Test: Apple TV 4K (3. Gen.)
Als Mediacenter: unerreicht
Zu den wichtigsten Apps für Cineasten gehören die Mediacenter, mit denen Filme und Serien vom NAS geholt werden. Wenn Sie das Thema allerdings nicht interessiert, springen Sie zum nächsten Abschnitt, denn hier wird es ziemlich spezifisch.
Apple TV bringt einige Vorzüge mit, die vielen Mediacenter-Neulingen auf anderen Plattformen das Leben schwermachen. Zu den wichtigsten gehört die Möglichkeit, sowohl die Bildrate als auch den Dynamikbereich (SDR, HDR, HDR10+, Dolby Vision) automatisch an das jeweilige Filmmaterial anzupassen. Das erledigt die Hardware selbst, sodass sich die jeweilige App nicht darum kümmern muss. Die Einstellungen finden Sie unter Video und Audio › An Inhalt anpassen.
Stolperstein Bildrate
Bei der Bildrate werden mit dieser Einstellung selbst krumme Dinger wie 23,976 fps butterweich und ohne das geringste Mikro-Ruckeln abspielt. Man muss das Thema mit einer anderen Box durchlitten haben, um diese segensreiche Funktion richtig zu würdigen. Doch selbst hier gibt es noch eine Kleinigkeit zu beachten.
Wenn die automatische Bildrate aktiviert ist, kommt es bei einem Wechsel zu einer kurzen Unterbrechung, bei der die Anzeige für etwa zwei Sekunden schwarz bleibt. Wenn Sie sich einen Film ansehen, ist dieser kurze Blackout vor dem Start bedeutungslos. Wenn Sie hingegen YouTube gratis (lies: mit Werbung) konsumieren, wird Sie der häufige Wechsel zuverlässig in den Wahnsinn treiben. Dann sollte die automatische Anpassung deaktiviert werden.
Als diese Zeilen geschrieben wurden, kündigte Apple noch für dieses Jahr die Funktion «Quick Media Switching» (QMS) an. Sie gehört zum HDMI-Standard 2.1a und sorgt dafür, dass Apple TV die Bildrate im Live-Betrieb ändern kann, ohne dass es zu diesem kurzen Blackout kommt. Allerdings muss das auch vom Fernseher unterstützt werden. Die ersten Modelle erscheinen zwar erst 2023; aber so der Hersteller will, kann diese Funktion auch mit einem Firmware-Update nachgereicht werden. Mehr dazu hier.
Infuse: besser wirds nicht
Doch zurück zum eigentlichen Thema. Im Prinzip gibt es für tvOS, also dem Betriebssystem des Apple TV, zwei wichtige Mediacenter-Apps. Da ist einerseits das allseits beliebte Plex, das für zahlreiche Plattformen angeboten wird. Auch Kodi ist verfügbar, wird hier aber nur der Vollständigkeit halber genannt.
Und dann gibt es noch Infuse von Firecore: Ein Juwel von einem Mediacenter, das nur für Apple-Geräte existiert, allerdings für das gesamte Sortiment: tvOS, macOS, iOS und iPadOS werden gleichermassen bedient.
Infuse greift die Filmdateien direkt von einem NAS ab und holt sich die Metadaten selbständig aus dem Internet: Cover, Besetzung, Handlung … das ganze Programm. Die App wird in einer kostenlosen Grundversion angeboten, die es in sich hat. Sie unterstützt zahlreiche Filmformate, darunter MKV-Dateien, die in H.264 und H.265 codiert sind, bis hin zu Dolby Vision (Profile 5) und Dolby Atmos (E-AC3).
Allerdings kam es bei mir zuweilen vor, dass Filme falsch erkannt wurden und deshalb ein falsches Cover zeigten – und deshalb auch die anderen Angaben nicht stimmen konnten. Zwar kann ein anderer, passender Filmtitel manuell ausgewählt werden, aber das nimmt der Sache ein wenig den Schwung. Ich komme gleich darauf zurück.
Die Pro-Version von Infuse richtet sich an all jene, die es wirklich wissen wollen. Sie bietet zusätzliche Funktionen für die Synchronisierung der Abspielposition, weitere Videoformate und die Unterstützung für Highend-Audio-Formate wie High-Resolution Dolby und DTS-HD. Ausserdem wird Apples «Spatial Audio» unterstützt, das Google-Cast-Protokoll und vieles mehr. Eine Übersicht finden Sie unter firecore.com/infuse. Die Website ist nur in Englisch verfügbar, doch die Apps sind alle in Deutsch lokalisiert.
Die Pro-Version kostet 1 Franken monatlich, 10.50 Franken jährlich oder 95 Franken lebenslang. Das Abo deckt alle Geräte-Versionen ab und lässt sich über die Familienfreigabe ohne Aufpreis teilen.
Vor allem aber zapft die Pro-Version von Infuse auch einen Plex-Server an. Und das bringt uns nahtlos zum nächsten Thema.
Plex als Rückendeckung
Die Plex-Umgebung (plex.tv) teilt sich in einen Server und einen Client auf. Im Gegensatz zur Shield TV, die beides in einem Gerät vereint, wird der Plex-Server nicht für tvOS angeboten. Das ist allerdings in den wenigsten Fällen ein Problem, da Plex auch zahlreiche NAS-Hersteller unterstützt, darunter auch den Platzhirsch Synology. Und auf einem solchen NAS werden die Filme normalerweise gelagert.
Plex wird kostenlos angeboten. Um jedoch Filme in HDR wiederzugeben, Trailer einzubinden oder für weitere Funktionen braucht es den «Plex Pass» für ca. 5 Franken monatlich, 40 Franken jährlich oder 120 Franken einmalig. Dann bietet sich auch die Möglichkeit, mehrere Konten einzurichten, damit sich die Familie nicht in die Quere kommt. Vor allem aber aktiviert sich damit die Option «Intro überspringen» bei Serien, was den Plex-Pass für Serienfans fast schon zu einem Muss macht.
Plex wirkt auf dem Apple TV sehr gelungen. Es punktet ausserdem mit Funktionen, die Infuse gänzlich fehlen, etwa die Einbindung von Fernsehkanälen oder der Integration der Filmtrailer – aber das nur am Rande. Hingegen erkennt Plex im Gegensatz zu Infuse keine Image-Dateien (ISO-Dateien), falls das ein Thema sein sollte.
Schlussendlich läuft es funktional auf eine Patt-Situation hinaus, wobei mir die Oberfläche von Infuse deutlich besser gefällt, als jene von Plex. Ausserdem werden in Foren zu Plex zuweilen Probleme erwähnt, wie ein leichtes Ruckeln oder die fehlerhafte Erkennung von HDR und SDR. Das kann bei Ihnen anders sein, aber ein Test kostet ja nichts.
Perfektes Duo
Ich habe ziemlich lange und gründlich nach der idealen Lösung gesucht und habe auch mit Android-basierten Geräten in Abgründe geblickt, die jeglichen Enthusiasmus für dieses vielschichtige Thema ersticken. Schlussendlich bin ich bei einer Lösung gelandet, die das Beste von Infuse und Plex in sich vereint.
● Auf dem Synology-NAS läuft der Plex-Server mit aktivem Plex-Pass.
● Auf dem Apple TV läuft Infuse Pro.
● Infuse Pro zapft die Dateien auf dem NAS nicht direkt an, sondern greift auf den Plex-Server zu.
Mit Plex als Server wurden bis jetzt ausnahmslos alle Filme und Serien korrekt erkannt, die Oberfläche und die Bedienung bleiben jedoch jene von Infuse. Die Wiedergabe funktioniert perfekt, auch in HDR. Am Beginn einer Serie wird ausserdem die Schaltfläche «Intro überspringen» eingeblendet; die dazu nötige Analyse der Serien und die Funktion selbst werden vom Plex-Server beigesteuert.
Das Resultat ist ein perfektes Mediacenter-Erlebnis, solide wie ein Fels und so zugänglich, dass auch kleine Kinder innerhalb von Minuten damit klarkommen. Und ja, Infuse bietet auch eine Kindersicherung.
Tipp: Sie können diese Konfiguration mit Infuse Pro und der kostenlosen Versionen Plex unbeschränkt testen. Das Einzige, was dann in Infuse Pro fehlt, ist die Taste «Intro überspringen».
08.11.2022