News 23.12.2013, 05:00 Uhr

Jahresrückblick 2013: April

Im April fühlten wir uns noch verpflichtet, die Privatsphäre zu verteidigen. Das war kurz bevor man uns die rosa Brille abnahm.
Im April glaubten wir zum letzten Mal an den Mythos der intakten Privatsphäre: Wenn unsere Kennwörter lang genug sind, wird uns schon niemand belauschen – so die Überlegung. Im Nachhinein fühlten wir uns jedoch so über den Tisch gezogen und veralbert, als hätte man uns ein gefälschtes Einhorn angedreht. Doch der Reihe nach.
Achtung, das ist eine miese Fälschung! Echte Einhörner weiden nur auf dem Apple-Campus!

Die Ruhe vor dem Sturm

Anfangs April wehrt sich Google gegen die Datenherausgabe an das FBI. Das Federal Bureau of Investigation stützt sich auf einen «National Security Letter», der die Herausgabe legitimieren soll – obwohl genau diese Praxis von einem US-Gericht als verfassungswidrig bezeichnet wurde. Kurzfassung: Richter und FBI haben (noch) keinen Plan, was hinter ihrem Rücken geschieht.
Derweil wird auch in der guten Stube um die Privatsphäre gerungen. Noch vor der offiziellen Vorstellung der neuen Xbox One macht das Gerücht die Runde, dass die Konsole ständig online sein muss. Schlimmer noch: Die zweite Generation der Kinect-Kamera ist nicht nur dauerhaft aktiviert, sondern auch Voraussetzung, damit die Konsole überhaupt läuft. Später stellt sich heraus, dass diese Gerüchte wahr sind. Die Heftigkeit des Shitstorms, der über Microsoft hereinbricht, lässt den Konzern in affenartiger Geschwindigkeit zurückrudern: Alles, was mit DRM-Gängelung und einer potenziellen Verletzung der Privatsphäre zu tun hat, wird gestrichen.

Digitales Vermächtnis

Wenn die letzte Stunde schlägt, möchte man wissen, dass die persönlichen Daten in die richtigen Hände kommen  – oder nie mehr auftauchen. (Das hängt ein wenig davon an, was man zu Lebzeiten getrieben hat.) Um diese delikate Aufgabe kümmert sich seit April der «Kontoinaktivitäts-Manager» von Google. Mit seiner Hilfe lässt sich definieren, wer nach einer bestimmten Zeit der Inaktivität den Zugriff auf das Google-Konto erhält – oder ob es still und heimlich gelöscht werden soll.
Mein letzter Wille …

Ungeliebte Technik-Giganten

Und überhaupt: Der April 2013 entpuppt sich als Nemesis für Branchengrössen, die am Publikum vorbeiplanen. Das spürt auch Facebook, das mit «Facebook Home» eine spektakuläre Bauchlandung hinlegt. Die App sollte den Home-Bildschirm des Android-Smartphones kapern und dem Benutzer stets vor Augen führen, was sich gerade im virtuellen Freundeskreis abspielt. Nach weniger als zwei Wochen steht fest: Das neue Konzept floppt, die Kaperung ist fehlgeschlagen.
Auch Microsofts erfährt nur wenig Liebe, wenn es um die Windows-RT-Tablets geht. Nach sechs Monaten auf dem Markt wird klar, dass sich sogar Silberkugeln gegen Werwölfe besser verkaufen als diese Mobilgeräte, die das iPad in die Schranken weisen sollten. Im April fallen die Preise radikal, gebracht hat es bis heute so gut wie nichts.
Tablets? Nein danke, haben wir schon!
Und dann ist da noch Dauerverlierer Blackberry: Unser Test bescheinigt dem Gerät viel Potenzial, doch die Verkäufe bleiben unterirdisch.
Vielleicht verkaufen sich die Geräte deshalb so schleppend, weil wir uns wieder auf die wahren Werte besinnen und mehr Zeit miteinander verbringen? Unsere Internet-Gesellschaft verlernt nämlich das Kuscheln – das steht zumindest in unserer Buchvorstellung Der unberührte Mensch. Zwanzig Minuten pro Tag sollen das Minimum an Körperkontakt sein, damit wir nicht verkümmern. Schön wär’s – stattdessen geht unsere Gesellschaft den Bach runter, weil wir sogar auf dem Weg zur Arbeit nur noch ins Smartphone starren, statt miteinander zu sprechen. Schöne, neue Welt!
Soziopathen auf dem Weg zur Arbeit



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