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18.05.2004, 08:45 Uhr
«Passives Warten allein genügt nicht!»
Ein Interview mit Philipp Kronig, Leiter der Koordinationsstelle Internet-Kriminalität (KOBIK), über Aufgaben, Arbeit und Erfolge der Schweizer «Internetpolizei».
PCtipp: Herr Kronig, bei Internetkriminalität denkt man vor allem an Kinderpornografie. Welche Delikte zählen sonst noch dazu?
Philipp Kronig: Unter den Begriff Internetkriminalität fallen ebenfalls Rassismus, Ehrverletzung, Urheberrechtsverletzung - eigentlich das ganze Strafgesetzbuch.
PCtipp: Auf der KOBIK-Website (www.cybercrime.admin.ch [1]) erwähnen Sie auch "Extremismus" als Form der Internetkriminalität. Was muss man sich darunter vorstellen?
Philipp Kronig: Als "Extremismus" bezeichnen wir etwa Aufrufe zur Gewalt. Ein konkreter Fall: Zwei Jugendbanden hatten miteinander Krach. Die eine fordert deshalb auf ihrer Website dazu auf, den Bürgermeister vom Dorf der anderen "flach zu machen".
PCtipp: Was passierte danach?
Philipp Kronig: Es kam zu einer Verzeigung und anschliessend zu einer Einvernahme und einem Strafbescheid. An das genaue Strafmass erinnere ich mich nicht mehr. Jugendliche müssen bei solchen Delikten aber mit Strafen wie Sozialarbeiten rechnen.
PCtipp: Worin bestehen die Hauptaufgaben der KOBIK?
Philipp Kronig: Die Arbeit der KOBIK lässt sich in drei Aufgabenbereiche teilen. Der erste umfasst das Führen einer Meldestelle. Unter www.cybercrime.admin.ch kann uns jeder über verdächtige Internetinhalte informieren. Wir überprüfen anschliessend, ob die Meldung einen Bezug zur Schweiz hat. Ausserdem findet eine juristische Prüfung statt. Der Inhalt wird auf seine strafrechtliche Relevanz hin analysiert. Ist diese gegeben, leiten wir die Informationen an die Ermittlungsbehörden des entsprechenden Kantons weiter. Wir selbst sind nicht als Ermittler tätig.
PCtipp: Was geschieht mit Hinweisen, die keinen Schweizer Bezug haben?
Philipp Kronig: Diese leiten wir nach einer kurzen Vorabklärung an die Untersuchungsbehörden des jeweiligen Landes weiter.
PCtipp: Welches sind neben dem Abarbeiten der Meldungen die weiteren Aufgaben?
Philipp Kronig: Passives Warten allein genügt nicht. Wir suchen deshalb auch aktiv nach strafbaren Internetinhalten. Dabei beschränken wir uns auf die Schweiz. Diese Tätigkeit nennt sich "Monitoring". So werden regelmässig die Schweizer Webserver nach Kinderpornografie durchforstet. Dank technischer Hilfsmittel läuft dieser Vorgang automatisch ab und ist jeweils schnell erledigt. Kinderpornografisches Material auf Schweizer Websites ist ausserdem sehr gering. Ergiebiger sind Tauschbörsen, Newsgroups und Chat-Räume. Ihre Kontrolle erfordert einen grösseren Arbeitsaufwand.
Ein weiterer Bereich ist die Analyse. Mit ihr versuchen wir Trends in der Internetkriminalität zu erkennen.
PCtipp: Die KOBIK existiert seit Anfang 2003. Hat die Analyse für die letzten eineinhalb Jahre schon gewisse Trends ergeben?
Philipp Kronig: Es wäre übertrieben zu behaupten, dass wir bereits Tendenzen erkennen. Wir stellen aber fest, dass uns immer wieder Betrügereien gemeldet werden. Sehr häufig sind beispielsweise Betrugsversuche im Online-Auktionsbereich.
PCtipp: Zu welchem Bereich der Internetkriminalität treffen die meisten Meldungen ein?
Philipp Kronig: Pornografie macht fast die Hälfte aus. Dabei ist der Anteil an harter Pornografie höher. Im letzten Jahr lag er bei über einem Viertel aller Meldungen. Die Leute können also durchaus unterscheiden. Sie überlegen sich, was sie melden. Anders als anfangs befürchtet, hält sich auch der Prozentsatz an Jux-Meldungen in Grenzen.
PCtipp: Wo setzt eigentlich die KOBIK den Schwerpunkt?
Philipp Kronig: Wir verstehen uns als Dienstleistungsbetrieb. Wo wir tätig sein sollen, bestimmen unsere Kunden, das heisst die 25 Kantone, die uns unterstützen. Schwerpunkt des letzten Jahres war die Kinderpornografie.
PCtipp: In letzter Zeit grassieren auffallend viele Computerviren. Jüngstes Beispiel ist der Sasser-Wurm. Hat sich dies auch auf die Meldungen ausgewirkt?
Philipp Kronig: Aktuelle Ereignisse schlagen sich nieder. So trafen letztes Jahr viele Meldungen wegen Spam ein. Man merkt, dass die Leute genug von unerwünschten Massenmails haben. Bei Viren liegt die Sache ein wenig anders. Hier kommt der Input nicht unbedingt von der Bevölkerung, sondern von Behörden aus dem Ausland, mit denen wir in Kontakt stehen.
PCtipp: Wie muss man sich den Alltag eines KOBIK-Beamten vorstellen?
Philipp Kronig: Dies ist schon mal eine falsche Frage. Bei uns gibt es keine Beamten. Wir gehen von der Angestellten-Idee aus und verstehen und als Dienstleistungsunternehmen. Sind die Kantone nicht zufrieden, würde es die KOBIK bald nicht mehr geben. Dieser Leistungsdruck wirkt sich aber auch positiv aus.
PCtipp: Gut. Wie sieht der Arbeitstag eines KOBIK-Angestellten aus?
Philipp Kronig: Den typischen KOBIK-Alltag gibt es nicht. Bei uns sind acht Personen angestellt, die in drei unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Die Arbeitsweise ergibt sich aus dem Zuständigkeitsbereich.
PCtipp: Absolvieren die KOBIK-Mitarbeiter für ihre Tätigkeit eine spezielle Ausbildung?
PCtipp: Hat sich die Gründung der Koordinationsstelle gelohnt?
Philipp Kronig: Ich bin mit dem Ergebnis des ersten Jahres sehr zufrieden. Das Meldeaufkommen hat unsere Erwartungen übertroffen. Bislang sind rund 9000 Meldungen bei uns eingegangen. Wir konnten die Hinweise ohne grösseren Verzug abarbeiten und hatten auch Zeit für die aktive Suche. Im ersten Jahr haben wir rund 100 Dossiers weitergeleitet. 98 Prozent davon führten zu einem Verfahren oder Ermittlungshandlungen.
PCtipp: Entstanden alle Dossiers aus Hinweisen der Bevölkerung?
Philipp Kronig: Nein. 25 der Dossiers gingen aus Meldungen hervor, die über unsere Website eintrafen. Die restlichen 75 wurden durch aktives Suchen generiert.
PCtipp: Herr Kronig. Danke für das interessante Gespräch.
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