Tests 31.05.2016, 06:50 Uhr

Test: Polaroid SNAP

Die kleine Kamera trotzt dem digitalen Zeitgeist – und dem Wunsch nach einem unkomplizierten Leben.
Dass das Goldene Zeitalter der Sofortbild-Kameras zur Geschichte gehört, ist unbestritten. Genauso unbestritten ist aber auch, dass eine sture Minderheit sich weigert, loszulassen. Das eindrucksvollste Beispiel ist wahrscheinlich die Instax-Linie von Fujifilm (Test), die dem Konzern jedes Jahr fette Profite in die Kasse spült.
Doch diese Kameras sind hier nicht das Thema, sondern eine Alternative mit grossem Namen: Die Polaroid SNAP verspricht nicht nur Sofortbilder, sondern zeichnet gleichzeitig auf eine Micro-SD-Karte auf. Das mag für Puristen ein Affront sein, weil damit der Charakter eines Unikats verloren geht. Die meisten Fotografen dürften sich jedoch über den zusätzlichen Nutzen freuen.

Die Hardware

Kamera mit Drucker. Die SNAP ist ungefähr so gross wie ein fettes Smartphone und passt gerade noch in eine Manteltasche. Die Abmessungen werden durch das Innenleben definiert. Schliesslich ist die SNAP keine Sofortbild-Kamera im klassischen Sinn, weil weder Filmmaterial noch Chemie zum Einsatz kommen. Stattdessen handelt es sich hier um eine Digitalkamera mit eingebautem Drucker.
Kamera und Drucker in einem Gehäuse
Quelle: PCtipp
Das Papier. Entsprechend einfach wird das Papier auf der Rückseite eingelegt: Vorsichtsmassnahmen entfallen, weil der Träger nicht lichtempfindlich ist. Die «Abzüge» messen 75×50 Millimeter und sind damit etwas kleiner als eine Kreditkarte, aber immerhin randlos bedruckt. Das Format wird also vollständig genutzt.
«Macht’s Spass?» «Meh …»
Quelle: PCtipp
Preis. Das ZINK-Papier (so die offizielle Bezeichnung) wird für 36 Franken in Einheiten zu 50 Blatt verkauft. Ein Ausdruck kostet als 72 Rappen. Damit lässt sich leben.
Batterie. Die SNAP wird über einen eingebauten Akku betrieben und über Micro-USB geladen. Der Akku lässt sich nicht auswechseln; Polaroid schweigt sich darüber aus, was mit der Kamera passiert, wenn die Batterie irgendwann am Ende ihres Lebenszyklus angekommen ist.

Erstkontakt

Keine Anleitung. Der erste Umgang mit der SNAP verläuft ein wenig holperig. Zum Lieferumfang gehört keine wie auch immer geartete Dokumentation. Ein banaler Kleber macht lediglich darauf aufmerksam, dass sie unter dieser Adresse im PDF-Format heruntergeladen werden kann, wobei die mehrsprachige Datei auch Deutsch umfasst.
Firmware. In dieser Anleitung erfährt der geneigte Käufer auch, dass die Firmware aktualisiert werden sollte, um die beste Bildqualität zu erhalten. Welche Version ist verbaut? Wir wissen es nicht; der Kamera fehlt ein Display, um die aktuelle Version anzuzeigen. Und so laden wir die neuste Version 1.6 herunter, kopieren sie auf die Micro-SD-Karte und überlassen der SNAP die Aktualisierung.
Ein-/Ausschalten. Jetzt wird es garstig: Die Kamera wird eingeschaltet, indem der Sucher hochgeklappt wird. Doch bereits kurz nach der Aufnahme schaltet die SNAP wieder in den Ruhemodus. Was folgt, ist ein immer hektischeres Auf- und Zuklappen in der Hoffnung, dass die Kamera aus ihrem Dornröschen-Schlaf erwacht. Das nervt ungemein – um es äusserst höflich auszudrücken.
Objektivdeckel. Praktisch: Der Objektivdeckel wird magnetisch gehalten und lässt sich sehr einfach anbringen. Unpraktisch: Die Kamera löst auch aus, wenn der Deckel noch drauf ist.

Bitte lächeln!

Knips! Die SNAP verfügt über nur wenige Tasten, aber alles Wichtige ist mit an Bord: Ein Selbstauslöser, ein kleiner Blitz und sogar ein Stativgewinde. Die Auslösung erfolgt über die grosse rote Taste (die übrigens an die Agfa Pocket erinnert, wenn wir schon bei der Nostalgie sind).
Streifen in den Bildern gehören scheinbar zur Anmutung
Quelle: PCtipp
Druck. Falls Papier eingelegt ist, wird das Foto automatisch gedruckt und liegt nach etwa 35 Sekunden auf dem Tisch. Bis zu drei Bilder können nacheinander geschossen werden; dann muss der Puffer auf das Papier entleert werden, bevor es weitergeht. Dabei lässt sich das zuletzt geschossene Foto auf Wunsch mehrmals ausdrucken, bis die ganze Meute befriedigt ist.
Nostalgie mit einem digitalen Kick: Polaroid SNAP
Quelle: PCtipp
Digitale Aufnahmen. Doch es muss nicht zwingend Papier eingelegt sein – eine optionale Micro-SD-Karte tut es auch. In diesem Fall wird die SNAP zu einer Digitalkamera mit 10 Mpx. Leider steht die Zeit in den spärlichen Exif-Daten still und zeigt immer den 1.1.1970, sodass sich SNAP-Fotos nicht nach Datum sortieren oder chronologisch korrekt in die anderen Fotos einordnen lassen.
Bildqualität. Die Bildqualität entspricht etwa derjenigen eines preiswerten Smartphones. Mehr haben wir eigentlich nicht erwartet; wichtig ist nur zu wissen, dass die SNAP kein Ersatz für eine «richtige» Kompaktkamera ist:
Die Qualität der Digitalkamera entspricht einem günstigen Mittelklasse-Smartphone
Quelle: PCtipp
Farben. Die Farben sind natürlich alles andere als lebensecht – und auch das entspricht der Erwartungshaltung, ist also kein Beinbruch. Über die Taste auf der Oberseite wird umgeschaltet zwischen Farbe, Schwarzweiss und absichtlichen Falschfarben (hah!).
Von oben nach unten: farbig, falschfarbig und schwarzweiss – immer in Anführungszeichen
Polaroid-Rahmen. Über die andere Taste auf der Oberseite kann das Foto um den berühmten Polaroid-Rahmen ergänzt werden – zumindest in der Theorie. In der Praxis piept die Kamera und lässt es bleiben.

Der Spassfaktor

Natürlich ist die SNAP in erster Linie ein Party-Gag. Niemand erwartet von einer solchen Kamera gestochen scharfe Hochglanz-Fotos. Der Preis von 110 Franken klingt moderat und die 72 Rappen pro Aufnahme treiben nur die wenigsten Fotografen in den Ruin.
Das grösste Problem: Die SNAP macht einfach keinen Spass. Sie erwarten ein unbeschwertes «Kichern & Knipsen»? Das ist nicht die Kamera, nach der Sie gesucht haben. Selbst wenn man über die fehlende Anleitung hinwegsieht: Das ewige Ein- und Ausschalten strapaziert die Nerven über Gebühr. Die Qualität der Bilder unterbietet auch tiefe Ansprüche. Und die Tasten auf der Oberseite sind so unglücklich platziert, dass man stets in der Angst lebt, sie versehentlich zu drücken. Kurz, ein kleiner Wifi-Drucker und das allgegenwärtige Smartphone wären eine wesentlich sinnvollere Kombination.
Fazit: Die Polaroid SNAP ist eine spassbefreite Spasskamera, die wohl nur in Ausnahmefällen ihr Publikum unterhält.
Das Testgerät wurde uns freundlicherweise von Digitec zur Verfügung gestellt. Hier geht es direkt zur Produktseite.

Testergebnis

Gleichzeitig Sofortbild- und Digitalkamera mit 10 Mpx, günstiges Verbrauchsmaterial
Keine Anleitung im Lieferumfang, Akku nicht tauschbar, Bildqualität, Ergonomie, Ein-/Ausschaltvorgang, Polaroid-Rahmen funktionieren nicht

Details:  10 Mpx, Micro-USB, Micro-SD-Karten, eingebauter Blitz, Aufklappsucher

Preis:  119 Franken (ohne Papier, in div. Farben)

Infos: 
polaroidsnapcamera.com

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