Tipps & Tricks
22.09.2016, 08:25 Uhr
Fotografie: Ein DNG ist kein RAW
Bei der nächsten Diskussion über DNG- und RAW-Dateien brillieren Sie mit Ihrem Wissen.
Das DNG-Format existiert seit 2004. Das Kürzel steht für «Digitales NeGativ». Dieses Format wurde von Adobe entwickelt und sollte den Wildwuchs beenden, der bei den unzähligen RAW-Formaten herrscht, weil jeder Hersteller sein eigenes Süppchen kocht. Die Nutzung des offenen Formats steht auch jedem Kamerahersteller als RAW-Alternative offen, doch nur wenige Hersteller machen davon Gebrauch, darunter zum Beispiel Leica.
In letzter Zeit sind auch immer mehr Smartphones in der Lage, Fotos im DNG-Format aufzunehmen, was oft genug mit «Aufnahmen im RAW-Format» angepriesen wird. Doch diese Aussage ist so allgegenwärtig wie falsch. Zugegeben, die Unterscheidung grenzt an Haarspalterei – doch wenn Sie zu den interessierten Fotografen gehören, sollten Sie den Unterschied kennen, bevor Sie alle Ihre RAW-Dateien in das scheinbar so überlegene DNG-Format konvertieren.
Was ist eine RAW-Datei?
Das wissen die meisten engagierten Bildermacher: Eine RAW-Datei enthält die unbehandelten Sensordaten. Es wurde nichts optimiert, geschärft, korrigiert oder gar beschönigt. Die Kamera pappt nur die roten, blauen und grünen Bildinformationen zu einem Farbbrei zusammen.
Eine RAW-Datei ist so ungeschliffen, dass sie nicht direkt verwendet werden kann. Stattdessen muss zuerst ein RAW-Converter das Demosaicing vornehmen, also die Rohdaten entschlüsseln. (Ein hässliches Wort, für das es leider keine schöne deutsche Übersetzung gibt.) Bei diesem Vorgang werden die Bildinformationen interpretiert und in ein Foto umgewandelt, mit dem sich arbeiten lässt.
Interpretionssache
Das Stichwort ist gefallen: «interpretiert». Will heissen, dass das Demosaicing keine exakte Wissenschaft ist. Jeder Kamera- und Software-Hersteller geht das Thema anders an. Über die Qualität der RAW-Converter wird in allen Fotoforen hitzig diskutiert. Ist Lightroom besser als Capture One? Wie verhält sich die RAW-Engine von Irident bei Bildern mit hohem Rotanteil? Und so weiter. Das Thema ist endlos und vor allem müssig, weil die Unterschiede oft winzig sind und sich nur auf dem Bildschirm in der doppelten Vergrösserung zeigen.
Wichtig ist einzig das Wissen, dass es beim Vorgang des Demosaicing sichtbare Qualitätsunterschiede gibt. Manchmal kommt es auch vor, dass sich der zugrundeliegende Algorithmus verändert. Wenn Sie zum Beispiel in Adobe Lightroom eine RAW-Datei öffnen, sehen Sie im Panel «Kamerakalibrierung» die verschiedenen Prozessversionen, die Sie anwählen können:
Sie sehen hier, dass Adobe den Algorithmus für das Demosaicing schon zweimal geändert hat. Die neue Version ist die beste, aber es steht Ihnen frei, eine alte Version zu verwenden – etwa dann, wenn sich eine Fotoserie über mehrere Jahre erstreckt und die Ausgangslage dieselbe bleiben muss.
Was Sie ebenfalls wissen müssen: Das Demosaicing entscheidet, wie hochwertig die Basis für die weitere Verarbeitung ist. Sie können an den unzähligen Reglern Ihres RAW-Converters solange herumspielen, wie Sie möchten und jede Entscheidung zurücknehmen. Aber wenn die RAW-Daten erst einmal interpretiert sind, ist die Grundlage des Bildes in Stein gemeisselt. Vielleicht veröffentlicht Adobe morgen die vierte Version des Demosaicing-Algorithmus – doch wenn Sie nicht mehr im Besitz der RAW-Dateien sind, können Sie von den nachträglichen Verbesserungen nicht profitieren.
Und was ist jetzt eine DNG-Datei?
Die Puzzleteile setzen sich zum grossen Ganzen zusammen. Wir verzichten hier auf die Nennung der Vor- und Nachteile des DNG-Formats. Wichtig ist nur das Wissen, dass die Bilddatei in diesem Container keine RAW-, sondern eine TIF-Datei ist. Irgendeine Software in der Kamera oder am PC hat das Demosaicing übernommen und die Rohdaten unwiderruflich in eine TIF-Datei umgewandelt.
Diese TIF-Datei ist auch der Grund, warum das DNG-Format von so vielen Programmen verstanden wird: Es gibt ja nichts mehr zu interpretieren.
Was heisst das in der Praxis?
Jetzt, da Sie den Unterschied kennen, liegt die Deutungshoheit ganz bei Ihnen. DNGs können von einer so hohen Qualität sein, dass sie der ursprünglichen RAW-Datei kaum nachstehen. Doch so viel steht fest: Nur die RAW-Datei ist das echte «digitale Negativ».
Lightroom bietet zum Beispiel die Möglichkeit, RAWs gleich beim Import oder nachträglich auf Knopfdruck in DNGs umzuwandeln. Nichts läge mir ferner. Vielleicht sind eines Tages meine RAW-Dateien nur noch mit ganz wenigen Programmen kompatibel – dann kann ich den Rechner immer noch übers Wochenende durchlaufen lassen und alle RAWs in DNGs überführen. Ganz bestimmt werde ich die Vorzüge der RAW-Dateien nicht in vorauseilendem Gehorsam verspielen. Aber wie gesagt: Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen.
DNG und Smartphones
Gerade DNG-Dateien aus Smartphones sehen häufig besser aus, als es bei einer RAW-Datei eigentlich der Fall sein dürfte. Und das wiederum heisst, dass sich bereits ein Algorithmus an den Farben zu schaffen gemacht hat. Trotzdem sollten wir bei den Smartphones grosszügig über dieses Haarspalterei hinwegsehen. Wenn Sie sich mit der richtigen Software bewaffnen und die nötige Zeit investieren, werden die Fotos aus dem Smartphone deutlich besser. Ausserdem steht Ihnen das ganze Arsenal an Funktionen zur Verfügung, das Ihnen ein moderner RAW-Converter bietet.
Nächste Seite: Diese Smartphone-Apps unterstützen das DNG-Format
Diese Smartphone-Apps unterstützen das DNG-Format
iPhone-Apps
Um Fotos unter iOS im DNG-Format aufzuzeichnen, benötigen Sie ein Gerät mit einer 12-Mpx-Kamera. Namentlich sind das heute diese Modelle: iPhone 6s (Plus), iPhone 7 (Plus), iPhone SE und das iPad Pro 9.7 Zoll. Diese Geräte müssen unter iOS 10 oder neuer laufen. Ausserdem benötigen Sie eine App, die im DNG-Format aufzeichnet, denn die Apple-App «Kamera» unterstützt diese Funktion nicht.
Wenn Sie Abonnent der Adobe Creative Cloud sind, bietet sich Adobe Lightroom Mobile an. Der Kamerateil ist zwar äusserst bescheiden und unterstützt zurzeit nicht einmal die duale Kamera des iPhone 7 Plus. Doch die App punktet mit einer direkten Verbindung zu Lightroom am Desktop-Rechner. Viel mehr zu einem solchen Workflow erfahren Sie hier.
Wenn Sie die pure Leistung suchen, prüfen Sie ProCamera 4, die zu den leistungsfähigsten und besten Kamera-Apps für iOS gehört. Sie ist gespickt mit Funktionen und unterstützt die Dualkamera im iPhone 7 Plus. DNGs werden gleichzeitig mit JPEGs aufgenommen, sodass Sie sich alle Optionen offenhalten.
Kamera-Apps für Android
Nicht alle Smartphones unter Android sind in der Lage, Fotos im DNG-Format aufzuzeichnen. Ausserdem muss das Gerät mindestens unter Android 5.0 «Lollipop» laufen, denn mit dieser Version wurde die «Camera2 API» eingeführt, die DNG-Aufnahmen überhaupt erst möglich macht.
Ob Ihr Android-Smartphone dazu in der Lage ist, erfahren Sie am einfachsten, indem Sie die App Manual Camera Compatibility herunterladen. Sie ist eigentlich dazu gedacht, um herauszufinden, welche Funktionen von der «Haupt-App» Manual Camera unterstützt werden können – doch so wissen Sie recht genau, wozu Ihr Smartphone in der Lage ist.
Auch unter Android bietet sich Lightroom Mobile förmlich an, doch hier wird für DNG-Aufnahmen ebenfalls ein Abonnement der Creative Cloud vorausgesetzt. Eine weitere beliebte App mit DNG-Unterstützung ist Open Camera.
22.09.2016
23.09.2016
23.09.2016
23.09.2016
23.09.2016
25.09.2016
26.09.2016