Gesetzesrevision 17.09.2021, 11:30 Uhr

Neues Arbeitsgesetz sorgt bei ICT-Verbänden für Ärger

Die geplante Anpassung des Arbeitsgesetzes soll Führungs- und Fachkräften ein flexibleres Arbeiten ermöglichen. Für ICT-Verbände verfehlt der Vernehmlassungsentwurf das Ziel jedoch komplett. Digitalswitzerland spricht etwa von einer «inakzeptablen Scheinlösung».
(Quelle: Unsplash)
Am 15. September lief die Vernehmlassungsfrist zur Verordnung 2 des Arbeitsgesetzes ab. Die Gesetzesrevision sieht gemäss dem Bund vor, dass Führungs- oder Fachkräfte in bestimmten Dienstleistungsbetrieben nach einem Jahresarbeitszeitmodell arbeiten können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sie ein Bruttojahreseinkommen von mehr als 120’000 Franken oder einen höheren Bildungsabschluss haben und bei ihrer Arbeit über eine grosse Autonomie verfügen und ihre Arbeitszeiten weitgehend selber definieren können. Grundsätzlich soll ihnen also bezüglich der Arbeitszeitregelung mehr Flexibilität und Selbstbestimmung ermöglicht werden.
Die Revision geht auf die im Jahr 2016 eingereichte parlamentarische Initiative «Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes und Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle» des Luzerner Alt-Ständerats Konrad Graber zurück. Wie der Wirtschaftsverband Swico mitteilt, hätte damit die gewünschte und notwendige Flexibilisierung der Arbeitszeit umgesetzt werden sollen – ein Anliegen, das Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden zugutekomme und vom Verband deshalb auch nachdrücklich unterstützt werde. Seit fünf Jahren ist der Vorstoss nun hängig.

ICT-Branche aus der Vorlage gestrichen

Für Kopfschütteln sorgt bei den Verbänden insbesondere die Tatsache, dass der ganze Tech-Sektor aus der Vorlage gestrichen wurde. Es sei «absolut nicht nachvollziehbar, wieso ausgerechnet die ICT-Branche als zentraler Wissensberuf und Treiber der Wirtschaft, von der Verordnungsrevision ausgeschlossen werden soll», schreibt Swico dazu.
Stattdessen soll aus Sicht des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) ein flexibleres Arbeiten nur Betrieben aus den Bereichen Rechts-, Steuer-, Unternehmens-, Management- oder Kommunikationsberatung sowie Wirtschaftsprüfung und Treuhand ermöglicht werden. «Die Streichung der ICT-Branche ist nicht nachvollziehbar und wir wehren uns dagegen, dass diese wichtige Zukunftsbranche aussen vor gelassen wird», echauffiert sich Andreas Kaelin, Deputy Managing Director von Digitalswitzerland.

Zentrale Anliegen nicht erfüllt

Laut Swico erfüllt die Vernehmlassungsvorlage aber auch grundsätzlich zentrale Anliegen der Initiative nicht, «da durch widersprüchliche Regelungen keine echte Selbstbestimmung in der Ausgestaltung der Wochenarbeitszeit über die starre Arbeitszeitanordnung hinaus erreicht werden kann». Einerseits fordern die Verbände nun, dass Arbeitnehmende ihre ausserbetriebliche Arbeitszeit frei auf sieben Tage in der Woche verteilen können, was das freiwillige Arbeiten an einem Sonntag ermöglichen würde. Andererseits soll aus ihrer Sicht auch die vorgeschriebene Ruhezeit von neun Stunden ausserhalb des Betriebs freiwillig unterbrochen werden können.
«Ohne diese Möglichkeit der freiwilligen Unterbrechung findet aber keine wirkliche Modernisierung des Arbeitsrechts statt – die Vorlage wäre derart ausgehöhlt, dass nicht mehr als ein leeres Versprechen bleibt», resümiert man bei Digitalswitzerland. So bezeichnet der Verband den Entwurf letztlich auch als «inakzeptable Scheinlösung, ohne tatsächlichen Beitrag zum flexibleren Arbeiten».

Kritik an den Bund

Die Verbände sparen nicht mit Kritik, Swico nimmt dabei auch den Bund ins Visier. Man regt sich etwa darüber auf, dass bei der Bundesverwaltung in diesem Sommer für über die Hälfte der Lohnklassen eine sogenannte Vertrauensarbeitszeit eingeführt wurde. Beamte könnten laut Angaben des Verbands also selbstbestimmt arbeiten, ohne Arbeitszeiterfassung und ohne Kontrollierbarkeit. Auch würden sich Vorstösse in der aktuellen Herbstsession mit der grundsätzlichen Einführung eines Home-Office-Rechts für Bundesangestellte befassen. Für Swico ist deshalb klar: Der Bund nimmt für sich Privilegien in Anspruch, die er anderen Sektoren der Privatwirtschaft verweigert.
«Wir sind überzeugt, dass selbstbestimmtes Arbeiten in der Bevölkerung ein echtes Bedürfnis ist. Arbeitnehmende und Arbeitgebende erwarten zu Recht, dass sich das Recht den heutigen Realitäten anpasst und dass ihnen attraktive Arbeitszeitmodelle zur Verfügung stehen, die zur Verbesserung von Privat- und Berufsleben beitragen», resümiert der Verband. Abschliessend stellt Swico in Aussicht, dass – ohne Verbesserung bei der Verordnungslösung – der Weg über die Gesetzesrevision wiederaufgenommen wird.



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