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31.03.2004, 13:45 Uhr
Musikindustrie nimmt europäische Tauschbörsennutzer ins Visier
Nachdem die Unterhaltungsindustrie in den USA scharf gegen File-Sharing-Anwender vorgegangen ist, soll es jetzt auch europäischen Nutzern an den Kragen gehen. In drei Ländern wurden bereits hunderte von Klagen eingereicht. Für die Schweiz ist ähnliches vorgesehen.
Letzten Sommer begann die Musikindustrie mit einer Klagewelle gegen US- Tauschbörsennutzer [1]. Sie ging dabei äusserst hart vor und verschonte selbst Kinder nicht. Bekannt wurde etwa ein Fall, bei dem sogar ein zwölfjähriges Mädchen Post von dem US-Musikindustrieverband RIAA bekam [2]. Diese Taktik zahlte sich aus. Gemäss verschiedenen Marktforschern nahm in den USA die Nutzerzahl von Tauschbörsen wie Kazaa nach dieser Aktion stark ab. Die gleiche Einschüchterungstaktik wendet der Phonoverband IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) [3] gemeinsam mit lokalen Musikindustrieverbänden nun auch in Europa an. Gestern wurden in Dänemark, Deutschland und Italien 218 Strafanzeigen gegen Privatanwender eingereicht. In den kommenden Monaten seien weitere Klagen in verschiedenen Ländern geplant.
Laut IFPI-Chef Jay Berman sollte diesen Schritt niemanden überraschen. Die Musikindustrie habe die Anwender während dem letzten Jahr über den wirtschaftlichen Schaden von Tauschbörsen, die rechtliche Situation und legale Alternativen unterrichtet. "Heute machen wir klar, dass wir bereit sind, das Gesetz durchzusetzen. Wir werden gegen die Leute vorgehen, die es brechen, indem sie hunderte von Musikdateien ins Internet hochladen […] Dass will heissen, Personen die weiterhin Musikschaffende abzocken, setzen sich dem realen Risiko aus, verklagt oder belangt zu werden", so Jay Bermans nicht gerade unzimperlichen Worte.
Ins gleiche Horn stösst auch Peter Vosseler, Geschäftsführer von IFPI Schweiz: "Nachdem trotz teilweiser Erfolge bei der Bekämpfung der Internetpiraterie die Verkäufe von Tonträgern im Jahr 2003 schweizweit um rund 15 Prozent zurückgegangen sind, führt kein Weg mehr daran vorbei, die Zügel künftig enger zu führen". Wer weiterhin unautorisiert Musikdateien über File-Sharing-Netzwerke hoch- oder herunterlade, müsse sich bewusst sein, dass dies rechtliche Konsequenzen habe könne, droht Peter Vosseler. Laut IFPI Schweiz müssen Musikpiraten mit einer Busse bis 100'000 Franken und Gefängnis rechnen.
Hierzulande ist die rechtliche Situation jedoch nicht so eindeutig wie in den USA und anderen europäischen Ländern. Deshalb bleibt fraglich, ob sich für die IFPI Schweiz pauschale Klagen gegen Tauschbörsennutzer lohnen würden. Vermutlich spielt hier die Taktik der Einschüchterung eine viel grössere Rolle. In der Schweiz ist nämlich nur das unautorisierte Anbieten von Musikdateien eindeutig strafbar. Über das Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Inhalten herrscht unter den Juristen noch Uneinigkeit. Genauere Infos zur rechtlichen Situation von Tauschbörsen finden Sie im PCtipp-Artikel "Lieber nehmen als geben" [4].
Unklar ist ebenfalls, ob Tauschbörsen wirklich für die Umsatzrückgänge der Unterhaltungsindustrie verantwortlich sind. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Forschern der renommierten Harvard University und der University of North Carolina kam zu einem anderen Ergebnis [5]. Die Wissenschaftler untersuchten während 17 Wochen die Downloads von Musikdateien von insgesamt 680 Alben und verglichen diese mit den Verkaufszahlen der CDs. Dabei gelangten sie zu dem Schluss, dass die Downloads nur einen unbedeutenden Einfluss auf den Absatz der Alben hatten.
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