Neues Betriebssystem 05.10.2021, 10:16 Uhr

Windows 11 als letzter Kompromiss

Microsoft lanciert ein neues Desktop-Betriebssystem. Windows 11 wirkt mehr wie ein Upgrade. Für Unternehmen interessant ist hauptsächlich die Cloud-Version.
HPs Spectre x360 mit 16-Zoll-Display kommt mit vorinstalliertem Windows 11
(Quelle: HP)
Schon Windows 10 sollte das letzte herkömmliche Desktop-Betriebssystem sein. Anlässlich der Lancierung vor gut sechs Jahren hatte Microsoft verlauten lassen, künftig auch die Betriebssoftware aus der Cloud liefern zu wollen. Nun fährt Redmond zweigleisig: In Windows 11 gibt es nochmals eine neue Windows-Version, die allerdings auch aus der Cloud bezogen werden kann.
Windows 11 ist für die Bestandskunden kostenfrei. Den Endanwendern wird die neue Version auf Knopfdruck wie ein normales Update eingespielt. Firmen können bestimmen, wann der Wechsel geschehen soll. Dafür können die Administratoren vorhandene Werkzeuge wie Cloud Konfiguration, Microsoft Endpoint Manager, Windows Autopilot und Windows Update for Business verwenden. In Unternehmensumgebungen soll auch der Parallelbetrieb von Clients mit Windows 10 und Windows 11 möglich sein – beispielsweise, wenn Systeme im Einsatz sind, welche die hohen Systemvoraussetzungen des neuen Betriebssystems nicht erfüllen (siehe unten). Über ein Ende der kostenlosen Update-Frist hat Microsoft bis anhin keine Angaben gemacht. Für Kunden mit einem Lizenzvertrag ist diese Frist aber letztendlich sowieso Verhandlungssache.

Design, Teams, Android

Angesichts der neuen Bedienoberfläche scheint der Versionsschritt durchaus berechtigt. Das neue Fenster-Design mit abgerundeten Ecken, ein zentriertes Startmenü ohne die Kacheln, Desktop-Widgets wie in Windows Vista und 7 sowie «Snap»-Layouts für mehr Übersicht bei vielen geöffneten Fenstern sind nützliche respektive zeitgemässe Neuerungen. So finden sich User auch im Home-Office auf dem Bürobildschirm gleich wieder zurecht oder können die Business-Anwendungen permanent auf zwei Bildschirme verteilen, so wie sie es sich am Arbeitsplatz gewöhnt sind.
Windows 11 bringt einen Client der Kollaborationsplattform Microsoft Teams mit
Quelle: Microsoft
Aus dem Pandemiebetrieb kennen die meisten User nun auch Microsoft Teams, das neu Bestandteil des Betriebssystem wird. Es soll sich um eine abgespeckte Variante des Kollaborations- und Kommunikationsprogramms handeln, die allerdings wie das Vollprodukt Chats sowie Videokonferenzen von der Taskleiste aus erlaubt.
Weitere Programme – neu auch Apps genannt – beziehen die Anwender aus dem Microsoft Store. Bis anhin war die Auswahl vergleichsweise gering, wenn man die Stores von Apple und Google als Massstab nimmt. Gemeinsam mit dem Entwicklungspartner Amazon bringt Microsoft demnächst Android-Apps auf den Windows-Desktop. Die Installation der Android-Programme wird über den bestehenden App-Store erfolgen, den Amazon heute für seine Fire- und Kindle-Modelle nutzt. Dort sind schon jetzt diverse Apps gelistet, die bisher nicht im Microsoft Store verfügbar waren, beispielsweise die Adobe Creative Suite, Instagram oder TikTok.

Hohe Systemanforderungen

Die neuen Funktionen, eine – wie Microsoft verspricht – wesentlich höhere Performance und schnellere Boot-Vorgänge sowie Neustarts muss der Anwender teuer bezahlen. Nicht mit dem Kauf der neuen Software, sondern mit der Investition in moderne Hardware. So setzt Windows 11 zum Beispiel einen Intel-Hauptprozessor der mindestens achten Generation voraus. Die Chip-Serie wurde 2017 erstmals verbaut, aktuell ist es die zwölfte Generation. Bei den AMD-Prozessoren müssen es Athlon- oder Ryzen-Modelle von 2018 oder jünger sein. Während 4 Gigabyte Arbeitsspeicher und 64 Gigabyte Festplattenkapazität für heutige Verhältnisse eher wenig sind, stellt Microsoft beim Grafikchip nochmals hohe Hürden auf: Der Beschleuniger muss kompatibel mit DirectX 12 sein. Diese Version hatte Microsoft 2014 lanciert.
Weltmarktführer Lenovo lanciert zum Launch von Windows 11 neue Notebooks, darunter das ThinkBook 14s Yoga
Quelle: Lenovo Schweiz
Um die Sicherheit von Betriebssystem, Programmen sowie Daten zu erhöhen, stehen ein modernes UEFI-BIOS (Unified Extensible Firmware Interface) mit aktiviertem «Secure Boot»-Modus und ein Trusted Platform Module 2.0 (TPM) im Pflichtenheft für Windows 11. Für diese Komponenten muss nicht zwingend ein neuer Rechner angeschafft werden, allerdings eine neue Hauptplatine schon. Wenn sie dann verfügbar ist – in Zeiten weltweiter Halbleiterknappheit. Microsoft verspricht durch die Hardware-Sicherheitskomponenten kleinere Angriffsvektoren und damit weniger Gefahr von Datenlecks sowie Systemkorruption. Angesichts der grossen Verbreitung von Windows und der daraus resultierenden Attraktivität für Angriffe stellen die neuen Hürden jedoch «nur» eine zusätzliche Herausforderung für Cyberkriminelle dar.

Administration und Betrieb

Angesichts der hohen Hürden bei den Systemvoraussetzungen ist in den (Heim-)Büros der Schweiz künftig durchaus eine Zweiklassengesellschaft denkbar: Kollegen mit älteren PCs «müssen» weiter mit Windows 10 arbeiten, die neu rekrutierten Angestellten mit moderner Hardware nutzen Windows 11. Erst eine komplette Client-Erneuerung beendet wohl diese Klassengesellschaft – und bringt der IT-Abteilung etwas mehr Ruhe. Wie realistisch dieses Szenario ist, veranschaulicht eine Analyse des Netzwerk­spezialisten Lansweeper. Der Anbieter hat die IT-Landschaft bei 60'000 Kunden mit über 30 Millionen Windows-Rechnern inventarisiert. Das Resultat bestätigt: Nicht einmal jeder zweite Business-PC ist parat für Windows 11. Der grösste Knackpunkt waren bei 44 Prozent die Minimalanforderungen an den Hauptprozessor, der bei den meisten Rechnern schlicht zu alt war. Das «Trusted Platform Modul» war bei 28 Prozent der Maschinen abgeschaltet oder inkompatibel, bei weiteren 20 Prozent zu alt. Die kleinste Herausforderung stellte der Hauptspeicher dar: Bei nur 9 Prozent der Arbeitsplätze waren weniger als 4 Gigabyte RAM verbaut. Der Arbeitsspeicher sollte den Administratoren die wenigsten Kopfschmerzen bereiten.
Microsoft stellt den IT-Mitarbeitern zudem in Aussicht, dass sie nur noch einmal jährlich die Systemkompatibilität für ein grosses Update prüfen müssen. Bis anhin standen diese Checks zweimal pro Jahr an. Windows 11 wird jährlich aktualisiert – mit 24 Monaten Support für die Home- oder Pro-Editionen und 36 Monaten Support für die Enterprise- und Education-Editionen, so der Hersteller. Die notwendigen Sicherheits- und Windows-Updates sollen ausserdem zukünftig kleiner sein und im Hintergrund eingespielt werden, sodass die Anwender ihre Arbeit nicht unterbrechen müssen.

Windows as a Service

Den Launch des zukünftigen Windows hat Microsoft schon vorweggenommen mit der Vorstellung von Windows aus der Azure-Cloud im Juli dieses Jahres. Damals lancierte der Software-Konzern den Dienst «Windows 365». «So wie die Anwendungen durch Software as a Service (SaaS) in die Cloud kamen, bringen wir jetzt das Betriebssystem in die Cloud», umschrieb Microsoft-CEO Satya Nadella den Service. Endanwender und Unternehmen sollen Windows 10 sowie Windows 11 direkt aus der Cloud beziehen. Mit dem virtuellen PC liessen sich alle Anwendungen, Tools, Daten und Einstellungen auf beliebigen Endgeräten nutzen.
Das Startmenü wandert nach 26 Jahren in die Mitte des Bildschirms
Quelle: Microsoft
Die IT-Abteilungen können dank der Flexibilität der Cloud bezüglich Rechenleistung und Speicherplatz je nach Bedarf skalieren. Für sie werden ausserdem die Bereitstellung, Aktualisierung und Verwaltung des Betriebssystems vereinfacht. Plus: Da alle Systeme und Daten ausschliesslich in der Cloud existieren, können die Administratoren die Verantwortung für die Sicherheit der Infrastruktur abgeben. Microsoft setzt nach eigener Aussage auf das Zero-Trust-Prinzip. Alle Daten werden in der Cloud gespeichert und abgesichert statt auf dem Endgerät. Abgerechnet wird ebenfalls nach dem Cloud-Modell: Firmen zahlen einen monatlichen Festpreis pro (virtuellem) Windows-PC.

Windows und der Baggerfahrer

Selbst in einem Land wie der Schweiz mit überragend guter Netzwerkabdeckung ist das «Windows as a Service» aber wohl vorerst noch Zukunftsmusik. Sie ist schon leise zu vernehmen, für das Orchester müssen aber noch mehr 5G/6G-Dirigenten engagiert werden. Dann sollte Microsoft (Schweiz) noch Betriebsmodelle vorstellen, wie firmenspezifische Fachanwendungen in den Windows-Instanzen ausgeführt werden können. Zu guter Letzt muss die Rechtslage geklärt werden, wer bei einem Cloud- oder Netzwerk-Ausfall haftet. Wenn das Geschäft komplett in die Cloud ausgelagert ist, steht der Betrieb schon nur bei einem Stromausfall, den ein unvorsichtiger Baggerfahrer auf einer der vielen Schweizer Grossbaustellen verursachen kann.
Dem «Windows as a Service» wird die Zukunft gehören. Administratoren und auch IT-Entscheider tun gut daran, sich heute nicht nur mit Windows 11, sondern auch mit der Cloud-Variante zu beschäftigen. Denn Windows 11 kann nur ein letzter Kompromiss sein, bevor sich insbesondere Unternehmen davon verabschieden sollten, für ein neues Betriebssystem neue Hardware anzuschaffen – wozu sie angesichts der hohen Systemanforderungen fast schon genötigt werden.



Kommentare
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Amateur X
11.10.2021
Wird W11 automatisch ausgerollt oder gibt es die Möglichkeit das Upgrade auf unbestimmte Zeit zu verschieben? Windows 10 Pro

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re460
11.10.2021
Irgendwann wird Windows 11 auf kompatible PCs automatisch ausgerollt werden. "Unbestimmte Zeit" gibt es glücklicherweise bei Microsoft nicht mehr. Bei meinen drei Windows 11 Installationen habe ich jedoch nicht aufs automatische Ausrollen gewartet und selber Hand angelegt, weil ich nicht warten wollte. Das Ausrollen kann bis zum nächsten Frühjahr dauern.

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Geoffrey
12.10.2021
Irgendwann wird Windows 11 auf kompatible PCs automatisch ausgerollt werden. "Unbestimmte Zeit" gibt es glücklicherweise bei Microsoft nicht mehr. Jeder hat seine Meinung. Meine weicht aber von deiner schon sehr ab. Microsoft hat mir kein neues BS aufzuspielen wenn ich das nicht will, Basta. Wird wahrscheinlich auch nicht gemacht. Und ausserdem gibts einfache Mittel dagegen. TPM Ausschalten und Ruhe herrscht. geoffrey

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Gaby Salvisberg
12.10.2021
Ich gehe doch sehr davon aus, dass man das Upgrade auf Win11 verschieben kann und dass kein Gerät ohne Zustimmung "zwangsgeupgradet" wird.

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Geoffrey
12.10.2021
Von einer Version zu einer anderen gab es noch nie ein Zwangsupdate. Sowas würde von der Mehrzahl der Benutzer kaum akzeptiert werden, denke ich mal. Und wahrscheinlich würde die Presse Microsoft knüppeln. Das einzige was passieren kann, dass jetzt die nächsten 4 Jahre ein Hinweis auf der Update - Einstellungsseite zu sehen ist. In etwa, "Ihr Computer erfüllt die Bedingungen für Windows 11", oder "Ihr Computer erfüllt die Windows 11 Bedingungen nicht" geoffrey

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Amateur X
23.10.2021
"Unbestimmte Zeit" gibt es glücklicherweise bei Microsoft nicht mehr Kann man der Meinung sein. Windows 10 hat die gröbsten Unbrauchbarkeiten von W8 und 8.1 ausgemerzt und mal abwechslungsweise etwas brauchbares (mindestens für den Hausgebrauch) geliefert. Das war nicht immer so (z.B. Vista, W8, etc.). Ausserdem ist es unter W10 möglich, das System ohne Microsoft Account zu verwenden. Gerade in einer Geschäftsumgebung macht alles andere keinen Sinn. Und gerade dies will MS im W11 zwangsumsetzen. Für mich ein No-Go. Ich lasse erst mal die Microsoft die Kämpfe ausfechten, welche sie mit ihren Zwangsverpflichtungen heraufbeschwört. Bis dahin sehe ich mal keinen Grund für einen Wechsel.

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Merker
23.10.2021
Das Thema Windows 11 hat sicher auch seine Schattenseiten. Viele Rechner werden wieder im Elektro-Schrott landen. Vor allem die Geräte die in Betrieben stehen und wichtige Apps dann auf Windows10 nicht mehr funktionieren werden schnell ausrangiert. Vielleicht werden dann in ein paar Jahren die Rohstoffe knapp und dann findet ein Umdenken statt. Die Hürden für ein Upgrade von Windows 10 zu 11 sind (zu)hoch angesetzt. Gut für die Hersteller, schlecht für die Umwelt. Das sollte auch den Verantwortlichen in diesen Unternehmen zu denken geben.

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Nebuk
23.10.2021
@Amateur X persönlich gefiel mir W8.1 sehr gut. Ich würde sogar sagen, dass einige Konfigurationen besser als in W10 waren. In W11 gibt es ebenfalls noch die Möglichkeit ein lokales Konto zu nutzen, halt nur für die Pro Version. Ich sehe dies ebenfalls als kritisch an, wenn man gezwungen wird, ein Betriebssystem an ein Onlinekonto zu knüpfen. W10 wird noch einige Jahre mit Patches versorgt. Neue Features werden aber kaum mehr dafür kommen. Wenn man so will, kann man jetzt sagen, dass man mit W10 von grösseren Änderungen verschont bleibt. Ein Wechselzwang gibt es glücklicherweise nicht. Meinen zehnjährigen PC kann ich ohnehin nicht offiziell upgraden, da ich weder ein TPM Modul noch einen unterstützen Prozessor habe. Wenn ich demnächst mal in neue Hardware investieren sollte, würde ich eine Neuinstallation von Windows 11 in Aussicht stellen. Stress hab ich aber keinen. @Merker Finde das Vorgehen von Microsoft auch nicht ideal. Klar kann man sagen, dass sie die Sicherheit des Systems damit verbessern möchten. Der Nutzer sollte aber trotzdem die Möglichkeit haben Microsoft zu "überstimmen". Microsoft bietet dafür die Möglichkeit über eine Neuinstallation (via ISO) das neueste Betriebssystem auch ohne unterstützte Hardware zu nutzen. Ob sich Microsoft irgendwann aber dagegen sträubt und keine Updates mehr liefert steht in den Sternen. Wie du aber richtig geschrieben hast, ist das Ressourcentechnisch schlecht gelöst und für einige User könnte es auch finanziell schwierig werden.

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Amateur X
24.10.2021
@Nebuk : einverstanden, W8.1 war in gehöriger Schritt nach vorne von W8.... war auch bitter nötig!

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kukati64
27.10.2021
Bin sauer. Habe vor 2 Jahren einen neuen PC gekauft und jetzt kann ich Windows 11 nicht runterladen, weil die CPU nicht unterstützt wird. Die Anforderungen sind einfach zu hoch bestimmt. Denn ich bin sicher, dass mein PC das meistern würde. Der einzige Grund ist, dass ich keine CPU der 8. Generation habe, das ist doch extra so geregelt, damit Microsoft seine und andere PC-Händler unterstützen kann und mehr Umsatz machen kann, denke ich.