Spoiler: gar nicht gut 25.09.2023, 05:00 Uhr

Wie gut ist Apples Feingewebe?

Eine Geschichte über Lederersatz, Aussehen, Haptik – und einen verpeilten moralischen Kompass.
Das soll sich also anfühlen wie Wildleder … alles klar
(Quelle: PCtipp.ch)
So viel vorweg: Meine Abneigung gegen Leder ist frei von jeglicher Ideologie. Es ist einfach nicht «mein Material». Ich liebe Baumwolle und werde nie eine Lederjacke kaufen oder im Bett einen Pyjama aus Schafschurwolle tragen. Applikationen an Schuhen oder kleine Lederutensilien gehen hingegen in Ordnung.
Andere pflegen eine abweichende Meinung mit Verweis auf den Umwelt- und den Tierschutz. Letzterer ist mir zwar sehr wichtig, aber in meinem Weltbild ist Lederzubehör einfach ein Abfallprodukt unseres Fleischkonsums.
Item. Apple sieht in Leder offenbar einen weiteren Feind, den man bekämpfen muss, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. An seine Stelle tritt das neue Material «Feingewebe». Es besteht zu 68 Prozent aus recycelten Altmaterialien, schimmert ein wenig und «fühlt sich auf der Haut weich und wie Wildleder an» (O-Ton Apple).
Das kann es nicht sein
Quelle: PCtipp.ch
Da stellt sich mir unweigerlich die Frage, ob der Werbetexter jemals echtes Wildleder angefasst hat. Meine Schilderung des Materials weicht ein wenig ab:
Das neue Feingewebe fühlt sich zuerst einmal rutschig an – und das sind keine guten Voraussetzungen für eine iPhone-Hülle. Doch vor allem ist es kein Handschmeichler. Beim ersten Hautkontakt erinnert es an das Segeltuch der Converse-Sneakers, nur viel feiner. Das macht es allerdings auch nicht besser, weil ich das Apple-Zubehör nicht mit Socken an den Händen herumtrage. Bereits ein Fingernagel hinterlässt unauslöschliche Spuren: viel Spass mit den Autoschlüsseln. Und wie sich das Material reinigen lässt, wird erst die Zukunft zeigen.
Detailaufnahme: Ein Fingernagel hinterlässt Spuren auf der Hülle
Jeder Kratzer ist für die Ewigkeit
Quelle: PCtipp.ch
Die Hülle ist ausserdem extrem unflexibel. Als ich nach einer Stunde genug davon hatte und sie vom neuen iPhone 15 abziehen wollte, verhielt sie sich so bockig, dass ich fürchtete, das Glas würde brechen. Gerade als ich zum Dremel greifen wollte, hat es dann doch noch funktioniert. Aber eines ist klar: Feingewebe und ich werden nie Freunde.
Ein typischer Apple-Charakterzug ist, dass nicht lange gefackelt wird. Das Lederzubehör wird nicht abverkauft, sondern ist über Nacht von der Website verschwunden. Bei der iPhone-Hülle habe ich mich gerne für ein Silicon-Case «Winterblau» entschieden, weil mir diese Hüllen von Apple seit jeher die liebsten sind. Etwas komplizierter wurde es bei den Wallets: Hier deckte ich mich im Tempo des Gehetzten bei Digitec mit zwei Lederausführungen Orange ein, die hoffentlich eine Weile halten. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch sie ausverkauft sind.

Kommentar

Die Drittanbieter werden ob des Entscheides von Apple jubeln und ihre eigenen Lederhüllen feilbieten – und die werden in den meisten Fällen aus ökologischer und tierschützerischer Sicht sehr viel grenzwertiger angefertigt («Made in Sie-wissen-schon-wo»). Wäre Apple etwas am Thema gelegen, würden sie weiterhin Lederzubehör verkaufen, das nach ethisch hochstehenden Massstäben gefertigt wird. Doch so schlägt das Pendel genau in die andere Richtung aus: Einmal mehr ist «gut gemeint» das Gegenteil von «gut gemacht».



Kommentare
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Holzbock
25.09.2023
Das neue Feingewebe fühlt sich zuerst einmal rutschig an – und das sind keine guten Voraussetzungen für eine iPhone-Hülle. Gut geschriebener Artikel - gefällt mir! (y) Aber der Kernsatz ist für mich der zitierte. Denn sind die aktuellen Handys nicht an sich zu rutschig, also auch schon ab Werk ohne Hülle? Vielleicht bin ich ja ein unbegabter Grobmotoriker, aber ich vermisse generell Mobiltelefone, die weniger schlank, chromglänzend und verglast sind und dafür griffig, robust und alltagstauglich. Ich kenne eigentlich nur das sogenannte Baustellenhandy Catphone B35, das eine gummige und strukturierte Oberfläche aufweist und deshalb auch mal etwas unsanft angefasst werden kann, ohne sich gleich zu verabschieden. Ist es also ein völlig verpeilter Wunsch, wenn ich mir von Apple (oder auch anderen) schon lange ein Mobiltelefon erhoffe, das schon von Haus aus gar keine Hülle braucht (und erst recht keine aus "Feingewebe"), sondern eine gerippte oder genoppte oder was-auch-immer Oberfläche hat? Wer mit einem Auto oder einer klassischen Kamera unterwegs ist, zieht den Dingern doch auch keine Kleidchen oder Pelerinen an... ;-)

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Klaus Zellweger
26.09.2023
Wer mit einem Auto … unterwegs ist, zieht den Dingern doch auch keine Kleidchen oder Pelerinen an... ;-) Schon von folierten Autos gehört? Das ist der letzte Schrei. :cool: