Kommentar
05.10.2012, 09:09 Uhr
Zeitversetzte Vorstellungen
Der fehlende Kooperationswille der amerikanischen Unterhaltungsindustrie beim zeitversetzten Fernsehen folgt dem altbekannten Muster: verbieten und klagen statt Lösungen suchen. Ein Kommentar von David Lee.
Die technische Entwicklung bringt es mit sich, dass sich laufend neue, teilweise sehr praktische Möglichkeiten der Mediennutzung und Unterhaltung eröffnen. Bekannte Beispiele sind MP3 und Filesharing, Video on Demand, YouTube, Musikstreaming-Dienste wie Spotify und eben auch das Digitalfernsehen mit Replay-Funktion.
Natürlich eröffnen diese Errungenschaften auch neue Möglichkeiten des Missbrauchs. Für all diese an sich sehr nützlichen Erfindungen müssen deshalb neue Konzepte entworfen und ausprobiert werden. Es ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, Lösungen zu finden, die es sowohl den Nutzern als auch den Urhebern und allen Zwischenstationen recht machen.
Leider aber reagieren die mächtigsten Vertreter der Unterhaltungsindustrie auf neue Herausforderungen reflexartig mit Verhindern und Verbieten, geradezu so, als ob man technische Erfindungen vor Gericht aus der Welt klagen könnte. Dass es für viele Klagen noch gar keine rechtliche Grundlage gibt, scheint mächtige Grosskonzerne mit ihren Heerscharen von findigen Anwälten ebenso wenig zu interessieren wie die Tatsache, dass US-amerikanisches Recht nicht einfach auf den Rest der Welt übertragen werden kann. Denn in der Regel genügt bereits die Androhung von Ärger, um die kleineren Vertragspartner gleich reihenweise einknicken zu lassen.
Der Knatsch um die Replay-Funktion ist nur das jüngste Beispiel einer nicht enden wollenden Schlacht, welche die Unterhaltungsindustrie gegen ihre eigenen Kunden und Verbreitungskanäle führt. Es ist immer dasselbe – das ist das Ärgerliche daran.
Im Fall der Replay-Funktion ist zudem nicht einzusehen, worin überhaupt der Schaden bestehen soll. Schliesslich können Zuschauer seit eh und je TV-Sendungen aufnehmen. Ausserdem besteht eine eng begrenzte zeitliche Limite, es handelt sich somit nicht um eine Onlinevideothek.
Ich hoffe, dass sich die Betroffenen für einmal nicht einschüchtern lassen. Vorauseilender Gehorsam gegenüber den Unterhaltungskonzernen würde ein falsches Signal aussenden.
Autor(in)
David
Lee
05.10.2012
05.10.2012