Systemkamera
20.05.2020, 08:27 Uhr
Fujifilm X-T4 im PCtipp-Test
Mit der Addition von IBIS schliesst Fujifilm die letzte grosse Lücke in der Feature-Liste der X-T-Serie.
Viel gab es an der X-T-Serie nicht mehr zu verbessern. Entsprechend sind die Neuerungen an der X-T4 keine grosse Überraschung. Die Kamera ist nicht für alle Nutzer der grosse Schritt nach vorn, den sie erwartet hatten. Für andere hingegen ist das Upgrade massiv. Vor allem Videografen und einige spezialisierte Fotografen dürften von den neuen Features profitieren.
Das ist neu
Elefanten lassen sich nicht so leicht aus der Balance bringen. So auch der Elefant im Raum der Neuerungen bei der Fujifilm X-T4: In Body Image Stabilization, kurz IBIS. Somit ist die X-T4 die zweite Fuji-X-Kamera mit einem Bildstabilisator im Gehäuse, nach der X-H1. Der neue Mechanismus soll kleiner, leichter sowie ruhiger sein als der Vorgänger und bis zu 6,5 Stops Lichtverlust kompensieren können. Das genau nachzumessen, ist in der Praxis schwierig, aber in unserem Test macht sich die Stabilisierung doch stark bemerkbar. Auch mit einem Objektiv ohne jegliche eigene Stabilisierung, wie dem 35 mm ƒ/1.4, lassen sich Verschlusszeiten im einstelligen Bereich noch von Hand halten.
Den grössten Einfluss hat das IBIS-System allerdings auf den Videobereich. Dort wird es zu einem wahren Gamechanger. Bisher konnten Fuji-Nutzer nur mit stabilisierten Objektiven brauchbare Videos aus der Hand schiessen. Mit dem IBIS-System der X-T4 öffnet Fujifilm die Objektiv-Range massiv. Gerade einige der optisch schönsten Fuji-Objektive wie die lichtstarken Festbrennweiten, sind jetzt auch für Videoaufnahmen ohne Stativ zu gebrauchen.
Passend dazu wurde das Autofokus-Tracking verbessert. Das neue System berücksichtigt mehr Daten, wie Farbe oder Formen, um Objekte zu erkennen und korrekt zu verfolgen. Im Vergleich mit den Vorgängermodellen ist das Upgrade sofort bemerkbar. Die X-T4 verfolgt angewählte Subjekte deutlich zuverlässiger und lässt sich weniger von anderen Objekten im Bild ablenken. Die mit der X-Pro3 eingeführte Gesichtserkennung findet ebenfalls ihren Weg auf die X-T4 und funktioniert genau gleich gut.
Mehr Durchhaltevermögen
Zusätzlich soll die X-T4 länger halten. Das sowohl beim Verschlussmechanismus als auch beim Akku. Der Verschlussmechanismus schafft neu 15 Bilder pro Sekunde und hält nach CIPA-Rating für 300'000 Auslösungen durch. Das ist rund doppelt so viel wie bei der X-T2. Der neue Akku spielt ebenfalls länger mit. Laut CIPA-Rating bis zu 500 Fotos. Damit ist die X-T4 eine der ausdauerndsten DSLM-Kameras auf dem Markt. Der Nachteil: Fujifilm hat den Akku komplett neu entwickelt und verwendet nicht mehr das Modell W126 wie bei bisherigen Modellen, sondern die neue NP-W235-Batterie. Diese ist ein wenig grösser und erinnert mit ihrer Form eher an eine klassische DSLR-Batterie. Entsprechend ist die X-T4 nicht mit bestehenden W126-Batterien kompatibel. Der Akku lässt sich neu per USB-C-Anschluss aufladen, während er sich in der Kamera befindet. Allerdings liefert Fujifilm nur noch ein entsprechendes Ladekabel mit. Ein externes Ladegerät muss separat gekauft werden. Das ist gerade für Nutzer schade, die mehrere Batterien verwenden und jeweils einen Akku laden, während der andere in Gebrauch ist.
Software
Auch auf der Software-Seite gibt es Neuerungen. Die X-T4 kann neu Bilder auch in einem komprimierten RAW-Format speichern. Dieses ist zwar verlustbehaftet, aber deutlich kleiner als eine reguläre RAW-Datei. Das ergibt vor allem bei Nutzern Sinn, die nur kleinere Bearbeitungen an ihren Bildern vornehmen, aber dennoch mehr Spielraum brauchen, als dass sie von JPG erhalten.
Dazu kommen einige Neuerungen, die bereits in der X-Pro3 vorhanden waren. Allem voran die Bearbeitungsmöglichkeiten und Farbfilter in der Kamera. Diese wurden für die X-T4 sogar noch weiter verbessert und können neu in Halbschritten angepasst werden. Zuletzt gibt es eine neue Filmsimulation: Eterna Bleach Bypass. Diese simuliert, wie der Name erahnen lässt, den Eterna-Film, der mit der Bleichauslassungs-Methode entwickelt wurde. Dabei wird der Bleichvorgang beim Entwickeln des Fotos entweder teilweise oder komplett ausgelassen, was zu einem blassen, metallisch scheinenden Effekt führt. Bandfotografen im Rock-/Metal-Bereich dürfen sich besonders freuen.
Gehäuse und Ergonomie
Das Gehäuse der X-T4 ist sehr ähnlich wie das der Vorgängermodelle, mit einigen kleineren Änderungen. Die auffallendste Neuerung ist der neu entwickelte Touchscreen. Dieser lässt sich nicht mehr nur ausklappen und kippen, sondern komplett drehen, wenden und in alle möglichen Richtungen neigen. Das alles, ohne dabei instabil zu wirken. Praktisch dabei: Das Display kann auch umgedreht im Gehäuse verstaut werden, was das Display unterwegs schützt und Nutzern entgegenkommt, die ausschliesslich den Sucher verwenden.
Allerdings ist es durchaus sinnvoll, das Touch-Display zu verwenden. Fujifilm hat die Touch-Steuerung überarbeitet und vereinfacht. Besonders im Videobereich können neu alle Parameter per Touch angepasst werden. Das hilft dabei, mechanische Geräusche zu minimieren und ermöglicht es, die Einstellungen zwischen Foto- und Videomodus unterschiedlich zu halten.
Zum Schluss gibt es noch einige kleinere Änderungen. Der Griff der X-T4 ist leicht tiefer als beim Vorgängermodell. Die zwei SD-Kartenslots bleiben bestehen, sind allerdings neu angeordnet. Statt direkt horizontal nebeneinander, sind sie vertikal angebracht. So soll verhindert werden, dass aus Versehen die falsche Karte entnommen wird. Die Kartentür kann zudem komplett entfernt werden, was mit gewissen Mounts praktisch sein kann.
Dazu gibt es ein paar grössere Tasten und eine neue Anordnung einiger Buttons auf der Rückseite. Die Q-Taste wandert nach oben rechts. Der AF-L-Knopf, der vorher dort war, wird in einen AF-On-Knopf umgewandelt und rückt links neben das Rad. Und der AE-L-Knopf, der sich dort befand, ersetzt den frei gewordenen Platz des Q-Knopfs. Die Vor- und Nachteile dieses Wechsels dürften individuell sein. Für mich persönlich ist der standardmässige AF-On-Knopf ein Segen. Diesen musste ich bisher manuell auf AF-L legen. Andererseits ist die neue Position für mich nur schwer erreichbar, da ich mit dem linken Auge durch den Sucher schaue und mir so mit meiner Nase den Button versperre. Glücklicherweise können bei der X-T4 alle Buttons frei belegt werden. Dann stimmt einfach die Beschriftung nicht mehr. Nicht ändern lässt sich das Verschwinden des Auswahlrades für den Belichtungsmessmodus. Dieses wurde umfunktioniert in einen Schalter zwischen Foto- und Videomodus. Das ist praktisch für Nutzer, die häufig zwischen den beiden Modi hin- und herwechseln. Die Platzierung auf dem Rad ist jedoch etwas merkwürdig gewählt. Zumal das Rad nur in eine Richtung wirklich bequem zu bedienen ist. Vom Videomodus zurück in den Fotomodus steht der Auslöser im Weg. Nicht wirklich schlimm, aber auch nicht unbedingt nötig.
Video
In Sachen Video bleibt vieles beim Alten. Zumindest, was videospezifische Funktionen angeht. Der grosse Game-Changer ist natürlich das IBIS-System. Dieses hilft bei Videos aus der Hand massiv und wurde im Vergleich zur X-H1 noch einmal verbessert. Das System erkennt neu besser, ob eine Bewegung absichtlich ausgeführt wurde oder ob sie korrigiert werden soll, und liefert ein angenehm stabilisiertes Bild, ohne die Kamerabewegung des Nutzers komplett zu verlieren. Fuji fügt sogar einen Sondermodus namens Stabilization Boost hinzu. Mit diesem schalten Sie den Stabilisator auf volle Power und korrigieren so viel Bewegung wie möglich. Das ist dann praktisch, wenn Sie einen extrem stabilisierten Look für Ihr Video möchten.
Ebenfalls praktisch sind die neue Videosteuerung per Touch sowie die Möglichkeit, das Q-Menü für Video anders zu belegen als für Foto. Technisch gesehen gibt es nur eine Neuerung: Die X-T4 kann Video in FHD und 240 FPS aufnehmen. Dieses wird dann auf eine Framerate zwischen 24 und 60 FPS umgerechnet, was für spektakuläre Zeitlupenaufnahmen verwendet werden kann.
Ansonsten bleibt alles beim Alten. Es gibt maximal UHD oder DCI-4K. 30p mit dem gesamten Sensor oder 60p mit einem leichten Crop (1,18-fach). Farben gibt es intern mit 4:2:0 und 10 Bit. Die Bitrate lässt sich zwischen 100, 200 und 400 Mbit/s festlegen. Neu gibt es auch Unterstützung für den webfreundlichen H.246-Codec. Dieser kommt zwar mit einigen qualitativen Einschränkungen, kann aber für Webvideos ohne allzu grosse Ansprüche ordentlich Platz sparen.
Zwei kleinere Additionen sind der F-Log View Assist und das Focus Check Lock. Ersterer simuliert die genauen Farben einer F-Log-Aufnahme auf dem Display, um eine exaktere Vorschau generieren zu können. Zweiteres lässt die Fokusvergrösserung permanent eingeblendet, was das manuelle Fokussieren vereinfacht. Auf Kosten einer besseren Übersicht in Sachen Komposition.
Was die Hardware angeht, gibt es ebenfalls zwei Neuerungen. Mikrofone sind etwas flexibler geworden, Kopfhörer dagegen etwas weniger. Die X-T4 unterstützt neu Mikrofone auf Line-Level, was für aktive Mikrofone praktisch ist. Dafür hat sich Fujifilm aus unerklärlichen Gründen dazu entschieden, den Kopfhöreranschluss zu entfernen. Wer Kopfhörer verwenden möchte, kann das mit einem beigelegten USB-C-Adapter tun. Dieser muss aber stets im Gepäck sein. Bei einer Kamera, die sich sonst als videofokussierte Variante sieht, ist das eine mehr als merkwürdige Design-Entscheidung. Immerhin: Im separat erhältlichen Battery-Grip ist der Kopfhöreranschluss wieder vorhanden.
Die X-T4 im Vergleich
Die Fujifilm X-T4 steht im Konkurrenzkampf mit einem breiten Feld von mehr oder weniger vergleichbaren Kameras, sowohl von anderen Herstellern als auch von anderen Fujifilm-Modellen. Allerdings sind nicht wirklich viele APS-C-Kameras mit IBIS auf dem Markt erhältlich, was den Direktvergleich etwas schwierig gestaltet.
Der beste Direktvergleich zur X-T4 ist wohl die a6600 von Sony. Beide Kameras bieten einen APS-C-Sensor mit IBIS zu einem vergleichbaren Preis. Die Sony-Kamera ist rund 300 Franken günstiger, dafür aber auch in den meisten Belangen etwas schwächer als die X-T4. Beispielsweise verfügt sie nur über einen einzelnen SD-Slot, schafft nur 11 FPS und filmt mit maximal 30p bei UHD-Auflösung. Dafür ist der extrem leistungsfähige Sony-Akku ungeschlagen und die a6600 ein gutes Stück leichter. Andere Vergleichsmöglichkeiten gibt es mit Nikons teureren Z6, die allerdings einen Vollformatsensor bietet und der etwas älteren Panasonic G9 mit MFT-Sensor. Canons EOS RP ist ebenfalls am Rande vergleichbar, bietet allerdings kein IBIS, dafür Vollformat. Zuletzt gilt es zu bedenken, dass das Objektiv- und Zubehörsystem beim Kauf einer Systemkamera einen riesigen Einfluss auf den Kaufentscheid haben sollte. Lesen Sie dazu unsere Kaufberatung aus der Ausgabe 5/2020.
Im internen Vergleich kombiniert die X-T4 die besten Features der X-T3 und der X-H1. Grösstenteils basiert die Kamera auf der X-T3, fügt aber die Bildstabilisierung der H1 hinzu. Das hat auch einige interessante Implikationen, was die Zukunft der beiden Serien X und H betrifft. Eine verbesserte X-H-Kamera ergibt nur dann Sinn, wenn die H-Serie neben der Bildstabilisierung ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal erhält. Eine neue X-T-Kamera ohne Bildstabilisierung könnte zudem als Rückschritt empfunden werden, was die Entwicklung eines neuen Modells ebenfalls ein wenig in eine bestimmte Richtung drängt.
Bildergalerie
Alle Bilder wurden mit der Fujifilm X-T4 und dem Fujinon 35mm ƒ/1.4 aufgenommen. Es handelt sich um unbearbeitete JPG-Dateien mit dem Standard-Farbprofil, ausser wo vermerkt.
Fazit
In unserem Test der Fujifilm X-T3 nannte Tester Klaus Zellweger die Kamera «nahezu perfekt». Es fehle nur noch das IBIS-System. Das hat Fujifilm mit der X-T4 nachgeliefert. Und das Resultat lässt sich sehen. Die Kamera eine «stabilisierte X-T3» zu nennen, würde ihr aber auch Unrecht tun. Es sind genügend neue Features da, um die Nummer 4 im Namen zu rechtfertigen. Ein Upgrade von einer X-T3 oder sogar X-T2 ist aber nur in speziellen Fällen wirklich lohnenswert. Besonders Videografen dürften sich den Kauf überlegen. Für Neueinsteiger in das Fujifilm-System gilt allerdings weiter: Die X-T-Serie bietet das bestmögliche Erlebnis innerhalb des exzellenten Fujifilm-Systems und ist somit die ideale Kamera für Umsteiger mit dem nötigen Mass an Ambitionen und Kleingeld. Einige etwas merkwürdige Design-Entscheidungen (Kopfhöreranschluss, kein externes Ladegerät, Platzierung des Videoschalters) verhindern das Prädikat «perfekt», aber näher an die Perfektion als die X-T4 kommt aktuell keine andere Kamera ihrer Klasse.
Testergebnis
Ergonomie, Design, Bildqualität, Objektivsystem, Video, IBIS, Menüführung
Kopfhörer-Anschluss nur mit Adapter, kein externes Ladegerät im Lieferumfang, Platzierung des Video-Schalters
Details: APS-C-Sensor mit 26 Mpx, X-Trans-Sensor, Video bis 4K mit 60p bei 10 Bit oder FHD bis 240p, 160 ISO–12’800 ISO, voll-beweglicher Touchscreen, USB-C, zweimal SD, Mikrofon-Input mit Line-Level-Option, Akku bis 500 Bilder (CIPA), 607g
Preis: Fr. 1959 (Body)
Infos:Anmerkung zur Note: 1 = unbrauchbar; 1,5 = sehr schlecht; 2 = schlecht; 2,5 ungenügend; 3 = genügend; 3,5 ordentlich; 4 = gut; 4,5 = sehr gut; 5 = ausgezeichnet
14.07.2020
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