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12.08.2013, 11:15 Uhr
Ricardo-Betrug aufgedeckt
Wir berichteten kürzlich von einem grösseren Betrugsfall auf ricardo.ch. Bestellt wurden Artikel im Wert von bis zu 100'000 Franken. Der Bericht löste grosse Reaktionen unter unsern Lesern aus. Wir suchen Antworten.
Wir berichteten kürzlich von einem grösseren Betrugsfall auf ricardo.ch. Ein Leser schickte uns einen aufwendig protokollierten Bericht, wonach der vermeintliche Verkäufer bis zu 100'000 Franken eingesackt haben könnte. Die Bewertungen über den Verkäufer seien nun mal so gut gewesen, dass kein Zweifel aufkommen konnte und viele bereitwillig zahlende Käufer in die Falle getappt sind. Unser Berichterstatter hat beim ersten Aufkommen des Verdachts nicht nur die Polizei, sondern auch die Internetplattform informiert.
Was unserem Leser besonders sauer aufgestossen ist, war die Tatsache, dass der Anbieter nach eigenen Aussagen erst ca. 30 Tage nach Bekanntwerden der Masche gesperrt und gelöscht wurde. Während dieses Zeitraums konnte der Anbieter hunderte Artikel anbieten und von gutgläubigen Opfern Geld einziehen. Obwohl wir eigentlich zunächst nur einen Beitrag über allgemeine Maschen auf Auktionsplattformen verfassen wollten, sorgte unser Bericht zum «ricardo.ch»-Vorfall für eine breite Resonanz. Eines gleich vorweg: Die Titelüberschrift «Nie im Voraus bezahlen» mag, wie ein paar Leser meinen, natürlich für ricardo.ch generell so nicht zutreffen. (Bei der Anlegung des Artikels war zunächst auch die ImmoScout-Plattform ein Thema, wo diese Titel-Aussage eher zutrifft.)
Ist ja nichts Neues...
Einige Leser argumentieren damit, dass es ja «nichts Neues» sei, dass ein zu grosszügiges Vorauszahlen auf solchen Plattformen fahrlässig sei und solche User nicht zu bemitleiden seien. Wie dieses Beispiel zeigte, kann ein solches Szenario nicht nur dem «Ottonormalanwender» widerfahren. (M.K. ist, soweit uns bekannt, sehr gebildet, beruflich sogar Informatiker.) Zudem werden Plattformen wie ricardo.ch und ebay.ch auch geschäftlich genutzt, um – eben – beispielsweise Liquidationsverkäufe vieler Artikel einfacher abzuwickeln. Wie User R.Meier ausführt, ist «Nie im Voraus» sogar für ricardo.ch völlig unrealistisch. Schliesslich ist es gerade allgemein im Onlinegeschäft gang und gäbe, mit Ware gegen Vorauszahlung zu handeln (zumindest für Erstkunden). Seiner Auffassung nach könne man ricardo.ch nicht zumuten, X-Auktionen permanent auf möglichen Betrug oder Fälschung zu überwachen. Jedoch verärgert auch R. Meier aufgrund seiner Erfahrungen, dass das Auktionshaus bei vorgängiger Meldung und Abmahnung aus seiner Sicht «grobfahrlässig» handle und es sogar systematisch «darauf ankommen lasse», da es ricardo.ch «schlussendlich nur darum ginge, die Provisionen einzusacken».
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Unser Berichterstatter meldet sich wieder
Rückmeldung haben wir auch von unserem «Berichterstatter». M.K. habe 124 E-Mail-Adressen aller Betrugsopfer und Bildmaterial das belege, dass der Verkäufer schon am 3.7.2013 nicht mehr an der von ricardo.ch geprüften Adresse wohnhaft war. Der geprellte User lässt nicht locker: Obwohl ricardo.ch argumentiert, dass ricardo.ch nur den Marktplatz zur Verfügung stelle, der Verkaufsvertrag jedoch zwischen Käufer und Verkäufer bestünde, ist M.K. der Ansicht, dass die Plattform eine Mitschuld trage. M.K. werde zur Zeit rechtliche Schritte gegen ricardo.ch prüfen. Er habe sogar mittlerweile ein eigenes Forum gegründet und will sich mit anderen Missbrauchsopfern verbünden. Als Beweis hat unser «Berichterstatter» (nebst einigen anderen) Briefen auch eine E-Mail von einem Missbrauchsopfer, das ricardo.ch frühzeitig warnen wollte.
Wir wollen es wissen
Was uns nun vor allem von ricardo.ch interessierte ist nach aller Offensichtlichkeit von Beweismails die Frage, was denn ricardo.ch bei der Sperrung dieses Anbieters am 10.7.2013 konkret überprüft habe, um andere Käufer zu schützen. Nach Aussage von Simon Marquard, Mediensprecher von ricardo.ch, habe man im vorliegenden Fall am 1. Juli ein erstes Mal interveniert und den Betrüger blockiert. Danach musste das Mitglied sämtliche schriftliche Beweise zur vorhandenen Ware liefern (Quittungen der vorhandenen Waren etc.), welche der User «plausibel erbringen» konnte. Daher wurde er wieder zum Verkauf zugelassen. Das Mitglied wurde aber erst am 26. Juli endgültig für den Verkauf von neuen Waren gesperrt. Man konnte offenbar zuvor nicht mit genügender Sicherheit davon ausgehen, dass tatsächlich ein Betrugsfall vorliegt, so Marquard.
Warum dauerte es so lange?
Uns interessierte aber vor allem, warum es so lange dauerte, obwohl andere User frühzeitig ricardo.ch warnen wollten. Dem entgegnet ricardo.ch, dass ein proaktives Informieren von anderen Mitgliedern über ein unter Verdacht stehendes Mitglied ohne klare Beweise eben heikel sei. Hier könne der Verkäufer durch ricardo.ch unschuldig zu Schaden kommen, meinte der Mediensprecher von ricardo.ch. Man betont seitens des Auktionshauses, dass es natürlich im Interesse von ricardo.ch liege, die Plattform frei von Betrügern zu halten. Dafür biete man einen Käuferschutz von 250 Franken an, der (freiwillig bzw. nachträglich) geltend gemacht werden könne.
Das haben wir doch schon mal gehört
Wie auch der CEO von ricardo.ch gegenüber Espresso formulierte, halten sich solche Betrugsfälle im «Promillebreich» und seien die «Ausnahme». Uns interessierte auch, ob bei der Kantonspolizei sich in letzer Zeit solche Meldungen von ricardo.ch & Co. häufen. Bei der Kantonspolizei Zürich immerhin sei feststellbar, dass es seit Jahren immer wieder Internet-Verkaufs- bzw. Einkaufsbetrugsfälle gibt. Ein eigentlicher Trend nach oben solcher Anzeigen sei jedoch nicht feststellbar. Allerdings müsse man berücksichtigen, dass nicht alle Betrüge angezeigt werden. Von Betrügen auf grossen und bekannten Plattformen werden mehr Anzeigen gemacht als auf kleinen, spezialisierten Tausch- oder Verkaufsseiten. Dies sei vermutlich mit der Anzahl Mitglieder zu erklären, welche bei den grossen Plattformen höher sind, meinte Beat Jost, Mediensprecher von der Kapo Zürich
Nützliche Links
Allgemeine Tipps zu diesem Thema finden Sie auf der Seite der Schweizerischen Kriminalprävention:
oder auf der Seite der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität KOBIK des Bundes:
Autor(in)
Simon
Gröflin
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