der X-Trans-Sensor so manchen Software-Hersteller auf eine harte Probe. Für die RAW-Dateien der X-E1 und der X-Pro1 sieht die Sache zurzeit so aus: Photoshop (Lightroom) und Adobe Camera RAW können die Dateien entwickeln und bearbeiten; allerdings lässt die Umsetzung bei der Schärfe immer noch zu wünschen übrig. Deutlich bessere Resultate liefert hingegen der Profi-RAW-Converter Capture One 7 von Phase One. Es wird wohl nicht lange dauern, bis diese beiden Softwarehersteller ihre Algorithmen an den X-Trans-Sensor der zweiten Generation angepasst haben.
Die Empfehlung ist also einfach: Wenn Sie bereits mit Lightroom oder Photoshop arbeiten und die Bilder als JPEG speichern, warten Sie ab, bis Adobe nachgerüstet hat und prüfen Sie, ob Sie mit der gebotenen Qualität zufrieden sind. Trotzdem sollten Sie sich eine Demoversion von Capture One herunterladen, sobald die Kompatibilität wiederhergestellt ist. Die kleinere Version, Capture One Express 7, kostet ausserdem gerade einmal 85 Franken. Sie versteht sich mit dem X-Trans-Sensor genauso gut, bietet aber nicht denselben Funktionsumfang wir der grosse Bruder für 290 Franken.
Capture One – zurzeit vielleicht die beste Wahl
Schleierhaft bleibt, warum Fujifilm die treuen Anwender immer noch mit Silkypix quält. Es hätte bestimmt nicht viel gekostet, mit jeder Kamera eine Kopie von Capture One Express 7 mitzuliefern, vielleicht zusammen mit einem Angebot für die Pro-Version. Daraus wäre eine Win-Win-Win-Situation entstanden, die Fujifilm, Phase One und natürlich dem Kunden sehr viel mehr Freude gemacht hätte.
Nebenbei: Falls Sie Mühe damit bekunden, aus dem geliebten RAW-Workflow auszubrechen, finden Sie hier vielleicht einen neuen Lösungsansatz.
Erweiterte Effekte
Zurück zu den lustigen Seiten des Lebens. Neu bietet die X100S «Erweiterte Effekte», zu Deutsch Spielereien. So lassen sich zum Beispiel Bilder mit einem sehr gelungenen Weichzeichner überziehen. Der Effekt «Lochkamera» wiederum simuliert einen Effekt, der einer russischen Lomo sehr ähnlich wirkt – Vignettierung inklusive. Hier ein Beispiel in Verbindung mit dem quadratischen Bildformat:
Allerdings muss man diese Effekte wirklich wollen, denn es gibt kein Zurück. Die Kamera speichert weder das Originalbild noch eine RAW-Datei, wenn diese Effekte aktiv sind.
Nächste Seite: Filmen und Ergonomie

Filmen und Ergonomie

Die Sache mit der Ergonomie
Bei der Ergonomie zeigt die X100S eine kleine Schwachstelle. Zwar ist die Bedienung der Drehräder an der Oberseite, das Q-Menü und die frei belegbare Fn-Taste eine Freude und gibt nicht den geringsten Anlass zur Kritik.
Etwas anders sieht die Sache an der Vorderseite aus. Bedingt durch die kompakte Bauweise klebt der Blendenring fast am Gehäuse. Die einzige vernünftige Haltung sieht so aus, dass man die Kamera auf dem Mittelfinger der linken Hand abstützt, während die Ringe mit Daumen und Zeigefinger bedient werden. Bei allen anderen Griffen geraten die Finger entweder vor den Sucher oder vor das Objektiv. Diese Probleme verschwinden natürlich, wenn grundsätzlich mit Zeitvorwahl und Autofokus gearbeitet wird.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die symbolische Wölbung am Gehäuse. Sie bietet kaum Griff und wer nicht aufpasst, findet seine neue Errungenschaft nur zu schnell auf dem Boden wieder.
Der kaum vorhandene Wulst ist keine grosse Hilfe
Filmen
Bei einer Kamera in dieser Preislage wäre es natürlich schön, wenn auch die Filmfunktion mit gehobenen Ansprüchen mithalten kann. Die X100S schafft das leider nur teilweise. Sie filmt mit 30 oder 60 Bildern pro Sekunde und immer in Full-HD (1080p). Eine dedizierte Filmtaste fehlt; wer sich eine solche wünscht, muss dafür die Fn-Taste opfern.
Weil das Objektiv nicht stabilisiert ist, müssen Mini-Ruckler später in der Software herausgerechnet werden. Der Weissabgleich, die Helligkeit und vor allem die Filmsimulationen gelten jedoch auch für Filmaufnahmen. Der Ton wird in Stereo aufgezeichnet, die beiden Öffnungen für das Mikrofon befinden sich auf der Vorderseite. Optional bietet Fujifilm ein Aufsteck-Mikrofon an.
Die Filmaufnahme sind von bestechender Qualität, auch bei schwachem Licht – doch nichts anderes hätten wir von diesem Sensor erwartet. Leider wird die Filmfunktion ruiniert, weil die Fokussierung während der Aufnahme nicht nachgeführt wird. Zwar kann manuell nachfokussiert werden, doch aufgrund der Formgebung sind präzise Aufnahmen fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wer sich also nicht gerade auf das Filmen von Stillleben spezialisiert hat, wird an der Filmfunktion kaum Gefallen finden.
Nächste Seite: Kaufempfehlung und Fazit

Kaufempfehlung und Fazit

Zusammenfassung
Listen wir die Kritikpunkte dieser aussergewöhnlichen Kamera noch einmal auf: Sie kommt ohne Sonnenblende, was bei einer Kamera in dieser Preislage ziemlich knausrig wirkt. Der mitgelieferte RAW-Konverter ist eine Zumutung, die Anschaffung von Capture One Express ist fast schon ein Muss. Der Fokus wird bei Filmaufnahmen nicht nachgeführt und die Ergonomie des Gehäuses könnte besser sein – was in erster Linie dem kaum vorhandenen Griffwulst zu verdanken ist.
War’s das? Ja. Selbst wenn man sich in die Rolle eines kleingeistigen Erbsenzählers versetzt, gibt es an dieser Kamera nichts weiter auszusetzen.
Eine Kamera, fast ohne Makel
Stattdessen erwartet den Käufer ein Glas voller Bonbons: Die Schärfe ist so sensationell, dass sie fast schon surreal anmutet. Die Farbgebung ist genau richtig, weil sie sich dank Filmsimulationen und anderen Einstellungen nahtlos an die persönlichen Vorlieben anpassen lässt. Der praktisch geräuschlose Zentralverschluss erlaubt das Blitzen bei jeder Verschlusszeit. Und, und, und. Die X100S ist sehr nahe an einer perfekten Kamera dran.
Zielgruppe
Die Fujifilm X100S zielt auf Street-Fotografen und ambitionierte Amateure. Sie empfiehlt sich als Reise- und Reportage-Kamera. Dass sich das 35-mm-Objektiv nicht wechseln lässt, mag für einige Fotografen ein Manko sein, für andere jedoch ein Vorteil – denn dadurch bleibt das Fotogepäck zwangsläufig überschaubar. Kurz, wir kennen zurzeit keine andere Kamera, die das Fotografieren so konsequent auf ihren Kern reduziert, wie die X100S. Wer also nach solchen Attributen sucht, kann bedenkenlos zugreifen.
Alternativen
Die einzige nennenswerte Konkurrenz kommt zurzeit von Fujifilm selbst, und zwar in Form der X-E1. Ihr Gehäuse ist ein wenig grösser und schwerer, die Optik sowieso. Doch gerade dadurch fühlt sie sich auch ein wenig ergonomischer an. Die X-E1 hinkt der X100S beim Autofokus zwar hinterher, doch der ältere X-Trans-Sensor befindet sich mit dem neuen Modell nahezu auf Augenhöhe. Die Filmsimulationen und die meisten anderen Leckereien bietet die X-E1 ebenfalls.
Die härteste Konkurrenz aus dem eigenen Stall: die X-E1
Da die X100S fast gleich viel kostet wie eine X-E1 mit 35-mm-Objektiv, sollten Sie besonders diese beiden Modelle gegeneinander abwägen. (Den Test zur X-E1 finden Sie hier.)
Fazit: Die X100S setzt neue Massstäbe bei der Bildqualität. Ihr eigenwilliges Design und ihre Alleinstellungsmerkmale erleichtern die Kaufentscheidung enorm: Entweder man will diese Kamera unbedingt, oder man wird sich schnell zu Alternativen hingezogen fühlen. Wer jedoch seine Bedürfnisse kennt und trotzdem zur X100S greift, kann fast nicht enttäuscht werden.

Testergebnis

Bildqualität, Schärfe, Farben, Autofokus, Verarbeitung, Filmsimulationen, Zentralverschluss, nahezu unhörbar
Filmfunktion, zu kleiner Wulst, keine Sonnenblende, Software

Details:  APS-C-Sensor mit 16 Mpxl, optisch-digitaler Sucher, fest verbautes Objektiv 35 mm (KB), ƒ/2,0

Preis:  ca. 1400 Franken

Infos: 
www.fujifilm.ch/de/

Leserwertung

Jetzt abstimmen!
Was halten Sie vom Produkt?



Kommentare
Es sind keine Kommentare vorhanden.