Tests 25.03.2014, 07:00 Uhr

Test: Nikon Coolpix P600

Mit der Coolpix P600 bringt Nikon eine eigene Superzoom-Kamera. Der Kampf um die längste Brennweite wird weiter ins Absurde getrieben.
60-fachen optischen Zoom bietet die Nikon Coolpix P600 und deckt eine Brennweite von 24–1440 mm ab. In der Welt der Spiegelreflexkameras (DSLR) kosten ähnliche Brennweiten ein Vermögen, die Coolpix P600 jedoch knapp unter 500 Franken. Entsprechend müssen bei anderen Funktionen und der Qualität Abstriche gemacht werden.
Die Coolpix P600 erinnert optisch an eine kleine DSLR

Aussehen & Bedienung

Auf den ersten Blick erinnert die P600 an eine kleine DSLR. Der grosse Griff, das weit hervorragende Objektiv und der für DSLRs so charakteristische Höcker erinnern an Modelle wie die D3300. Bei genauerem Hinsehen fallen dann doch einige Unterschiede auf. So ist der Sucher beispielsweise ein Stück kleiner als bei den Modellen mit Spiegeln und das Objektiv, wie es sich für eine Bridge-Kamera gehört, fest mit dem Körper der Kamera verbunden. Zudem sind auf der Rückseite deutlich weniger Knöpfe zu finden. Generell ist die P600 nicht besonders auffällig und hält sich an die Konventionen des Kameratyps.
Wie von der Bauweise zu erwarten, liegt die P600 angenehm in der Hand. Für grosse Hände ist sie zwar etwas knapp bemessen, aber dennoch gut zu halten. Auch im manuellen Modus lässt sich die Kamera leicht bedienen. Ein DSLR-artiges Wählrad steuert die Belichtungszeit, das drehbare Steuerkreuz auf der Rückseite die Blende. Der wichtige Zoom kann gleich über zwei Wippschalter verändert werden. Der erste befindet sich im Auslöser ähnlich wie der On-Off-Schalter bei Nikon DSLRs. Der zweite ist auf der linken Seite des Objektivs platziert und lässt sich mit dem Daumen bequem bedienen.
Die Rückseite mit 3-Zoll-LCD
Ausser einigen etwas klein geratenen Tasten funktioniert die Bedienung der P600 insgesamt gut. Leider fehlen auf dem kleinen Gehäuse einige nützliche Tasten. Somit müssen viele Einstellungen über das Menü gemacht werden. Ein Q-Menü wie bei Fuji wäre eine willkommene Funktion. Auf der Oberseite kann über ein grosses Rad der Fotomodus ausgewählt werden. Neben PSAM sind auch viele automatische Modi und Szene-Einstellungen verfügbar.
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Die Optik

Die Optik

Ein grosses Verkaufsargument der Coolpix P600 ist ihr Objektiv mit 60-fach-Zoom. Auf Kleinbildformat umgerechnet entspricht die Linse 24–1440 mm mit einer maximalen Blendenöffnung von f/3,3–6,5. Für die massive Zoomweite wurden Abstriche bei der Qualität und der Lichtstärke des Objektivs gemacht.
Das Objektiv der P600 eingefahren ...
Das ist besonders schade, wenn man das Maximum von 1440 mm in Aktion sieht. Ohne Stativ und Fernauslöser geht hier wenig, denn schon die kleinste Bewegung verschiebt den Bildausschnitt um einige Meter. Zudem macht die extreme Brennweite dem Autofokus zu schaffen. Bei der maximalen Blende von f/6,5 ist das Fokussieren bereits eine Qual.
... und auf Maximallänge ausgefahren
Ein weiteres Problem der extremen Brennweite macht sich bei der Belichtung bemerkbar. Durch die kleine Blende von maximal f/6,5 sind schnelle Verschlusszeiten praktisch nicht machbar. Als Faustregel gilt oft: 1/Brennweite als Minimum. Das wäre in diesem Fall 1/1440 oder das nächstmögliche 1/1600. Mit niedrigen ISO-Werten ist das höchstens bei strahlendem Sonnenschein machbar. Zwar drückt der solide Bildstabilisator die haltbaren Verschlusszeiten noch nach unten, jedoch in vielen Fällen zu wenig. Im Automatikmodus wählt die Kamera oftmals Verschlusszeiten um 1/60, die von Hand leicht verwackelt werden.

Sucher & Display

Das Bild vom Objektiv wird auf ein 3-Zoll-Display gesendet. Dazu verfügt die P600 über einen elektronischen Sucher mit 201'000 Bildpunkten. Dieser ist jedoch so klein, dass man schnell wieder auf das LCD wechselt. Da dieses dreh- und neigbar ist, kommt man auch aus unkonventionellen Winkeln gut mit der Kamera zurecht. Gefehlt hat uns besonders ein Augensensor am Sucher. Die Auswahl zwischen Sucher und Display kann nur per Tastendruck geändert werden.
Der Sucher ist leider viel zu klein und verfügt über keinen Augensensor
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Sensor und Bildqualität

Sensor & Bildqualität

Für die Verarbeitung des Lichts ist ein Nikon-CMOS-Sensor zuständig. Mit einer Grösse von 1/2,3 Zoll ist er eher klein und mit regulären Kompaktkameras oder Smartphones vergleichbar. Die Bildqualität lässt sich ebenfalls mit solchen Geräten vergleichen. Bei hohen Brennweiten machen sich zudem chromatische Aberrationen (Farbsäume) bemerkbar.
Die Zoomreichweite der P600 ist gewaltig: hier ein Bild bei 24 mm
Generell mangelt es den Bildern etwas an Details. Während die Bilder in kleinen Formaten noch ansprechend aussehen, geht es mit der Bildqualität schnell bergab, je grösser die Bilder werden. Für Posterdrucke oder digital gezoomte Bilder ist die P600 nicht geeignet. Die P600 schiesst keine RAW-Bilder.
Hier der selbe Ausschnitt bei 1440 mm
In Sachen Video bewegt sich die P600 auf bekanntem Boden. 1080p-Videos schafft die Kamera mit 30 Bildern pro Sekunde. Der Autofokus kann manuell oder kontinuierlich gesetzt werden. Ein spezieller Aufnahmeknopf startet und stoppt die Aufnahme. Audio wird über das eingebaute Mikrofon aufgenommen. Anschlüsse für externe Mikrofone gibt es keine.
Bei hohen ISO-Werten verstärken sich die Probleme mit der Bildqualität
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Weitere Funktionen und Fazit

Weitere Funktionen

Wie die meisten modernen Kameras hat auch die Nikon Coolpix P600 ein integriertes WLAN-Modul. Dieses kann mit der Nikon-App «Wireless Mobile Unit» verwendet werden. Die App kann als Fernauslöser für die Kamera verwendet werden und Bilder von der SD-Karte empfangen. Die Bedienung der App und der WLAN-Einstellungen der Kamera sind umständlich und nicht besonders intuitiv. Das ist jedoch ein Problem, das auch andere Hersteller plagt.
Der ausklappbare Blitz
Die P600 verfügt über einen eingebauten Blitz und verzichtet dafür auf einen Hotshoe-Anschluss für externe Geräte. Auch wegen des WLAN-Moduls, das auf der Oberseite der Kamera platziert ist. Die Anschlüsse für USB und HDMI sind wie von Nikon gewohnt hinter einer Gummiklappe auf der Seite versteckt. Unglücklich ist die Platzierung der SD-Karte: Diese wird auf der Unterseite im gleichen Fach wie die Batterie verstaut. Dadurch muss die Kamera für einen Kartenwechsel vom Stativ genommen werden.
Das Auswahlrad auf der Oberseite der Kamera

Fazit

Die Nikon Coolpix P600 opfert alles für 60-fachen Zoom. Doch warum eigentlich? Die maximale Brennweite von 1440 mm ist zwar beim ersten Mal ausprobieren spektakulär, jedoch in der Praxis kaum praktisch. Interessant sind hohe Brennweiten normalerweise für Sport- und Tierfotografen. Dafür ist jedoch der Autofokus der P600 massiv zu langsam, die Blende lässt schlicht zu wenig Licht durch. Für 500 Franken erhält man alternativ eine kleine Kompaktkamera mit besserer Bildqualität oder aber eine kleine DSLR, welche die P600 in sämtlichen Belangen ausser Zoom schlägt. Wer den gigantischen Zoom also nicht unbedingt braucht, greift besser woanders zu.



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