Brauchen wir bald ausländische IT-Lehrlinge?

Interview mit Jörg Aebischer und IT-Firmen

Zu viele gute Lehrlinge im Gymnasium

Mit Sicherheit würde man viele gute IT-Lehrlinge leider eher im Gymnasium suchen, meint Aebischer weiter.
Daher überlege man sich zurzeit sogar eine neue dreijährige Grundbildung für Bewerber, die den hohen intellektuellen Anforderungen nicht oder noch nicht gerecht werden. Man vertrete seitens ICT Schweiz die Ansicht, viele junge Berufsleute, deren kognitive Fähigkeiten sich steigern, sollen auch eine Chance haben. Es könne nicht angehen, dass ein einmalig schlechter Schulabschluss quasi als Stempel auferlegt werde. Viele junge Berufsleute sind willig, sich ständig weiterzubilden. Ähnlich wie Berufserfahrung sei Intellekt ebenso eine erweiterbare Fähigkeit. Einigen wenigen Lehrbetrieben mit schlecht besetzten Ausbildungsplätzen der Informatik mangle es eher daran, dass die Qualifikationsansprüche in vielerlei Hinsicht zu hoch seien, was rückblickend wiederum oft erkennbar sei, so Aebischer. 

Falscher Ansatz?

Fehlendes Lehrpersonal mit einem Import ausländischer Lehrlinge zu entgegnen, hält der Chef der ICT-Berufsbildung Schweiz, ähnlich wie Stamm, für gleichermassen verwerflich. Eine solche Lösung wäre schon vom Ansatz her unrealistisch. Potenzial und Chancen hätten zwar 15-/16-Jährige. Somit stünde diese jüngere Zielgruppe an Fachkräften nach wie vor unter elterlicher Obhut. Mindestens für einen Elternteil müsste aufgrund der Minderjährigkeit in der Schweiz eine Unterkunft mit Arbeitsplatz gewährt sein. Es fragt sich ausserdem, wie viele ausländische Lehrlinge denn eine solche Bereitschaft aufbringen würden. Aebischer folgert ein ähnliches Fazit wie Frau Stamm: Man müsse eher in den entsprechenden Ländern ansetzen und dort Hilfe beim Ausbildungssystem vermitteln.  

Was meinen unsere IT-Firmen?

HP Schweiz etwa meint, dass die Lehrstellen jedes Jahr gut besetzt werden konnten und habe sogar keine Mühe, die Stellen mit qualifizierten Kandidaten zu besetzen. «Da wir bisher nie Probleme hatten, unsere Lehrstellen mit Kandidaten aus dem Inland zu besetzen, stellt sich diese Frage für uns gar nicht. Wenn wir unsere Lehrstellen nicht mit inländischen Bewerbern besetzen könnten, könnten wir uns als internationale Firma auch vorstellen, Lehrlinge aus dem Ausland einzustellen. Diese müssten aber dasselbe Bewerbungsverfahren durchlaufen wie die inländischen Bewerber und dieselben Kriterien erfüllen», meinte HP auf Anfrage.
IBM Schweiz berichtet, man könne seit Jahren alle offenen IT-Lehrstellen problemlos besetzen. Momentan seien es sogar 50 IT-Lernende. Somit stelle sich die Frage nach einem Bedarf von ausländischen Lehrlingen erst gar nicht, gab uns Susan Orozco, Mediensprecherin von IBM Schweiz, zu verstehen.
Bei Orange gingen wir zunächst von einer falschen Annahme aus. Tatsächlich beschäftigt Orange (schon seit Jahren) eher kaufmännische Lernende und angehende Detailhandelsfachleute. Jedoch sei auch in diesem Sektor keine spürbare Tendenz fehlender Lehrlinge zu verzeichnen. 

Autor(in) Simon Gröflin



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