PSVR
10.02.2023, 07:36 Uhr
Hands-on: Neues Sony-VR-Headset – und dem wohl interessantesten Spiel dafür
Anfang Februar lud Sony Interactive Entertainment nach Neu-Isenburg, um noch vor dem Release am 22. Februar 2023 die zweite Generation von PlayStation VR zu demonstrieren. So viel vorweg: Hier steht der Branche etwas Grosses bevor!
Autor: Sönke Siemens, Games.ch
Sonys erstes VR-Headset ist mittlerweile mehr als sechs Jahre alt und hat sich immerhin knapp über fünf Millionen Mal verkauft. Eine solide Bilanz, die Sony mit der nächsten Generation aber noch deutlich verbessern möchte. Die Chancen, dass genau das klappt, stehen hervorragend, denn technisch haben die Japaner gezielt dort angesetzt, wo es beim ersten Modell noch hapert. Das beginnt schon bei der Verkabelung. Zur Erinnerung: Beim Vorgängermodell muss man nicht nur eine externe Prozessor-Box mit der Konsole verbinden, die es Zuschauern ermöglicht, das Gameplay im Headset mitzuverfolgen, sondern auch eine externe Kamera. Letztere ist bei der ersten Gerätegeneration für das Tracking von neun Positionierungs-LEDs am Headset sowie den Leuchtkugeln oben auf den Move-Controllern bzw. der LED am DualShock-4-Controller zuständig. All das mündete beim Aufbau in einem ziemlichen Kabelsalat.
Die gute Nachricht: Bei PS VR2 wird der Installationsprozess auf ein einziges USB-C-Kabel reduziert. Dieses wandert vorne in den USB-C-Anschluss der Konsole und hinten ins Headset – fertig. Mit einer Länge von knapp 4,5 Metern ist das mitgelieferte Kabel zudem erfreulich lang, was der vollen Bewegungsfreiheit in Spielen sehr entgegenkommt. Plus: Die Möglichkeit, dass andere Spieler das VR-Gameplay auf dem TV mitverfolgen, bleibt auch bei der 1-Kabel-Lösung erhalten.
Zweite wichtige Neuerung: Das Tracking der brandneuen Controller erfolgt nicht mehr über die besagte externe Kamera, sondern über vier Kameras im vorderen Bereich der PS-VR2-Brille. Sie behalten die mitgelieferten VR2 Sense-Controller sowie die Umgebung kontinuierlich im Blick (Stichwort: Inside-out-Tracking). Das wiederum sorgt für eine massiv verbesserte Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Oder anders formuliert: Wurde man beim PS-VR-Ursprungsmodell aufgrund von Tracking-Problemen nicht selten unsanft aus der VR-Erfahrung gerissen, funktioniert nun einfach alles, wie es soll.
Weiterer Vorteil der Kamera: Drückt man eine nach innen gewölbte (und dadurch leicht zu lokalisierende) Taste an der rechten Unterseite des Headsets, schaltet die Kamera in den sogenannten «See-Through»-Modus. Nutzer sehen anschliessend ihre Umgebung in Schwarz-Weiss im Display des Headsets und können so zum Beispiel einen Handy-Anruf entgegennehmen, sich Notizen machen oder nach einer Trinkflasche greifen, ohne das Headset abnehmen zu müssen. Ein weiterer Druck auf die Durchsicht-Taste genügt, schon ist man wieder mittendrin in der aktuellen VR-Erfahrung. Sehr komfortabel!
Endlich massgeschneiderte VR-Controller
Gleiches gilt für die VR2-Sense-Controller. Sie liegen sehr gut in der Hand, haben ein prima ausbalanciertes Gewicht, lassen sich mithilfe von Schnellverschluss-Schlaufen auf Wunsch am Handgelenk befestigen und sind im Kern ein zweigeteilter PS5-Dual-Sense- Controller. Nuancierte Vibrationseffekte und adaptive Trigger – sprich Schultertasten, die beim Drücken situationsbedingt spürbaren Widerstand leisten – gibt es also auch hier. Ebenso wie alle wichtigen Tasten, die man vom Dual-Sense-Controller kennt sowie zwei hineindrückbare Analogsticks.
Wirft man einen Blick auf das eigentliche Headset, fällt sofort auf, dass Sony das bewährte Design des Vorgängermodells in seinen Grundzügen beibehält, aber weiter optimiert. So gibt es nun beispielsweise ein Rad zum blitzschnellen Regulieren des Augenabstands innerhalb der Optik.
Verbessert wurde darüber hinaus das Belüftungskonzept. Zum einen durch eine bessere Gummi-Abschirmung im Nasenbereich, zum anderen durch Lüftungsschlitze oben am Headset. Beides in Kombination führte während unserer Hands-on-Runde dazu, dass die VR-Brille kein einziges Mal beschlug – ein Problem, mit dem wir beim Vorgängermodell regelmässig zu kämpfen hatten. Lob gibt’s ferner für die Tatsache, dass Sony das Material im Bereich der Kopfpolsterung getauscht hat und inzwischen einen speziellen Kunststoff verwendet, der sich im Dauerbetrieb weniger leicht abnutzt, was wiederum der Langlebigkeit entgegenkommt.
Bliebe noch das Thema Sound. Zwei In-Ear-Kopfhörer liegen jeder PS VR2 bei und finden – wenn sie mal nicht benötigt werden – in eigens dafür konzipierten Halterungen links und rechts an der Headset-Aussenseite Platz. Wer lieber Over-Ear-Kofphörer nutzt, kann sie aber auch einfach entfernen und die eigenen Kopfhörer mittels Klinkenstecker-Anschluss mit dem Gerät verbinden.
Der praktische Game-Test
Doch wie spielt sich all das jetzt in der Praxis? Um genau das herauszufinden, stellte Sony eine Demoversion des eigens für PS VR2 entwickelten «Horizon: Call of the Mountain» bereit. Schon die ersten zwei Gameplay-Minuten verbreiten dabei primär eins: Begeisterung. Denn das, was die First-Party-Entwickler Guerilla und Firesprite hier als Koproduktion abliefern, sieht nicht nur famos aus, sondern macht auch regen Gebrauch von den vielen neuen Features der PS-VR2-Brille sowie der neuen VR2-Sense-Controller.
Auftaktsequenz des im «Horizon»-Universum angesiedelten Spin-off-Abenteuers ist eine gemächliche Bootsfahrt. Protagonist Ryas und seine zwei Begleiter schnippern in einem Kanu einen Flusslauf mit kristallklarem Wasser entlang. Pflanzen wiegen sich sanft im Wind, gelbe Blätter wehen durchs Bild und im Hintergrund sieht man die tosenden Fluten eines Wasserfalls. Während all das geschieht, können wir unter anderem unsere virtuellen Hände ins kühle Nass tauchen und dabei das Kräuseln des Wassers bewundern – passendes Haptik-Feedback inklusive.
Nach nicht einmal einer Minute ist’s dann allerdings auch schon wieder vorbei mit der Gebirgsidylle. Ein gigantischer Sturmvogel, mit Schwingen so breit wie ein Sportflugzeug, kündigt sich durch lautes Kreischen an und rauscht uns mit hoher Geschwindigkeit entgegen, nur um dann im letzten Moment wieder an Höhe zu gewinnen. Hunderte Blätter werden dabei wild durch die Luft gewirbelt und auch Bäume schaukeln durch den Luftstrom des vorbeigleitenden Maschinenwesens kräftig hin und her.
Aufgeschreckt durch den Sturmvogel verlassen nun auch andere Maschinen die Umgebung und kreuzen dabei die Route unseres Kanus. Den Anfang macht ein Graser, der uns kurz mit seiner blau leuchtenden Augenlinse scannt, dann aber zügig von dannen schreitet. Völlig unbeeindruckt von unserer Präsenz zeigt sich dagegen der wenig später auftauchende Langhals – eine mehrere Dutzend Meter hohe Aufklärungs- und Kommunikationseinheit der Maschinenwesen. Allein jeder Fuss dieses Kolosses ist so gross wie das gesamte Kanu.
Um die Kreatur in ihrer vollen Grösse zu erfassen, müssen wir unseren Kopf deshalb auch ganz weit nach hinten bewegen. Die Details, die wir dabei erhaschen, sind ebenfalls grandios und reichen von toll animierten Hydraulikgelenken bis hin zu dicken Wassertropfen, die auf uns herabrieseln, wenn der Fuss des Langhalses direkt über uns hinweg fliegt. Keine Frage: Grafisch ist «Horizon: Call of the Mountain» schon jetzt der optisch wohl beeindruckendste Titel im gesamten PS-VR2-Start-Portfolio.
Moment mal, sogar das Headset vibriert!
Kaum ist der Langhals verschwunden, wird die Szenerie dann düsterer und beklemmender, da Nebel aufzieht und dicke Lianen uns immer wieder zwingen, mit dem Kopf auszuweichen. Witzige Randnotizen in diesem Zusammenhang: Bemerken wir letztgenannte nicht oder ducken wir uns nicht rechtzeitig weg, spüren wir eine leichte Vibration im Kopfbereich – denn anders als im PS-VR-Vorgängermodell sind nun auch im Headset selbst Haptik-Effekte erzeugende Motoren verbaut. Uns gefiel das ziemlich gut. Wem dabei unwohl ist, der kann diese Vibrationen aber auch einfach im Menü abschalten.
Die nun folgende Dschungelsequenz dauert weitere ein bis zwei Minuten und konfrontiert unsere Kanukollegen zunächst mit ziemlich aufdringlichen Wächter-Einheiten. Dicht gefolgt von einem sogenannten Schnappmaul. Neugierig taucht das Krokodil-inspirierte Maschinenwesen zunächst um unser Kanu herum, bis es dieses dann mit einer wuchtigen Körperbewegung zum Kentern bringt.
Spätestens hier ist unsere Sightseeing-Tour dann auch vorbei und wir dürfen Held Ryas endlich komplett steuern. Das Interessante dabei: Damit sich unser Alter Ego vom Fleck bewegt, müssen wir die Arme abwechselnd nach oben und unten bewegen – im Grunde so, als würden wir joggen. Klingt seltsam, verstärkt das Mittendringefühl aber durchaus. Wer eine traditionellere VR-Fortbewegungsmethode bevorzugt, kann dafür alternativ einfach den Analogstick nutzen.
Kaum mit der Laufsteuerung vertraut, sprinten wir auch schon über den Steg, der kurz darauf vom eingangs erwähnten Schnappmaul rabiat zerfetzt wird. Das Spiel wechselt dabei in eine Art Zeitlupen-Modus, sodass wir im entscheidenden Moment noch rechtzeitig ausweichen können – cool gemacht! Genau wie die nun folgenden Kletterpassagen. Mit unseren virtuellen Händen hangeln wir uns darin von Felsvorsprung zu Felsvorsprung. Interaktive Flächen sind mit einer Art Kreide-Textur überzogen, was die Orientierung sehr erleichtert.
Anders als bei Cryteks VR-Kletterabenteuer «The Climb» scheint Ausdauer bei den Kraxelabschnitten von «Horizon: Call of the Mountain» noch keine Rolle zu spielen. Wir können also in aller Ruhe und ohne Kraftverlust in der Felswand hängen und erneut die famose Aussicht geniessen.
Brillantes Bogenschiessen
Endlich eine grössere Anhöhe erreicht, dürfen wir dann erstmals in aller Ruhe mit unserem Bogen hantieren – was sich ebenfalls wieder sehr intuitiv anfühlt. Um den Bogen aus seiner Halterung an Ryses Rücken zu lösen, greifen wir einfach über die linke Schulter. Pfeilnachschub finden wir, wenn wir zum virtuellen Köcher hinter unserer rechten Schulter greifen. Ihr seid Linkshänder? Kein Problem: Greift ihr zuerst (sprich ohne Waffe in der Hand) über die linke Schulter, holt sich Ryas den Bogen von dort – und den jeweils nächsten Pfeil dann entsprechend von rechts.
Der Rest ist ein Kinderspiel, vor allem für jeden, der Bogenschiessensequenzen bereits aus anderen VR-Spielen kennt. Durch das 110 Grad breite Sichtfeld der PS-VR2-Brille und die knackscharfe Auflösung von 2000 × 2040 Pixel pro Auge, sieht man hier wirklich jedes Detail in der Distanz und zielt entsprechend präzise.
Insgesamt haben die Macher allein in der Demoversion von «Horizon: Call of the Mountain» 13 verschiedene Übungszielscheiben platziert. Sie alle zu finden, gelang uns zwar nicht (einige waren wirklich verdammt gut versteckt), dafür nutzten wir die Gelegenheit, um die «Interaktivität» der Umgebung ausgiebig zu testen. Und auch in diesem Punkt lassen die Entwickler nichts anbrennen. Seien es nun Körbe, Kisten oder Fässer – hat ein Umgebungsobjekt einen Deckel drauf, kann man davon ausgehen, dass es sich öffnen lässt. Und hin und wieder auch Nützliches offenbart. Aufwändig modellierte Sammelobjekte zum Beispiel, oder Äpfel, die unsere Lebensenergie regenerieren, wenn wir sie zum Mund führen.
Ja, in einer Passage der Demo versteckten die Macher sogar mehrere Farbtöpfe und einen Pinsel. Das Setup erinnert ein wenig an eine Szene aus «Half-Life: Alyx» und erlaubt es euch eurer Kreativität frei Lauf zu lassen. Nur Farben miteinander zu vermischen, klappte leider nicht.
Schön zudem, dass sich grössere Interaktionsobjekte auch tatsächlich schwer anfühlen. Nach einer weiteren Kletterpassage etwa gilt es, einen riesigen Schlägel aufzunehmen und diesen dann gegen einen Gong zu wuchten. Der Schlägel selbst verhält sich dabei gänzlich anders als beispielsweise ein viel leichterer Pfeil.
Cleveres Kampfsystem
Gegen Ende der ca. 15- bis 20-minütigen Demo durften wir dann ausserdem noch das eigentliche Kampfsystem in Aktion erleben und uns zunächst einer wendigen Wächtereinheit stellen. Auffällig in diesem Zusammenhang: Damit auch Einsteiger bei den Kämpfen gut klarkommen und Orientierungsprobleme der Vergangenheit angehören, schleusen uns die Entwickler in Gegnerduellen zunächst auf eine unsichtbare Bahn, die – zumindest in der Demo – kreisförmig um das Kampfgebiet verlief. Einmal auf der Bahn «verankert», können wir mit Ryas nun ganz entspannt mit einer einfachen Tastenkombination entweder nach links oder rechts ausweichen, während wir gleichzeitig das Ziel immer im Blick behalten, Pfeile nachladen, diese im richtigen Moment abfeuern, herumliegende Items aufsammeln und so weiter.
Quelle: Games.ch
Klingt anfangs gewöhnungsbedürftig, funktioniert in der Praxis aber erstaunlich gut. Rückt uns ein Feind dann doch mal zu nah auf die Pelle, besteht obendrein die Möglichkeit, den eigenen Oberkörper nach links oder rechts zu wuchten, um Nahkampfattacken im letzten Moment auszuweichen.
Hinzu kommt: Die Kämpfe in «Horizon: Call of the Mountain» sind nicht nach wenigen erfolgreichen Treffern vorbei, sondern können sich häufig über mehrere Minuten hinziehen. Besonders deutlich wird dies in einem finalen Schlagabtausch mit einem tonnenschweren Donnerkiefer. Wer dessen Lebensenergiebalken dezimieren will, kann locker mal acht bis zehn Minuten einplanen. Zeit, in der man nicht nur kontinuierlich ausweichen muss, sondern sehr gezielt die einzelnen Komponenten der Bestie schädigen sollte.
Quelle: Games.ch
Konzentrieren wir uns etwa konstant auf den Projektilwerfer auf dem Buckel des Ungetüms, geht dieser irgendwann in Flammen auf und Angriffe mit explodierenden Diskussen bleiben aus. Malträtieren wir dagegen seine im Kieferbereich montierten Waffensysteme, stoppen irgendwann die fiesen Laserangriffe. Taktisches Vorgehen wie in den «Horizon»-Hauptspielen mit Aloy (die im Spin-off übrigens einen Gastauftritt feiern soll) ist also hier gefragt.
Fazit
Hut ab, oder besser gesagt Headset ab! Was das Entwicklerduo Guerilla/Firesprite hier bereits in der Demoversion abliefert, fühlt sich wie richtiges grosses VR-Kino an. Die Grafik ist – auch im Vergleich mit aktuellen PC-VR-Produktionen – grandios, die Steuerung wurde ebenso intuitiv wie präzise umgesetzt und die speziellen Features der Brille werden konsequent genutzt. Pausieren wir beispielsweise die Action, um das Einstellungsmenü aufzurufen, können wir dieses ganz entspannt nur mithilfe unseres Blickes steuern. Aber auch die Haptik-Effekte an Headset und Controllern tragen ihren Teil dazu bei, uns förmlich in die Spielwelt zu saugen. Eine Welt, die obendrein nur so sprüht vor Interaktivität, famos modellierten Maschinenwesen und Überraschungen.
Quelle: Games.ch
Sollte «Horizon: Call of the Mountain» diesen Grad an Details und Abwechslungreichtum auch im finalen Spiel aufrechterhalten können, das Leveldesign im späteren Storyverlauf weniger linear ausfallen und auch die Geschichte noch an Fahrt aufnehmen (wovon wir stark ausgehen), stehen die Chancen ziemlich gut, dass sich dieses Spin-off von Null auf Hundert an die Spitze der besten PS-VR2-Starttitel katapultiert.
Das Headset selbst hat nach unserem ersten Hands-on ebenfalls zwei «Daumen hoch» verdient. Trägt sich klasse, beschlägt nicht, liefert ein grandioses Bild, nutzt die Leistung der PS5 dank Eye-Tracking und dem damit einhergehenden Foveated Rendering konsequent aus und verfügt über ein massiv verbessertes Kontrollerkonzept. Kurz gesagt: Selten haben wir uns so auf eine Hardware gefreut!
Autor(in)
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