Fotografie-Tipps
21.06.2021, 10:40 Uhr
Kaufberatung: Kameras für Einsteiger
Eine «richtige» Kamera ist trotz starker Smartphones noch immer ein Upgrade – nur schon haptisch gesehen. Wir erklären Ihnen, was Sie wissen sollten und worauf es ankommt, wenn Sie in die faszinierende Welt der Systemkameras einsteigen möchten.
Nichts geht über das Klicken eines Kameraverschlusses. Und seit das Smartphone die dedizierte Kamera für das Alltagsknipsen abgelöst hat, wird dieses Klicken noch viel wertvoller, weil seltener. Bis es aber klickt, braucht es ein wenig Recherche, um die richtige Kamera zu finden.
Das ist nicht immer die «beste» oder die teuerste Kamera, sondern die, welche optimal zu Ihnen passt. Wichtig ist auch, das passende System zu erwischen, denn eine Systemkamera ist nur so gut wie das System. Neben den Tipps in diesem Artikel finden Sie in der Tabelle (letze Seite) eine Übersicht über aktuelle Kameramodelle bis ca. 1100 Franken (ohne Objektiv), die sich besonders gut für Einsteiger eignen, Bild 1.
Wofür eine Kamera?
Die erste Frage, die Sie vor dem Kamerakauf beantworten sollten: Wofür brauche ich die Kamera? Um Fotos zu machen! Ja natürlich. Aber was für Fotos? Unter welchen Bedingungen? Ist Video ein Faktor oder nicht? Soll die Kamera das Smartphone ersetzen oder ergänzen? Das Angebot an Kameras ist breit und nicht jede Kamera ist für jeden Zweck sinnvoll.
Die charmanten Bedienelemente einer Fujifilm nützen in der Vollautomatik wenig. Für Wildlife-Fotografen kann ein Vollformatsensor unnötige Ausgaben bedeuten. Und wer sowieso nur schwarz-weisse Street-Fotos schiesst, hat wenig von den beliebten Canon-Farben. Entsprechend ist es wichtig zu wissen, welche Anforderungen man an eine Kamera stellt und wie sich diese mit den Stärken und Schwächen der jeweiligen Modelle überschneiden, Bild 2.
Am besten erstellen Sie dafür eine Tabelle oder eine ähnliche Aufstellung. Notieren Sie dabei übliche Funktionen aktueller Kameras. Daneben halten Sie fest, welche Features für Sie zwingend nötig sind, welche eher ein nettes Plus wären und welche nicht wirklich wichtig sind. So behalten Sie den Überblick, nicht nur über die Funktionen an sich, sondern auch darüber, welche wirklich vorhanden sind oder eben nicht.
Anschliessend hilft das Ausschlussverfahren: Alle Kameras, die mehr als eine bestimmte Zahl der wichtigen Funktionen missen, fallen raus. So schrumpft das Feld der Kandidaten schnell auf eine überschaubare Grösse und die «Schön zu haben»-Funktionen werden relevant.
Als Foto-Anfänger ist es allerdings oftmals schwierig, die eigenen Bedürfnisse genau zu kennen. Viele Neueinsteiger haben keine Vorstellung davon, in welche Richtung die Reise gehen soll. Vielmehr wollen sie ausprobieren, lernen und wachsen. In diesen Fällen ist es sinnvoll, eine möglichst vielseitige Kamera in einem umfassenden Wechselobjektiv-System anzupeilen. So kann das gewählte System mit Ihnen zusammen wachsen. Womit wir gleich zum nächsten Punkt kommen.
Eine Kamera ist mehr
Mit dem Kauf einer Systemkamera erstehen Sie nicht nur die Kamera, sondern kaufen sich auch in das zugehörige System ein. Das ist von grosser Bedeutung. Denn ein System wächst in der Regel mit dem Fotografen mit. Wer das System wechseln will, muss nicht nur seine Kamera, sondern auch das meiste andere Equipment auswechseln. Objektive und Zubehör zweier Systeme sind nur in wenigen Fällen miteinander kompatibel, Bild 3.
Schauen Sie sich also beim Kamerakauf nicht nur die Kamera und das Kit-Objektiv an. Prüfen Sie auch, welche Erweiterungen und Zusatzgeräte verfügbar sind. Gibt es viel Zubehör von Drittanbietern? Befindet sich das System noch in stetiger Entwicklung? Welche Teile sind wie miteinander kompatibel? Welche Adapter gäbe es im Fall von inkompatiblen Teilen? Die gute Nachricht: Manchmal sind Allianzen vorhanden, mit denen mehr Kompatibilität erreicht wird. Beispielsweise benutzen Panasonic und Olympus in grossen Teilen das gleiche Objektiv-Mount.
Canon und Nikon liefern bei spiegellosen Modellen häufig den Adapter für alte Spiegelreflex-Objektive mit. Akkus und Ladegeräte sind häufig die gleichen für viele, aber nicht alle Modelle eines Herstellers.
Objektive über alles
Objektive werden manchmal fast wie Zubehör behandelt. Das verkennt jedoch deren Wichtigkeit. Die Qualität des Objektivs trägt massgebend zur Bildqualität bei und sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Oftmals werden teure Kameras mit billigen Objektiven als Kit angeboten, um den Gesamtpreis attraktiv tief zu halten – auch in der Hoffnung, dass der Besitzer später sein Einsteigerobjektiv durch ein besseres, teureres Modell ersetzt. Günstige Einsteigerobjektive haben absolut ihren Platz bei Einsteigerkameras, allerdings vor allem dann, wenn das Budget oberste Priorität hat.
Ein 100-Franken-Objektiv auf eine 1500-Franken-Kamera zu packen, ist hingegen nicht sinnvoll. Eine 800-Franken-Kamera mit einem 800-Franken-Objektiv vom gleichen Typ liefert garantiert bessere Bildqualität. Zudem: Der Kamera-Body wird rascher alt. Die Technologie in den Kamera-Bodys entwickelt sich schneller als bei den Objektiven.
Bessere ISO-Werte, schnellere Verschlusszeiten oder mehr Rechenleistung werden jeden Monat irgendwo neu entwickelt. Auch Objektive werden stetig verbessert, allerdings in einem langsameren Tempo. Eine Kamera von 2010 ist heute schon ordentlich angestaubt, auch wenn sie damals hochklassig war. Ein Objektiv von 2010 ist hingegen höchstwahrscheinlich genauso gut wie die neuen Modelle, Bild 4.
Eine günstige Methode für bessere Bildqualität gibt es auch: Festbrennweiten. Das sind Objektive, die keine Zoom-Funktion anbieten. Gezoomt wird hier mit den Füssen – Sie gehen einfach näher ans Motiv heran. Diese Objektive sind technisch gesehen simpler als Zooms und daher auch deutlich günstiger.
Festbrennweiten sind zudem lichtstärker als Zooms der gleichen Preisklasse. Das hilft bei wenig Licht und beim beliebten Verschwimmen des Hintergrunds, Bild 5. Ausnahmen gibt es natürlich auch hier. Spezifisch geht es um spezielle Bedürfnisse. Wenn Sie beispielsweise eine besonders schnelle Serienbildfunktion für Action-Aufnahmen brauchen. Diese gibt es eher selten bei günstigen Kamera-Bodys. Gute Bildqualität bei hohen ISO-Werten können ebenfalls ein Grund für eine teurere Kamera sein, lassen sich aber auch durch ein lichtstarkes Objektiv zu einem gewissen Grad kompensieren, Bild 6.
Objektiv-Tipp
Die Brennweite eines Objektivs gibt an, wie weit der eingefangene Ausschnitt wird. Niedrige Zahlen bedeuten ein weites Bild (Weitwinkel), hohe Zahlen, ein kleinerer, näher herangeholter Ausschnitt (Tele). Der Zoom bezeichnet den gleitenden Übergang zwischen Brennweiten im gleichen Objektiv. Je nach Sensorgrösse verändert sich der aufgenommene Ausschnitt bei einem bestimmten Brennweiten-Wert. Eine Vollformat-Kamera mit 50-mm-Objektiv zeigt ein weiteres Bild als eine APS-C-Kamera mit 50-mm-Objektiv. Um die Ausschnitte vergleichbar zu machen, rechnet man kleinere Sensoren auf Vollformat um. Dafür muss man den Modifikator seines Sensors kennen. Typische Modifikatoren sind:
- APS-C: × 1,5
- Canon-APS-C: × 1,6
- Micro Four Thirds: × 2
Haben Sie also eine APS-C-Kamera mit einem 50-mm-Objektiv, rechnen Sie 50 × 1,5 und erhalten eine äquivalente Brennweite von 75 mm. Sie sehen also den gleichen Bildausschnitt wie mit einer Vollformat-Kamera mit einer Brennweite von 75 mm.
Die Sensorgrösse
Wenn wir schon von der Sensorgrösse sprechen. Sie ist ein wichtiger Faktor in der Kamerawerbung. Für den Nutzer auch, aber aus anderen Gründen. Was die reine Bildqualität angeht, ist es einfach: Bei sonst gleichen Bedingungen liefert ein grösserer Sensor bessere Bilder als ein kleinerer; besonders in Sachen Details. In der Praxis ist die Bildqualität aber nicht der einzige Faktor, der eine Kamera ausmacht, Bild 7.
Ein grösserer Sensor heisst auch grössere Objektive. Wäre das nicht der Fall, würde jeder Profi-Fotograf ausschliesslich mit Mittelformat-Kameras arbeiten, nicht nur Studiofotografen. Mittelformat liegt noch eine Stufe über Vollformat. Die Sensoren dieser Kameras sind aber so gross, dass praktisch nur Festbrennweiten mehr oder weniger handlich hergestellt werden können. Ein langes Teleobjektiv mit hoher Zoom-Reichweite auf einer Mittelformat-Kamera wäre nicht sinnvoll verwendbar.
Dazu kommt der Brennweiten-Modifikator im letzten Abschnitt. Um im Mittelformat einen Tele-Ausschnitt einfangen zu können, braucht man eine deutlich längere Brennweite, was beim Objektiv noch mehr Grösse und Gewicht bedeutet. Für Wildlife-Fotografen kann ein kleinerer Sensor also sogar ein Vorteil sein, auch wenn sie dabei auf ein Stück Qualität verzichten müssen.
Im professionellen Bereich war bis vor einigen Jahren das Vollformat dominant. Seit dem Aufkommen von spiegellosen Systemkameras ist aber auch das APS-C-Format bei Profis beliebter geworden. Die neue Bauweise verstärkt den Grössenvorteil der APS-C-Modelle.
Der Qualitätsverlust hält sich in Grenzen. Im Amateurbereich ist APS-C schon länger beliebt, da es einen guten Kompromiss aus Qualität, Kompaktheit und Preis bietet. Vollformat ist allerdings erschwinglicher geworden.
Was können Teure besser?
Die teure Vollformat-Kamera ist für viele Amateurfotografen ein ersehntes Ziel. Doch was kann eine solche Kamera, was ein Einsteiger-Modell nicht kann? Alles und nichts.
Alles, weil sie alles ein wenig besser macht als das günstige Modell. Nichts, weil es nur wenige Dinge gibt, die mit dem günstigeren Modell gar nicht möglich sind. Die Bildqualität ist der erste Punkt, bei dem das teure Modell überlegen ist.
Mit dem gleichen Objektiv bietet ein Spitzenmodell mehr Details, akkuratere Farben und oftmals eine höhere Auflösung. Das verstärkt sich bei höheren ISO-Werten in schwierigen Lichtsituationen, die teurere Kameras besser handhaben. Im Serienbild-Modus schafft ein Spitzenmodell meistens mehr Bilder pro Sekunde.
Die Autofokus-Systeme sind in der Regel schneller, zuverlässiger und intelligenter. Gleiches gilt für die Belichtungsmessung. Dazu kommen kleinere Extras wie redundante Kartenslots, mehr Anschlüsse für externe Geräte sowie mehr Schalter und Knöpfe für eine angenehmere Bedienung.
Wichtig zu wissen: Kameras sind nicht immer Allrounder, sondern spezialisieren sich oftmals auf spezifische Anwendungen. Es ist also durchaus möglich, dass Sie günstige Geräte finden, die teure Modelle in einzelnen Bereichen schlagen. Wenn Sie sehr spezifische Bedürfnisse haben, können Sie sich das zunutze machen, Bild 8.
Es gibt zudem auch Dinge, welche die «Kleinen» besser machen. Meistens hat das mit dem Formfaktor zu tun. Spitzenmodelle sind praktisch immer gross und komplex. Einsteigermodelle können aber auch einmal simpel und handlich sein. Zwar fehlt es dann an anderen Orten, aber der Spassfaktor darf auch nie zu kurz kommen.
Was brauche ich alles?
Als Einsteiger in die Kamerawelt ist es nicht leicht zu wissen, was man alles braucht. Im Minimum benötigen Sie Folgendes:
- eine Kamera
- ein Objektiv
- einen Akku
- eine Methode, den Akku zu laden
- ein Speichermedium (meist eine SD-Karte)
- eine Methode, die Fotos komfortabel auf ein Endgerät zu bringen
Als erstes Objektiv empfiehlt sich meistens ein sogenanntes Standardzoom, Bild 9. Das ist ein Objektiv mit einer Zoom-Reichweite, welche die wichtigsten Brennweiten abdeckt. Für Vollformat ist 24–70 mm typisch, bei APS-C ist 18–55 mm (27–82,5 mm äquivalent) häufig. Beim zweiten Objektiv können Sie sich spezialisieren. Beispielsweise mit einer lichtstarken 85-mm-Festbrennweite (gut für Porträts) oder einem Teleobjektiv (Wildlife, Sport). Oder aber Sie legen sich eine Festbrennweite in der Standard-Reichweite zu, um sich herauszufordern. Beliebte Festbrennweiten sind 24, 27, 35, 50 und 85 mm. Besonders 35 und 50 mm gelten als klassische Formate (umrechnen bei APS-C nicht vergessen).
Den Akku und ein Ladegerät erhalten Sie bei Neugeräten mit der Kamera. Ein Ersatzakku ist immer eine gute Investition, besonders wenn Sie viel fotografieren. Zum Filmen sind ein oder mehrere Ersatzakkus fast Pflicht.
Das Gros der Kameras verwendet SD-Speicherkarten. Ausnahmen gibt es vor allem im professionellen Bereich, in dem CF-Karten (CompactFlash) gerade eine Wiedergeburt in kompakter Form erleben; Nikons XQD-Karten beispielsweise. Setzen Sie hier auf bewährte Marken wie SanDisk und vermeiden Sie Karten aus der Ramschkiste. Mit einer kaputten Speicherkarte und ohne Fotos aus den Ferien heimzukommen, macht keinen Spass.
Wie schon beim Akku lohnen sich auch hier Reserven. Falls Sie starken Gebrauch der Serienbildfunktion und von 4K-Videos machen, sollten Sie zudem auf das Kartentempo achten. UHS-I und UHS-II sind aktuell üblich. Beim regulären Fotografieren macht das allerdings keinen grossen Unterschied.
Zuletzt sollen die Fotos noch irgendwie auf ein Endgerät gelangen. Das gelingt beispielsweise mit einem SD-Kartenleser. Notebooks haben einen solchen oftmals eingebaut, ansonsten benötigen Sie einen USB-Adapter dafür. Einige moderne Kameras können Bilder auch direkt über ein USB-Kabel übertragen.
Per WLAN lassen sich vor allem die leichteren JPG-Dateien transferieren, was für Social Media praktisch ist. Bilder im schweren Rohdatenformat müssen Sie jedoch meistens per Kabel transferieren.
Fazit & Testübersicht (Tabelle)
Fazit
Erst planen, dann kaufen
Der Einstieg in die Welt der Systemkameras ist faszinierend, bringt schönere Fotos und viel Freude. Voraussetzung ist jedoch, dass Sie sich zuerst überlegen, was Sie genau von einer Kamera erwarten. Dabei helfen Ihnen die Tipps in diesem Artikel. Zudem haben wir eine Übersicht mit spannenden Einsteiger-Kameras in der Tabelle zusammengestellt. Am besten suchen Sie sich Ihre Favoriten in der Tabelle aus, gehen in einen Laden und nehmen dort auch mal die Kamera in die Hand und testen die Bedienelemente aus. So finden Sie sicher die richtige Kamera, die Sie lange Zeit begleiten wird.
Luca Diggelmann
(Dieser Artikel erschien erstmals im April 2021).
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