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23.08.2018, 10:39 Uhr
Drucken statt shoppen: Revolutionieren 3D-Drucker die Modewelt?
Kleidung aus dem 3D-Drucker ist aktuell noch sehr aufwendig und teuer in der Produktion. Wird sich das in naher Zukunft ändern, sodass wir unsere Kleidung bald selbst ausdrucken?
Inzwischen lässt sich nahezu alles via 3D-Druckverfahren herstellen - von ganzen Häusern über Lebensmittel (wir berichteten) bis zu höchst umstrittenen Schusswaffen. Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis auch die Modeindustrie die Potenziale dieser Technologie erkannte. Die Ergebnisse einiger avantgardistischer Designer sind zwar in optischer Hinsicht spektakulär, doch verglichen mit modischer Alltagskleidung kaum strassentauglich. Die eigentliche Revolution für die Branche könnten jedoch weniger das fertige Kleid, als innovative Materialien aus dem 3D-Drucker einläuten.
Erste 3D-Druck-Kleidung bereits seit 2010
Einen Vorstoss mit 3D-gedruckter Mode wagte die niederländische Designerin Iris van Herpen bereits im Jahr 2010. Zusammen mit dem Architekten Daniel Widrig entwarf sie ein 3D-gedrucktes Top namens Crystallization, dessen Strukturen an Wellenbewegungen oder Muscheln erinnern. Seitdem gilt van Herpen als Pionierin von 3D-gedruckter Mode, mit der sie bei internationalen Fashion-Shows regelmässig für Aufsehen sorgt.
Im Alltag ist diese Haute-Couture-Mode allerdings kaum bis gar nicht tragbar, was zum einen an ihrer Komplexität und zum anderen an den noch sehr kostspieligen Herstellungsverfahren liegt: Zur Herstellung solcher Stücke sind hochkomplexe Industrie-3D-Drucker notwendig. Zudem sind Know-how und ein starkes räumliches Denkvermögen bei der Konzeption gefragt - nicht umsonst entstehen die Kollektionen häufig in Zusammenarbeit mit Architekten. Dank schier grenzenloser dreidimensionaler Gestaltungsmöglichkeiten schlägt die spektakuläre Ästhetik solcher Mode langsam, aber sicher hohe Wellen in der Branche.
Auch die österreichische Designerin Julia Körner erklärte in einem Interview mit LEAD-Digital, dass vieler ihrer 3D-Druck-Werke bisher eher als "Kunstobjekte" rezipiert werden und zum Beispiel im Metropolitan Museum in New York gezeigt wurden. Zuletzt war eines ihrer Stücke auch im Hollywood-Blockbuster "Black Panther" zu bestaunen. Spektakulär - aber auch "ready to wear?", wie man in Modekreisen fragen würde. Eher nicht.
Komplizierte und lange Herstellungsverfahren verhindern noch den Zugang zum Massenmarkt
Für ihre Stücke arbeitet Körner sehr viel mit dem Verfahren "SLS" (Selective Laser Sinthering). Dabei wird ein 3D-File an einen Drucker geschickt, der in einer Pulverbox via Laser Schicht für Schicht des Pulvers miteinander verschmelzen lässt. Hinterher ist eine umfangreiche Nachbearbeitung notwendig: Das fertige 3D-Teil muss freigelegt, gefärbt und gegebenenfalls noch mit weiteren Teilen kombiniert werden. Die fertigen Teile bestehen dementsprechend komplett aus Kunststoff.
Wie aufwendig solche und ähnliche Herstellungsverfahren sind, erklärt die israelische Modedesignerin Danit Peleg dem SRF: Ein einziges Kleid aus ihrer ersten Kollektion hatte eine Produktionsdauer von 300 Stunden. Inzwischen konnte sie die Zeit auf 100 Stunden pro Kleid verringern - immer noch erheblich mehr als für ein herkömmliches Baumwollkleid notwendig wäre. Daher dürfte die 3D-gedruckte Mode klassischer Kleidung so schnell noch nicht den Rang ablaufen.
Kleidung zum Selberdrucken: Mehr als nur Science-Fiction?
Hinzu kommt, dass 3D-Drucker in privaten Haushalten weiter verbreitet sein müssten. Zudem müssten diese Geräte in der Lage sein, die zum Teil grossflächigen Kleidungsstücke herzustellen, und zu guter Letzt stellt sich noch die Frage nach den richtigen Vertriebswegen. Die Designerin Danit Peleg, so fasst der SRF zusammen, könnte sich vorstellen, in Zukunft nur noch CAD-Dateien über das Netz zu verkaufen.
Kunden mit kompatiblem 3D-Drucker könnten dann selbst Farbe und Material bestimmen und sich ihre Kleidung selbst drucken. Gegen Piraterie, also das unerlaubte Mehrfachdrucken, hat sie auch schon einen Plan: Ein Code soll den Druck limitieren. Auch einer Überproduktion beugt man mit einem solchen System vor: Gefertigt wird nur auf Anfrage. Die junge Designerin hegt die Hoffnung, in Zukunft auf mehr Materialien als Kunststoff zurückgreifen zu können, die zudem umweltverträglicher sind. Auf diesem Gebiet sei bereits einiges passiert und weitere Entwicklungen stehen keinesfalls still.
Einen mittelfristigen Durchbruch von 3D-Druckverfahren in der Modebranche könnten daher weniger die atemberaubenden, aber bisher wenig massentauglichen Designs, als vielmehr innovative Materialien und deren Eigenschaften bringen.
Innovative Materialien aus dem 3D-Drucker versprechen Kühlungseffekt
Denn auch Fasern zur Weiterverarbeitung lassen sich inzwischen 3D-drucken: So haben Forscher der Universität Maryland beispielsweise einen temperaturregulierenden Stoff entwickelt, der mittels 3D-Druckverfahren hergestellt werden kann und der einen um 55 Prozent stärkeren Kühlungseffekt als Baumwolle bietet. Das Material besteht unter anderem aus dem Nanofaser-Verbundwerkstoff Bornitrid und zeichnet sich durch eine hohe thermische Leitfähigkeit aus. Dadurch kann Körperwärme etwa doppelt so gut durch den Stoff entweichen als es bei Baumwolle der Fall wäre.
Der Leiter der Studie, Liangbing Hu, sieht den Vorteil zum Beispiel darin, in Büroräumen Energie einsparen zu können. Die kühlende Kleidung würde damit eine Alternative zu stromfressenden Klimaanlangen darstellen. Die Berufskleidung der Zukunft? Vielleicht. Potenziale für Kleidung aus diesem Material ergeben sich aber überall auf dem Globus, wo das Klima heiss ist.
Ob wir uns in Zukunft tatsächlich nur noch Dateien aus dem Netz herunterladen und unsere Kleidung damit selbst ausdrucken, bleibt abzuwarten. Fast sicher aber scheint, dass künftig auch abseits der Haute-Couture-Laufstege 3D-Druckverfahren in der Modebranche relevanter werden. Wenn nicht mit alltagstauglichen Designs oder Mustern für den Massenmarkt zum Selberdrucken, dann vielleicht mit "Wunderfasern" aus dem 3D-Drucker.
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