Kommentar
17.03.2010, 08:00 Uhr
Schlechtschreibprogramme
Vom ewigen Kampf mit den Rechtschreibprüfungen dieser Welt.
Letztes Jahr habe ich meinen Spionage- und Überwachungsroman korrigiert, der inzwischen unter dem Titel «Verlorene Schwestern» erhältlich ist. Er ist in deutscher Sprache verfasst, wobei einige französische und italienische Wörter vorkommen. Bei einer Korrektur dieser Art wende ich nacheinander verschiedene Methoden an. Seit Jahren gehört auch die Rechtschreibprüfung dazu, von Microsoft Word oder OpenOffice.org Writer. Bei den neueren Versionen sind die Ergebnisse so schlecht, dass ich beschlossen habe, die Unternehmen bzw. Communities zu fragen, warum sie mit diesem heiklen Teil der Software ausgerechnet schwer betrunkene Programmierer betrauen. Davor sollte ich, so die Überlegung, eine Sammlung von Beispielen haben. Eine ziemlich, aber nicht gänzlich zufällige. Eine, die entstanden ist bei der realen Korrektur eines realen Textes. Also eine, die sich aus der Beschäftigung mit meinem Roman ergibt. Ich möchte nicht jeden der vorgeschlagenen Begriffe aufführen. Aber besonders absurde und besonders aussagekräftige, wobei ich noch nicht sicher bin, worauf sich die Aussagekraft beziehen könnte.
Ich rufe das Manuskript im OpenOffice.org Writer (Version 3.0.0) auf. Als «Sprache des Wörterbuchs» ist Deutsch (Deutschland) eingestellt. Das ist gut so, denn obwohl ich in der Schweiz lebe und schreibe, ist der Roman für den ganzen deutschsprachigen Raum bestimmt. Mein erster Held, der 16-jährige Maik, diktiert seinem Tagebuch, einem digitalen Rekorder, seine Erkenntnisse und Erlebnisse. Am Anfang unterläuft ihm noch mehrmals ein «Äh». Dieses Wort sei, so die Rechtschreibprüfung, «nicht im Wörterbuch» enthalten. Vorgeschlagen werden «jäh», «mäh» und «zäh» sowie scheinbar sinnlose Buchstabenfolgen wie «Ch», «Ph» und «Le». Meine zweite Heldin, die 60-jährige Nancy, genannt «la bouche», wird als junges Modell eingeführt, das seinen vollen Mund für die Bewerbung von «Schokoriegeln» hergibt. Immerhin rät das Programm zur «Schokolade». Und zum ebenfalls dunklen «Schornsteinfeger». Da sich Nancy mit etwas «auskannte», wurde sie für etwas eingesetzt, nämlich für die Bedienung von Abhörsystemen. OpenOffice kennt «auskannte» nicht und schlägt «aus kannte» vor, ein Wort, das meines Wissens nicht existiert, in keiner noch so schrägen Konjugation und nicht einmal nach den irren Rechtschreibreformen. Genauso wenig – es geht nun darum, was die Stasi mit einem Abgehörten machte – «um brachte» (statt «umbrachte»), und die Alternative «heimbrachte» ist zwar nett gemeint, aber kaum zielführend.
Maik hat eine Drohne gebaut, die wie eine Fliege aussieht, und über die Beine des Tiers heisst es im Text: «Es fehlen ihnen die Härchen». Die Verkleinerungsform der Haare ist dem Rechtschreibprogramm suspekt; viel lieber würde es «Märchen», «Pärchen» und «Bärchen» an ihre nichtvorhandene Stelle setzen. Aber was fängt der Leser mit einer Fliege an, der die Bärchen fehlen? Um keinen Deut besser ist der Vorschlag der «Hähnchen» – und schon ziemlich weit vom Schrift- und Lautbild entfernt. Verständnis habe ich dafür, dass «abgefuckt» nicht verstanden wird und durch «abgedruckt» ausgetauscht werden soll; gemeint ist mit meinem derben Ausdruck nicht die Fliege, sondern die Dresdner Neustadt vor der Renovierung. Enttäuschung macht sich dagegen breit, als der «Tagtraum» nicht auftaucht in diesem immer geheimnisvoller erscheinenden Wörterbuch und «Tatraum» (wie gefährlich), «Tragtraum» (wie praktisch) und «Tattraum» (knapp daneben) angeboten werden, und Entsetzen bricht aus der Enttäuschung heraus, als der «Alptraum» den «Tagtraum» verdrängen will. Und warum bloss sind die «Ventilatoren», welche die Fliege bedrohen, kein Begriff, dafür aber die «Ventiltoren», die «Ventilautoren» und die «Ventilaktoren», ganz zu schweigen von den «Ventilazoren» und den «Ventilatomen»? Da breche ich doch ins «Ventilieren» aus, und zwar ins Hyperventilieren.
Ich rufe das Manuskript im OpenOffice.org Writer (Version 3.0.0) auf. Als «Sprache des Wörterbuchs» ist Deutsch (Deutschland) eingestellt. Das ist gut so, denn obwohl ich in der Schweiz lebe und schreibe, ist der Roman für den ganzen deutschsprachigen Raum bestimmt. Mein erster Held, der 16-jährige Maik, diktiert seinem Tagebuch, einem digitalen Rekorder, seine Erkenntnisse und Erlebnisse. Am Anfang unterläuft ihm noch mehrmals ein «Äh». Dieses Wort sei, so die Rechtschreibprüfung, «nicht im Wörterbuch» enthalten. Vorgeschlagen werden «jäh», «mäh» und «zäh» sowie scheinbar sinnlose Buchstabenfolgen wie «Ch», «Ph» und «Le». Meine zweite Heldin, die 60-jährige Nancy, genannt «la bouche», wird als junges Modell eingeführt, das seinen vollen Mund für die Bewerbung von «Schokoriegeln» hergibt. Immerhin rät das Programm zur «Schokolade». Und zum ebenfalls dunklen «Schornsteinfeger». Da sich Nancy mit etwas «auskannte», wurde sie für etwas eingesetzt, nämlich für die Bedienung von Abhörsystemen. OpenOffice kennt «auskannte» nicht und schlägt «aus kannte» vor, ein Wort, das meines Wissens nicht existiert, in keiner noch so schrägen Konjugation und nicht einmal nach den irren Rechtschreibreformen. Genauso wenig – es geht nun darum, was die Stasi mit einem Abgehörten machte – «um brachte» (statt «umbrachte»), und die Alternative «heimbrachte» ist zwar nett gemeint, aber kaum zielführend.
Maik hat eine Drohne gebaut, die wie eine Fliege aussieht, und über die Beine des Tiers heisst es im Text: «Es fehlen ihnen die Härchen». Die Verkleinerungsform der Haare ist dem Rechtschreibprogramm suspekt; viel lieber würde es «Märchen», «Pärchen» und «Bärchen» an ihre nichtvorhandene Stelle setzen. Aber was fängt der Leser mit einer Fliege an, der die Bärchen fehlen? Um keinen Deut besser ist der Vorschlag der «Hähnchen» – und schon ziemlich weit vom Schrift- und Lautbild entfernt. Verständnis habe ich dafür, dass «abgefuckt» nicht verstanden wird und durch «abgedruckt» ausgetauscht werden soll; gemeint ist mit meinem derben Ausdruck nicht die Fliege, sondern die Dresdner Neustadt vor der Renovierung. Enttäuschung macht sich dagegen breit, als der «Tagtraum» nicht auftaucht in diesem immer geheimnisvoller erscheinenden Wörterbuch und «Tatraum» (wie gefährlich), «Tragtraum» (wie praktisch) und «Tattraum» (knapp daneben) angeboten werden, und Entsetzen bricht aus der Enttäuschung heraus, als der «Alptraum» den «Tagtraum» verdrängen will. Und warum bloss sind die «Ventilatoren», welche die Fliege bedrohen, kein Begriff, dafür aber die «Ventiltoren», die «Ventilautoren» und die «Ventilaktoren», ganz zu schweigen von den «Ventilazoren» und den «Ventilatomen»? Da breche ich doch ins «Ventilieren» aus, und zwar ins Hyperventilieren.
17.03.2010