News 22.05.2017, 07:57 Uhr

VR-Brillen: So will Google den Erfolg zurückholen

Der Hype rund um die Virtual-Reality-Brillen ist abgeflacht. Google investiert aber weiterhin – und hat einen Plan in der Tasche.
Vor einigen Monaten standen Fans von Computerspielen noch Schlange, um eine Virtual-Reality-Brille zu ergattern. Inzwischen ist der Hype um die Geräte von Facebook, Sony oder HTC deutlich abgekühlt. Das hindert Google nicht daran, seine VR-Pläne voranzutreiben.
Im vergangenen Weihnachtsgeschäft gehörten Virtual-Reality-Brillen noch zu den Verkaufsschlagern der Spielebranche. Hartgesottene Gamer hatten zuvor jahrelang darauf gewartet, eine leistungsstarke VR-Brille selbst in den Händen halten zu können. Schliesslich hatte Palmer Luckey, Gründer des VR-Vorreiters Oculus, einen Prototyp schon auf der Computerspielmesse EEE im Juni 2012 vorgeführt. Doch auch nach der Übernahme von Oculus durch Facebook im März 2014 dauerte es noch zwei weitere Jahre, bis das Gerät endlich in die Läden kam.
Gehts bald aufwärts mit den VR-Brillen?
Neben Facebook (Oculus Rift) setzen auch HTC (Vive), Sony (PlayStation VR), Samsung (Gear VR) und Google (Daydream) auf das Thema virtuelle Realität. Eine Oculus Rift ist in der Schweiz ab ungefähr 600 Franken zu haben, eine HTC Vive mit Controllern ab 900 Franken, beide Geräte richten sich aber an Hardcore-Gamer, die bereit sind, viel Geld für ein möglichst gutes VR-Erlebnis auszugeben. Sie benötigen nämlich zusätzlich noch einen leistungsstarken PC, der deutlich mehr als 1000 Franken kostet.

Schmerzgrenze erreicht

Inzwischen zeigt sich, dass ausserhalb der Gamer-Szene nur wenige Menschen bereit sind, für ein Spielerlebnis in der virtuellen Welt wesentlich mehr als 2000 Franken auszugeben. Im Februar berichteten US-Medien, dass die grösste Elektronikladenkette der USA, Best Buy, 200 von 500 Demo-Ständen für Oculus wieder abgebaut habe. Das Kundeninteresse sei komplett eingebrochen. An manchen Tagen habe sich kein einziger Kunde die VR-Brille vorführen lassen.
Die Negativschlagzeilen zum Thema VR schrecken die Manager bei Google nicht ab, weiter massiv in die Technologie zu investieren. Der Internetkonzern spielt bislang mit seiner VR-Plattform Daydream ähnlich wie Samsung in der Liga der Headsets, die Gamern für deutlich weniger Geld einen Kontakt mit der virtuellen Realität ermöglichen.
Bei diesen Mobile-VR-Brillen wird kein High-End-PC benötigt, sondern ein (ohnehin vorhandenes) Smartphone in eine Brille gesteckt. Allerdings können weder die Daydream VR noch die Gear VR in Sachen Bildqualität und Präzision der Raumsensoren mit den teureren VR-Brillen mithalten.
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Googles mobiles VR-Gerät

Googles mobiles VR-Gerät

Auf der Entwicklerkonferenz Google I/O kündigte der US-Konzern nun ein mobiles VR-Gerät an, das sich zwischen Oculus Rift und der Gear VR einordnen wird. Die neue autonome VR-Brille kommt ohne Smartphone oder teuren PC aus, soll aber selbst ungefähr so viel kosten wie eine Oculus Rift oder HTC Vive.
Bei der Auflösung oder Tracking-Genauigkeit werden die neuen Geräte, die von HTC und Lenovo produziert werden sollen, nicht an das Niveau der grossen VR-Brillen herankommen. Dafür kann man mit ihnen viel schneller loslegen, weil beispielsweise keine Sender mehr aufgestellt werden müssen, mit denen sonst die Position und Bewegung der VR-Brille im Raum ermittelt wird. Stattdessen bekommen die Brillen die Sensoren direkt eingebaut.
Clay Bavor, der als Vizepräsident bei Google für VR zuständig ist, räumt auf der Konferenz ein, dass sein Geschäftsfeld nach einem grossen Hype durch ein «Tal der Enttäuschung» geht. «Das ist bei vielen neuen Technologien so. Es geht danach aber wieder aufwärts.» Mit den neuen Daydream-Brillen könne man viel tiefer als bislang in die virtuelle Welt eintauchen. Ausserdem würden die Bewegungen im Raum viel besser als bei den bisherigen Mobilbrillen registriert.

Schulklassen mit Tango-Tablets

Google hat neben VR, bei dem der Anwender komplett in die virtuelle Welt eintaucht, auch die sogenannte Augmented Reality im Visier. Dabei werden Inhalte aus der realen Welt mit virtuellen Inhalten kombiniert.
So hat Google für das Detroit Museum of Arts auf der Basis seiner Tango-Plattform eine Anwendung programmiert, die den Inhalt eines geschlossenen antiken Sarkophags aus Ägypten auf dem Bildschirm sichtbar machen kann. Museumsbesucher können mithilfe eines Tango-Tablets nicht nur sehen, dass im Sarg eine Mumie liegt, sondern auch dass dem bestatteten Pharao ein Zeh fehlt.
Clay Bavor kann sich vorstellen, dass in Zukunft alle Schulklassen über Tango-Tablets oder Smartphones verfügen, um Naturphänomene wie einen Hurrikan oder einen Vulkanausbruch virtuell sichtbar zu machen. Der Google-Manager stellt sich dabei aber auch auf einen Langstreckenlauf ein. «Es wird eine Zeit dauern, bis diese Vorstellung Realität wird. Es handelt sich aber nicht mehr um Science Fiction.»



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