Tipps & Tricks 30.04.2015, 07:37 Uhr

Fotopraxis: Welches Stativ zu welchem Zweck?

Jeder Fotograf braucht ein Stativ. Mit diesem Leitfaden greifen Sie zum richtigen Modell.
Stative gehören zur Fotografie wie Objektive oder Blitzgeräte. Alles andere ist mehr oder weniger nützliches Beigemüse. Dafür gibt es gute Gründe:
Scharfe Bilder. Wenn bei schwachem Licht die Verschlusszeiten länger werden, verhindert ein Stativ verwackelte Bilder. Wenn Sie den ISO-Wert ausserdem tief halten, kann ein statisches Motiv mit einer Belichtungszeit von mehreren Sekunden aufgenommen werden, sodass sich das Rauschen in Grenzen hält. Der Nachthimmel ist ein typisches Beispiel.
Tabletop-Fotografie. Während Sie auf dem Tisch eine Szene arrangieren, bleibt die Kamera auf dem Stativ und behält den Ausschnitt bei.
Tele-Fotografen. Viele Teleobjektive wiegen ein Kilogramm und mehr. Wenn Sie am Spielfeld oder in der Natur dem nächsten Motiv auflauern, werden Ihre Arme entlastet.
Bei dieser vermeintlichen Bazooka handelt es sich um das Nikkor 1200-1700 mm ƒ/5.6-8.0 von Nikon. Mit einem Gewicht von ziemlich genau 16 kg wird es für die meisten Stative zu einer Herausforderung. Preis im Jahr 1990: ca 75’000 US-Dollar.

Tipps für scharfe Aufnahmen

Bevor wir uns den verschiedenen Stativtypen widmen, sollten Sie sich die folgenden Tipps verinnerlichen. Denn selbst wenn die Kamera auf einem Dreibein steht, kann bereits der mechanische Druck auf den Auslöser dazu führen, dass es zu kleinen Verwackelungen kommt – und das stellt natürlich den Sinn der ganzen Übung infrage. Doch die Abhilfe ist einfach.
Selbstauslöser. Jede Kamera ist mit einem Selbstauslöser ausgestattet. Beim Druck auf den Auslöser wird die Aufnahme verzögert, sodass die Schwingungen im Stativ abklingen. Verwenden Sie ruhig die kürzesteste mögliche Zeit; zwei Sekunden reichen bereits aus. Der Selbstauslöser eignet sich allerdings nicht, wenn kurze Reaktionszeiten gefragt sind. In solchen Situationen verwenden Sie besser einen …
Fernauslöser. Er löst über Funk oder über ein Kabel aus, sodass der Auslöser an der Kamera unberührt bleibt. Fernauslöser gibt es direkt vom Kamerahersteller, aber auch von Fremdanbietern. Moderne Systemkameras lassen sich oft über eine Smartphone-App auslösen, was jeglichen physischen Kontakt ausschliesst. Und zu guter Letzt gibt es Produkte, mit denen die Fernauslösung fast schon zur Kunstform erhoben wird, zum Beispiel den genialen TriggerTrap (zum Test).
Triggertrap erhebt die Fernauslösung zur Kunstform
Quelle: IDG
Spiegel-Vorauslösung. Wie der Name andeutet, gibt es diese Funktion nur bei Spiegelreflex-Kameras. Sie lässt sich in den Einstellungen aktivieren. Zwischen dem Hochklappen des Spiegels und der Aufnahme wird eine kurze Pause eingeschoben – gerade lang genug, dass die Schwingung des Spiegels nicht zu einer Unschärfe führt. Nutzen Sie diese Möglichkeit!
Okular-Abdeckung. Auch dieses Problem betrifft nur Spiegelreflex-Kameras. Wenn die Kamera mit dem Selbst- oder Fernauslöser bedient wird, befindet sich das Gesicht des Fotografen nicht am Okular. Bei starker Sonneneinstrahlung von hinten kann das eindringende Licht die Belichtungsmessung stören. Teure Kameras sind mit einem Schalter neben dem Okular ausgestattet, der eine Klappe einschwenkt. Bei den meisten anderen wird eine Abdeckung mitgeliefert, die sich auf das Okular stülpen lässt. Zur Not können Sie auch einfach die Hand nahe an das Okular legen – natürlich ohne dabei die Kamera zu berühren.
Integrierte Okular-Abdeckung an einer Nikon D3s
Quelle: Nikon
Soviel zu den ewig gültigen Tipps. Sehen wir uns an, was ein gutes Stativ ausmacht.
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Das richtige Stativ

Gute und schlechte Stative

Es gibt zwar gute und schlechte Stative, aber es gibt kein «perfektes Stativ». Stattdessen hängt alles von Ihren Anforderungen ab.
Grösse und Gewicht. Diese beiden Kriterien sind so naheliegend wie elementar: Wenn Sie zuhause ein Studio aufbauen, dann ist ein grosses, schweres Stativ ideal. Wenn Sie das Stativ auf Wanderungen mitschleppen, dann kann es gar nicht klein und leicht genug sein.
Drinnen und draussen. Wenn Sie ein Stativ hauptsächlich in Räumen verwenden, sollte es mit gummierten Füssen ausgestattet sein. Diese rutschen nicht weg und schonen den edlen Parkett. Outdoor-Stative müssen hingegen Wind und Wasser trotzen. Ausserdem sollten die Füsse mit Spikes ausgerüstet sein, sodass sie im lockeren Boden besser Halt finden. Viele Stative bieten beides: Bei Bedarf wird einfach der Spike aus dem Gummifuss herausgedreht.
Bei einigen Stativen werden die Spikes einfach hervorgeschraubt
Quelle: Gitzo
Tragfähigkeit. Ganz egal, für welches Stativ Sie sich entscheiden: Es muss Ihre Kamera sicher halten. Schnappen Sie sich eine Küchenwaage und wägen Sie Ihre Ausrüstung. Montieren Sie vorher das schwerste Objektiv und – falls vorhanden – das grösste Blitzgerät. Packen Sie noch ein Kilogramm als Reserve drauf, falls Sie mit einer grösseren Kamera oder Linse liebäugeln. Nun kennen Sie das Gewicht, das Ihr nächstes Stativ stemmen muss.

Gewinde und Stativplatte

Gewinde. Jedes Stativ ist mit einem Gewinde ausgestattet, das die Kamera festhält. Heute kommen fast überall ¼-Zoll-Gewinde zum Einsatz, ausser bei einigen Mittel- und Grossformat-Kameras. Wenn Sie also kein ausgewachsener Studiofotograf sind, dann wird das Gewinde zu Ihrer Kamera passen – ganz egal, ob es sich dabei um eine SLR oder um einen Adapter für das Smartphone handelt.
Ihre Kamera passt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
Quelle: Web/Screenshot
Schnellwechselplatte. Jedes Stativ, das diese Bezeichnung verdient, wird mit einer Schnellwechselplatte geliefert. Diese wird an die Unterseite der Kamera geschraubt. Anschliessend lässt sich die Kamera mit einem Handgriff (de-) montieren, indem der Spannbügel am Stativ betätigt wird. Wahnsinnig praktisch, und deshalb ein Muss.
Die Wechselplatte wird an der Kamera befestigt
Quelle: Benro

Stativköpfe

Die Schnellwechselplatte wird mit dem beweglichen Stativkopf verbunden. Die meisten Stative sind mit einer der folgenden drei Varianten ausgestattet. Bei den besseren Stativen kann der Kopf ausserdem schnell gegen einen anderen ausgetauscht werden.
Von links nach rechts: Fluidkopf, Kugelkopf und Panoramakopf
Fluidkopf. Beim Bewegen wird eine zähe Flüssigkeit durch Metallkammern gepresst. Diese Stative werden nicht in der Fotografie, sondern in der Filmerei eingesetzt. Die Bewegung erfordert einen gewissen Kraftaufwand, der jedes Zittern überdeckt. So sind butterweiche Kameraschwenks möglich, die sich mit einem Fotostativ kaum realisieren lassen.
Kugelkopf. Die Klemmschraube wird gelöst, damit sich die Kamera frei in alle Richtungen drehen und kippen lässt. Dieser Mechanismus ist nicht nur praktisch, sondern auch sehr komfortabel. Leider eignet er sich nur bedingt für schwere Ausrüstungen. Ausserdem ist ein Kugelkopf für Panorama-Aufnahmen und für Kameraschwenks bei Videos denkbar ungeeignet.
Panoramakopf. Der Panoramakopf kann die Kamera nach vorne/hinten oder zur Seite kippen, wobei zwei Griffe verwendet werden. Das klingt genauso umständlich, wie es tatsächlich ist. Allerdings sind diese tragfähigen Stative für Landschafts- und Panoramafotografen die erste Wahl, weil die Kamera zum Beispiel exakt horizontal geschwenkt werden kann.
Damit haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Sehen wir uns, welches Stativ zu Ihnen passt.
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Die wichtigsten Stativ-Typen

Die wichtigsten Stativ-Typen

Es gibt für jeden Verwendungszweck ein passendes Stativ. Wichtig dabei ist nur, dass es zu Ihrer Kamera und Ihren Anforderungen passt.
Mini-Stative. Die Verwendung eines Mini-Stativs gilt als Akt der Verzweiflung. Zugegeben, sie passen in jede Hemdtasche. Doch aufstellen kann man sie höchstens auf einer Tischplatte, und nur die kleinsten Kameras werden halbwegs sicher gehalten. Sie werden direkt in das Gewinde der Kamera oder in die Smartphone-Halterung geschraubt. Das unten abgebildete Modell erhalten Sie zum Beispiel für Fr. 7.95 bei Pearl.
Nur in Ausnahmefällen brauchbar: Mini-Stative
Quelle: Pearl
Smartphone-Adapter. Es gibt zwar spezielle Smartphone-Stative, aber die wenigsten wissen zu überzeugen. Besser: Verwenden Sie einen Adapter für das Smartphone, der sich auf jedem beliebigen Stativ befestigen lässt. Wir empfehlen das Modell Glif, das auf der folgenden Abbildung auf einem GorillaPod montiert wurde. Den Test zu Glif finden Sie hier. Zu kaufen gibt es den praktischen Adapter bei Monochrom für 29.90 Euro.
Glif mit iPhone 6 Plus, montiert auf einem GorillaPod
Quelle: NMGZ
GorillaPod. Die GorillaPods von Joby sind eine Klasse für sich. Die flexiblen Beine lassen sich um jede stabile Unterlage wickeln (Foto unten). Wenn Sie zum Beispiel den Sonnenuntergang vom Hotelbalkon aus fotografieren, wickeln Sie das Stativ einfach um das Geländer.
Wenn die Unterlage stabil ist, passt auch das Stativ
Quelle: Joby
GorillaPods gibt es in allen erdenklichen Grössen und Farben. Deshalb ist es wichtig, dass Sie vor dem Kauf Ihre Kamera wägen. Die Stative finden Sie zum Beispiel bei brack.ch. Ab ca. 24 Franken geht’s los.
Grössere GorillaPods halten auch eine SLR
Quelle: Joby
Dreibein-Stative. Der Klassiker schlechthin. Ein brauchbares Dreibein-Stativ für Hobby-Fotografen gibt es ab ca. 150 Franken, doch bei einigen Marken erhalten Sie dafür nicht einmal einen Kugelkopf. Achten Sie auf folgenden Kriterien: Stabilität, maximales Gewicht der Ausrüstung, maximale Arbeitshöhe (also die Höhe der Kamera) sowie die Art des Kopfes (Panorama-, Kugel- oder Fluid-Kopf).
Wenn Sie das Stativ im Feld verwenden, sollte es wasserfest und mit Spikes ausgerüstet sein – und natürlich spielt das Gewicht eine Rolle. Wenn Sie das Stativ hingegen in Innenräumen verwenden, empfiehlt sich ein schweres Modell mit einem Kugelkopf. Ein universelles High-End-Stativ wie das Mountaineer GT3542 von Gitzo trägt zum Beispiel ganze 21 Kilogramm – dafür erleichtert es das Portmonee um 869 Franken. (Gesehen bei Digitec.)
Kräftiges Kerlchen: Das Mountaineer GT3542 von Gitzo trägt bis zu 21 Kilogramm
Reisestative. Sie sind zwar klein und leicht, haben aber nichts mit Billig-Stativen gemeinsam, im Gegenteil. Das Befree von Manfrotto kostet bei Digitec zum Beispiel 336 Franken. Es besteht zum grössten Teil aus Carbon und wiegt deshalb nur 1.4 Kilogramm. Trotzdem stemmt es bis zu 4 Kilogramm an Ausrüstung. Die Beine lassen sich einzeln ausklappen und sogar «umstülpen»; danach steht das Stativ quasi auf dem Kopf, sodass die Kamera senkrecht nach unten zeigen kann. Das Befree Carbon eignet sich ideal für die unbeschwerte Reise- und Makro-Fotografie, eine passende Reisetasche ist im Lieferumfang enthalten.
Klein genug für die Reise, aber in professioneller Ausführung: Manfrotto Befree Carbon
Quelle: Manfrotto
Einbein-Stative. Diese preiswerten Stative stehen nicht von allein und müssen vom Fotografen gehalten werden. Sie reduzieren die Verwackelungsgefahr, sind dabei aber längst nicht so effektiv wie ihre dreibeinigen Artgenossen. Einbeinstative sind in der Sportfotografie sehr beliebt, weil der Fotograf auch mit dem schweren Teleobjektiv schnell reagieren kann, während die Arme entlastet werden. Das unten abgebildete Cybrit Medi 16 von Dörr trägt bis zu 15 Kilogramm und kostet zum Beispiel bei brack.ch 39 Franken.
Einfach, flexibel und entlastend: Einbein-Stativ von Dörr
Quelle: Dörr
Tipp: Bei einigen besseren Stativen lässt sich die Mittelsäule ganz herausziehen und als Einbeinstativ verwenden. Allerdings ist das Einsatzgebiet beschränkt, weil die Höhe in den meisten Fällen nicht oder nur beschränkt justiert werden kann.

Fazit

Jeder Topf findet seinen Deckel. Doch egal, für welche Ausführung Sie sich entscheiden, knausern Sie nicht. Investieren Sie gutes Geld in ein gutes Stativ, denn es ist eines der wenigen Zubehörteile, das Sie sogar über Jahrzehnte hinweg erfreuen kann – oder ärgert. 



Kommentare
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TippyTine
10.08.2015
Gute Tipps für Anfänger Finde auch, dass der Artikel gut gelungen und die Tipps und Ratschläge brauchbar sind. Ich selbst fotografiere weniger, aber meine Schwester ist eine begnadete Hobbyfotografin. Ich hatte die Geschenkidee, ihr zusammen mit einem Gutschein über einen Fotokurs von MyDays auch ein passendes Stativ zu schenken - das fehlt ihr nämlich noch in ihrer Ausrüstung. Die GorillaPods sind bisher mein Favorit ;) Wusste vorher nicht, dass es sowas gibt! Liebe Gruesse Tine [Mod-Edit: Werbelink entfernt]