Tests 19.05.2015, 07:48 Uhr

Test: Apple Watch

Apples Smartwatch ist gut, aber nicht die grosse Revolution. Das schöne Design kann nicht komplett über die frustrierende Bedienung hinwegtäuschen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei unserer Schwesterzeitschrift Macworld.com.
Ich mag meine Apple Watch wirklich, auch wenn sie mich in den Wahnsinn treibt. Sie ist so langsam und die Navigation kann ganz schön verwirrend sein. Ich mag es, die Uhr zu tragen, obwohl ich mich immer noch nicht sicher bin, ob ich sie überhaupt jeden Tag tragen will. Nach gut einer Woche hat sie meine Welt jedenfalls noch nicht auf den Kopf gestellt. In einer Welt voll mit PCs, Smartphones, Tablets und Zubehör müssen wir unsere Einkäufe limitieren und 350 US-Dollar für ein Gadget sind nicht gerade wenig. Die Apple Watch wird daher für viele kein Thema sein.

Design

Kein Grund, auf eine Apple Watch zu verzichten, ist das Design. Die Apple Watch ist ein formschönes Gerät. Weniger dominant am Arm wie einige grosse Android-Modelle oder die Pebble-Uhr. Trotz ihrer Dicke von 10,5 Millimetern wirkt die Uhr nicht sperrig. Ich trage die 38-mm-Version mit dem Milanese-Band. Das Metallband ist sehr bequem, stufenlos verstellbar und passt zu jedem Outfit. Der Magnetverschluss hält die Uhr sicher an meinem Handgelenk. In dieser Konfiguration wiegt die Uhr rund 73 Gramm. Die Apple Watch Sport mit Kunststoffband ist noch etwas leichter und wiegt etwa 67 Gramm.
Das Design ist ganz klar eine Stärke der Apple Watch
Laut Apple ist die Uhr wasserdicht nach dem Standard IPX7. Die Uhr kann also während dem Training, beim Händewaschen oder im Regen problemlos getragen werden. Theoretisch übersteht die Uhr 30 Minuten in einer Wassertiefe bis zu einem Meter.
Die Akkulaufzeit war bisher ausgezeichnet. An einem normalen Tag (von 7 bis 24 Uhr) reicht der Akku problemlos und es verbleiben rund 20 Prozent Ladung übrig. Etwas knapper wird es, wenn die Fitness-App verwendet wird. Wenn Sie also täglich trainieren, kann die Uhr auch schon vor dem Schlafengehen schlappmachen.
So oder so fühlt sich die Apple Watch wie ein High-End-Produkt an, was kaum jemanden überraschen wird. Aber schön sein alleine reicht nicht als Rechtfertigung für eine Ausgabe von Hunderten von Franken. Auch nicht für ein weiteres Gerät, das man täglich aufladen muss. Die Uhr muss auch nützlich sein.

Nutzen

Die Apple Watch will den Nutzer nicht in ihren Bann ziehen. Vielmehr will die Uhr von Zeit zu Zeit und nur kurz verwendet werden. Nur schon der Armmuskulatur zuliebe. Ich habe die Uhr beispielsweise benutzt, um eine Pizza zu bestellen, jemandem kurz zu sagen, dass ich mich verspäte und um herauszufinden, wann die Bibliothek öffnet. Was ich mit der Uhr nicht gemacht habe, ist, mich länger mit Freunden zu unterhalten.
Die Uhr ist praktisch, um kurz auf die Wetterprognose zu schielen, eingehende Mails zu kontrollieren oder Benachrichtigungen vom Smartphone zu lesen. Viel mehr als lesen kann man die Benachrichtigungen sowieso nicht. Dank Handoff kann man dafür praktisch nahtlos zwischen Uhr und Smartphone hin und herwechseln. Beispielsweise eine Mail auf der Uhr lesen und dann direkt auf dem Smartphone antworten.
Eine Sache, welche die Apple Watch für mich verändert hat, ist, wie ich Benachrichtigungen wahrnehme und priorisiere. Nicht alle Informationen sind auf der Uhr wirklich eine vibrierende Benachrichtigung wert. Glücklicherweise können sämtliche Benachrichtigungen passgenau eingestellt werden. Seien Sie aber bereit, eine Weile an den Einstellungen dazu herumzufummeln, bis alles genau stimmt. Vielleicht ist es für Apple an der Zeit, die Benachrichtigungen komplett zu überarbeiten. Die Apple Watch hat es auf jeden Fall nicht einfacher gemacht.
Auf der nächsten Seite: Was ich an der Uhr mag und nicht mag

Was ich an der Uhr mag und nicht mag

Was ich an der Uhr mag

Die Fitness-Funktionen der Apple Watch haben mich deutlich mehr motiviert als andere Fitness-Tracker. Ein Grund dafür ist, dass ich meinen Fortschritt direkt am Handgelenk sehen kann. Oder dass die Uhr Training nur dann als Training misst, wenn mein Puls hoch genug ist.
Die Fortschrittsringe und Benachrichtigungen der Apple Watch haben mich mehr motiviert als andere Fitness-Armbänder
Andererseits sind die Fitness-Meldungen nicht so smart, wie man es sich von einer Smartwatch wünscht. Mich nervt es endlos, wenn mir meine Uhr sagt, ich soll kurz aufstehen, während ich im Bus zur Arbeit sitze. Vor allem, weil die Uhr erkennen kann, dass ich mich in einem Fahrzeug befinde. Zudem wäre es schön, wenn die Uhr meinen Kalender etwas mehr einbinden könnte. Sie könnte mich vor einem langen Meeting noch einmal ermuntern, kurz aufzustehen.
Eine der besten Funktionen der Apple Watch ist die Fernbedienung. Die Remote-App beherrscht alle Funktionen der Apple-TV-Fernbedienung und kann sogar Menüs navigieren, ohne dass ich die Uhr anschauen muss. Ähnlich praktisch ist die App «Now Playing», mit der ich meine Musik-Apps auf dem iPhone fernsteuern kann. Mit dem Launch von HomeKit sollen über die Uhr auch andere Apple-kompatible Geräte wie Licht oder Überwachungskameras im eigenen Haus steuerbar werden.
Gut ist auch, dass mit der Apple Watch mehr Personen Apple Pay verwenden können. Pay funktioniert derzeit nur mit dem iPhone 6 und 6 Plus, während die Watch auch mit den iPhones der 5er-Reihe kompatibel ist. Die Bedienung ist dabei so einfach wie mit dem iPhone: Zweimal auf den Knopf tippen und Ihre Karte öffnet sich direkt in Apple Pay. Etwas merkwürdig ist hingegen die Platzierung des Sensors beim Bezahlen. Während man mit dem iPhone den Bildschirm zu sich hält, muss die Watch mit dem Display zum Kartenleser gehalten werden. Je nach Lesegerät ist das etwas unangenehm. Ausserdem fällt man derzeit noch mehr auf, wenn man mit der Uhr bezahlt als mit dem Smartphone. Das dürfte sich aber in der Zukunft legen.
Eine weitere tolle Funktion ist die Vibrationsfunktion der Maps-App. Statt der mühsamen Navi-Stimme, die Musik und Podcasts unterbricht, kann man sich auch per Vibration ans Abbiegen erinnern lassen. Zehn kurze Taps und es geht nach rechts, sechs Taps in drei Paaren und man muss nach links abbiegen. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigt zudem die Ausfahrt und den Strassennamen an, ohne gross vom Verkehr abzulenken. Die Maps-App an sich ist noch nicht ganz perfekt und lädt leider etwas langsam.

Was ich an der Uhr nicht mag

Mein grösstes Problem mit der Apple Watch ist die Performance. Da die meisten Daten auf dem iPhone verarbeitet werden, sind Verzögerungen an der Tagesordnung. Sogar beim Scrollen auf der Startseite wirkt alles ein wenig langsam. Besonders im Vergleich mit dem iPhone. Besonders Apps, die Ortsdaten verwenden, wie Maps oder Wetter, sind langsam. Auch wenn die fehlende Leistung mich nicht vom Kauf abhalten würde, ist sie doch schade. Die Apple Watch ist auf jeden Fall das langsamste Apple-Produkt seit Jahren.
Die App-Icons können verschoben, aber nicht gelöscht werden
Ein weiteres Problem sind die Apps auf dem Home Screen. Gerade bei einem kleinen Display muss man sich den Platz gut einteilen. Apple insistiert aber darauf, alle installierten Apps auf dem Home Screen anzuzeigen. Das gilt auch für vorinstallierte Apps, die man nie verwenden wird. Im Gegensatz zum iPhone kann man die Icons nicht einmal in einen Ordner packen. Auch wenn ich die Börsen-App nie verwenden werde, bleibt sie auf meinem Home Screen.
Dazu kommt, dass die Uhren-Funktion der Watch in fünf verschiedene Apps aufgeteilt ist: die Uhr an sich, die Weltuhr, Timer, Wecker und Stoppuhr. Jede dieser Apps benötigt ein weiteres Icon auf dem Startbildschirm. Dabei könnte man diese Apps entweder in eine einzelne App verpacken oder die Icons ausschalten und mit Siri bedienen.
Was mich ebenfalls an der Uhr stört, ist die ständige Verbindung zu meinem iPhone. Zwar verwendet die Apple Watch Wi-Fi Direct für die Datenübertragung, sie benötigt aber auch Bluetooth für die Verbindung an sich. Somit ist die Reichweite auf rund zehn Meter reduziert. In meiner kleinen Wohnung ist das kein Problem. Dort funktioniert meine Uhr auch noch, wenn mein iPhone in einem anderen Raum am aufladen ist. Im Büro sind die zehn Meter jedoch schnell aufgebraucht und die Apple Watch funktionslos.
Auf der nächsten Seite: Gemischte Gefühle und Fazit

Gemischte Gefühle und Fazit

Gemischte Gefühle

Auch von anderen Kernfunktionen der Apple Watch bin ich nicht restlos überzeugt. Die digitale Berührung ist besonders praktisch. Meine Arbeitskollegin Caitlin kann mich beispielsweise über die Uhr anstupsen, wenn ich etwas vergessen habe. Das aus einer Distanz von Tausenden von Kilometern. Bilder über die Uhr zu malen, ist jedoch weniger praktisch und funktioniert wegen des winzigen Displays nur mässig. Seinen eigenen Herzschlag mit einem anderen Watch-Besitzer zu teilen, finde ich ein wenig zu intim. Für Pärchen könnte die Funktion aber zum grössten Kaufargument seit Face Time werden.
Handoff wird für fast alles gebraucht. Ich verstehe, dass man nicht alles auf der Apple Watch machen sollte. Dafür ist die Uhr nicht geschaffen. Wenn aber praktisch jede Interaktion mit der Watch an das iPhone weitergesendet wird, ist das ganz schön mühsam. Besonders, wenn die Funktion dafür auf der Uhr vorhanden wäre. Siri leitet mich zum Abhören des Anrufbeantworter stets auf das iPhone, auch wenn die Apple Watch eine entsprechende Funktion besitzt.
Jede Uhrenfunktion hat eine eigene App
Siri ist generell nicht über alle Zweifel erhaben. Der Stimmenbefehl «Hey Siri» funktioniert nicht immer wie gewünscht. Manchmal passiert nichts, manchmal öffnet sich Siri und wartet auf einen Befehl. Manchmal öffnet sich Siri und versucht sofort, etwas Gesprochenes zu verarbeiten, auch wenn ich noch gar nichts gesagt habe. Dann braucht die Assistentin einige Sekunden, um das zu realisieren und nach einem Befehl zu fragen. Besser funktioniert der Druck auf die digitale Krone, gefolgt von einem Sprachbefehl.

Für wen lohnt sich die Apple Watch?

Die Apple Watch ist kein essenzielles Werkzeug für die meisten Leute. Die Uhr ist auch nicht perfekt, aber sie tut das, was sie tun soll ordentlich. Verschiedene Leute werden verschiedene Verwendungszwecke für die Uhr finden. Diese Verwendungszwecke werden sich mit der Zeit und mit neuen Apps verändern. Für mich persönlich ist die Uhr perfekt als Navigationsgerät im Auto, da ich dabei in Ruhe Podcasts hören kann. Das ist jedoch eine sehr spezifische Verwendung, die nicht jedermann braucht. Und nicht jeder, der die Funktion brauchen könnte, will 350 US-Dollar dafür ausgeben.
Wenn Sie ein experimenteller Typ sind, der gerne die neuste Technologie besitzt, wissen Sie wahrscheinlich schon, ob Sie eine Apple Watch kaufen wollen oder nicht. Falls Sie sich noch nicht sicher sind, würde ich noch ein wenig warten. Die Software wird besser, die Hardware schneller werden. Die Apple Watch ist ein formschönes Stück Hardware, aber die Leistung der Uhr muss sich noch verbessern, bevor sie zum Must-Have wird.

Fazit

Die Apple Watch ist eine ausgezeichnete Fernbedienung mit starken Fitness-Funktionen. Allerdings ist die Uhr langsam und benötigt eine aktive Bluetooth-Verbindung zum iPhone, neben anderen Eigenarten. Dennoch ist es schwierig, eine so schöne Smartwatch nicht ein wenig zu bewundern.
Ursprünglicher Artikel auf Macworld.com (Englisch).



Kommentare
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ohgottnein
21.05.2015
Wie jedes Apple Produkt Wie jede neue Produktkategorie oder Technologie von Apple sagt es sich leicht, dass man's nicht braucht, oder anderes ebenso gut sei – bis man es probiert hat. Auch ich wollte die erste Generation auslassen. Doch nach 4 Tagen Test weiss ich, dass ich das Ding "brauche", weil es mein Leben massiv angenehmer macht. Der bis jetzt einzige Nachteil (neben der Ausgabe für ein weiteres Gerät) ist, dass mein iPhone 5s deutlich mehr Saft verbraucht. Da ich das iPhone während der Arbeit aber andocken kann ist das nicht so tragisch. Siri finde ich toll drauf. Haben wir nicht seit eh davon geträumt, mit der Uhr zu telefonieren? Eine Uhr ohne Wettervorhersage, ZVV Fahrplan und Termine ist so was von 20. Jh.

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Nebuk
21.05.2015
Eine Uhr ohne Wettervorhersage, ZVV Fahrplan und Termine ist so was von 20. Jh. Nun das mag für dich zutreffen, aber in naher Zukunft (3-5 Jahre) möchte ich meine analoge Uhr bestimmt nicht gegen ein Gadget eintauschen welches mir die gleichen Infos liefert wie ein Smartphone und vermutlich alle 2-3 Jahre ersetzt werden muss. Zugegeben, das Smartphone zeigt auch die Uhrzeit und das Datum an, aber da muss ich noch das Display erst anschalten um dies zu erfahren. :)

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Desaster
22.05.2015
Eine Uhr ohne Wettervorhersage, ZVV Fahrplan und Termine ist so was von 20. Jh. Naja, das ist das ewige Liedchen der Technik-Gläubigen, die das ganze relativ undifferenziert betrachten;-) Für diese Informationen habe ich das Smartphone. Mit der Smartwatch hat man schlicht und einfach keinen Mehrwert, das ist nur ein Pseudovorteil. Der angeblichen Zeitersparnis von einer (!) Sekunde, die man beim Blick auf eine Smartwatch hat (im Vergleich zum Smartphone), steht immer ein beträchtlicher Zeitverlust durch die Unübersichtlichkeit und Bedienung gegenüber, die ein x-faches der "Zeitersparnis" beträgt;-) Wenn "21. Jahrhundert" bedeutet, dass man sich alles schönredet und sich einbildet, man wäre immer auf der sicheren Seite und hätte immer einen Mehrwert, wenn man das neueste Gadget hat, dann bist du wahrscheinlich schon der Richtige für eine Smartwatch. Dann bin ich aber noch so gerne "20. Jahrhundert" und erfreue mich ab meiner echten Uhr, die aus wirklich hochwertigen Materialien hergestellt ist, qualitativ überragend, wertbeständig und zeitlos ist und ausserdem auch Stil hat. Zudem bietet mir meine Uhr auch ein paar Zusatzfunktionen und um die Batterie brauche ich mich auch nur alle drei Jahre kümmern:-) Von daher habe ich nur ein Lächeln übrig für billig anmutende Smartwachtes ohne Mehrwert, die an meinem Smartphone Akku saugen und nach 1-2 Jahren Elektroschrott sind...

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Katharina B.
22.05.2015
Die smartwatch devoten vergessen, dass der Grund, warum Leute sich ein teures, elegantes Teil zur Zeitanzeige zulegen, der Aspekt Schmuck ist.