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22.06.2015, 08:13 Uhr
Die Tricks der Callcenter
Unerbetene Werbeanrufe sind ein wachsendes Ärgernis. Wir kennen die Tricks der Branche und wissen, was Sie dagegen tun können.
Per 1. Juli will das Bundesamt für Kommunikation den Konsumentenschutz in der Telekommunikation verbessern. Betroffen von der Änderung sind primär kostenpflichtige Anrufe im Erotik- oder Esoterikbereich, die mit den Ziffern 090 beginnen. Ab dann müssen die Preise für den Dienst klar und eindeutig angegeben sein. Ein anderes Problem lässt die Behörden und Konsumentenschützer aber nach wie vor ratlos zurück: die Missachtung des Sterneintrags. Die Ausgangslage ist klar: Ein Stern vor einer Telefonnummer heisst «keine Werbeanrufe». Unternehmen, die sich darüber hinwegsetzen, können angeklagt werden. Trotzdem nehmen die Beschwerden wegen Nichtbeachtung des Sterneintrags wieder zu. Und zwar massiv. Allein 11'500 Beschwerden zählte das Seco im Jahr 2014. Der Grund: Die anrufenden Callcenter haben sich ins Ausland verlagert und fühlen sich dort sicher vor dem Arm der schweizerischen Justiz.
Diese bleibt jedoch nicht untätig. In 24 Fällen kam es letztes Jahr zu einer Verurteilung. Auch gelang es dem Seco mit nur 34 Interventionen, 60 Prozent der beim Seco eingegangenen Beschwerden abzudecken. Doch es gibt auch Fälle, die eingestellt oder sistiert wurden. Doch, warum?
Ein gewichtiger Grund ist das sogenannte «Spoofing»: die Verwendung einer fremden oder ungültigen Telefonnummer als Anrufer, aber auch die Weitergabe von Schweizer Rufnummern ins Ausland. Die Rückverfolgung in der Praxis ist dem Bakom hierbei nur im Inland möglich, weil die Täter oftmals vom Ausland mit einer Schweizer Nummer anrufen.
Callcenter agieren vom Ausland
Das zurzeit geltende Fernmeldegesetz setzt für die Zuordnung von 10'000er-Blöcken mit Schweizer Nummern an einen Fernmeldedienstanbieter nicht zwingend einen Sitz in der Schweiz voraus. Will ein Unternehmen im Ausland für die Schweiz einen Fernmeldedienst anbieten, reicht laut Seco-Jurist Philippe Barman als gesetzliche Grundlage die Angabe einer Postadresse. Noch verzwickter: Die weiteren Ermittlungen ergaben in Fällen von Staatsanwaltschaften, dass zum Teil Rufnummern an Agenturen in den USA, Grossbritannien und Irland weitergegeben wurden, die von dort aus wieder an Firmen in Serbien und Bosnien weiterverkauft worden seien. Um in solchen Fällen an die Täterschaft zu gelangen, hätte man ein internationales Rechtshilfegesuch bei den jeweiligen Behörden in der jeweiligen Amtssprache einleiten müssen. Weil dies den Aufwand der Schweizer Strafverfolgungsbehörden im Verhältnis zur Schwere der Straftat überschreitet, kommt es offensichtlich nicht selten zu Sistierungen seitens der Staatsanwaltschaften.
Doch wie kommen Callcenter an Nummern, die nicht im Telefonbuch eingetragen sind? Meist seien es Einwahlcomputer, die einmal kurz anrufen, sagt Markus König vom Bakom. Zum Verhängnis werden solche automatisierten Anrufversuche auch je länger je mehr den Handy-Nutzern. Nimmt jemand den Anruf entgegen, hat ein solches Callcenter die Nummer auf sicher. Im Grunde genommen stehe es jedem Anbieter wie etwa der Swisscom offen, Anrufer aus dem Ausland zu blockieren, aber es bestehe immer die Gefahr einer «Einschränkung der freien Kommunikation», sagen die Bakom-Sprecher.
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Machtlosigkeit und Hoffnung auf Besserung
Zwar kündigte das Bakom an, auf Ende Jahr eine Vernehmlassungsvorlage für die Revision des Fernmeldegesetzes vorzubereiten. Die Umsetzung revidierter Schutzvorschriften kann aber noch bis 2016/2017 dauern. «Wenn wir neue Schutzvorschriften konzipieren und einführen, muss man aufgrund beschränkter Ressourcen des Bundes ein wenig Verständnis zeigen, wenn die Umsetzung etwas länger als erwartet dauert», betont Bakom-Direktor Philipp Metzger. Zur Debatte stehen etwa ein Widerrufsrecht für Verträge, die am Telefon abgeschlossen werden. Im Rahmen der Revision des Fernmeldegesetzes sollen künftig die Identitäten anonym anrufender Werbeunternehmen erfragt werden dürfen. Dies ändert jedoch nichts an der Problematik der Weitergabe von Rufnummern ins Ausland. Callcenter müssten demnach über eine im Telefonverzeichnis angegebene Nummer identifiziert werden können.
Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) hat Ende März die Festnetzanbieter UPC Cablecom, Sunrise und Swisscom aufgefordert, Vorschläge für Massnahmen zum Schutz vor Werbeanrufen zu erarbeiten, da es z.B. schon kleinere regionale Provider gibt, die Rufnummern sperren. Doch sei «die Eigenverantwortung des Konsumenten eben schon auch wichtig», sagt Metzger. Primär will man im Inland mit den Mehrwertdienstverbänden nun das Gespräch suchen, bevor man zu einer «Artillerie an neuen Methoden» greift. Die SKS will nach den Sommerferien einen runden Tisch einberufen. Sara Stalder, die Geschäftsführerin der SKS, sagt dazu: «Wenn viele Akteure in ein Thema involviert sind, braucht es vor allem sehr viel mehr Zeit und es entwickelt sich langsam.» Man sei aber «guten Mutes», dass Gesprächsbereitschaft von allen Seiten vorhanden sein wird, um brennende Themen an diesem runden Tisch mit allen Beteiligten zu erörtern, sagt uns die Konsumentenschützerin auf Anfrage.
Auf der nächsten Seite haben wir nützliche Tipps und Links zu Werbeanrufen zusammengestellt
So schützen Sie sich vor Werbeanrufen
So schützen Sie sich vor Werbeanrufen
Im Folgenden haben wir Ihnen die besten Ratschläge zusammengefasst, die es im Umgang mit Telefonmarketing zu beachten gilt.
Vorsicht vor unbekannten Rufnummern: Viele neuere Telefongeräte und Handys bieten Funktionen, um unerwünschte Anrufe zu blockieren. Da aber Callcenter ständig Rufnummern wechseln, wimmeln Sie dadurch nicht immer alle unerwünschten Anrufe ab. Somit sollten Sie immer auf der Hut sein, wenn eine unbekannte Nummer auf Ihrem Display erscheint. Nehmen Sie beim ersten Mal besser nicht ab. Sonst hat vielleicht ein Einwahlcomputer, der systematisch Nummern durchprobiert, schon den ersten Treffer gelandet und leitet die Nummer an ein Callcenter weiter. Laut Schätzungen des Bakoms erzielen solche ausgeklügelten Einwahlcomputer schnell eine Trefferquote von 50 Prozent. Gehen Sie zudem sparsam um mit Adress- und Telefonangaben, indem Sie z.B. Wettbewerbe im Internet meiden.
Keine persönliche Informationen angeben: Wenn Sie regelmässig von Telefonmarketingfirmen angerufen werden, beantworten Sie keine Fragen. Halten Sie sich kurz und sagen Sie einfach, dass Sie kein Interesse haben. Wenn Sie interessiert sind, fragen Sie nach, ob man Ihnen Unterlagen nach Hause schicken kann. So geben Sie keine persönlichen Informationen preis.
Bei Werbeanrufen trotz Sterneintrags kann man (seit April 2012) von einer unlauteren Geschäftspraktik sprechen. Dies ist strafbar. Fragen Sie den Anrufer nach dem Namen, der Adresse und der Rückrufnummer des Unternehmens. Beschwerden wegen Werbeanrufe trotz Sterneintrags können Sie direkt dem Seco melden. Das Seco kann Strafantrag bei der zuständigen Staatsanwaltschaft einreichen. Unerbetene Werbeanrufe auf Nummern ohne Sterneintrag (auch Handy-Nummern) sind leider nicht strafbar. Was Sie dagegen tun können: Verlangen Sie entweder von Ihrem Telefonanbieter, dass Ihre Rufnummer mit einem Sterneintrag versehen wird oder lassen Sie sich die Nummer (ohne Telefonbucheintrag) auf der Telefonsperrliste des Schweizer Dialogmarketing Verbands (SDV) eintragen.
Bei missbräuchlicher Preselection: Wurde Ihnen oder einem Verwandten ein sogenannter Preselection-Anbieter aufgeschwatzt, ohne es realisiert zu haben, können Sie jederzeit die Gratisnummer 0868 868 868 wählen, um den Status Ihres Anschlusses zu überprüfen. Verlangen Sie innert 10 Arbeitstagen einen schriftlichen Vertrag. Der Anbieter muss diesen Erweis innert 10 Tagen erbringen, sonst können Sie den Fall schriftlich dem Bakom melden. Das Bakom kann dann rechtliche Aufsichtsmassnahmen prüfen.
Zuständigkeiten: Das Bakom hat die Aufsicht über die Anbieter von Fernmeldediensten, unter anderem auch bezüglich Fragen der Nummerierung und Adressierung, und arbeitet vor allem mit der Telko-Schlichtungsstelle Ombudscom zusammen. Das Seco dagegen behandelt rechtliche Fragen bei unlauteren Geschäftspraktiken und Preisbekanntgaben.
Nützliche Links
Weitere Tipps und nützliche Adressen vom Seco finden Sie in dieser Publikation:
Das Bakom hat inzwischen aktualisierte Unterlagen zum neuen 09x-Rufnummerngesetz und weitere Tipp-Broschüren zusammengestellt, die man gratis bestellen kann:
Autor(in)
Simon
Gröflin
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