E-Bikes
17.06.2020, 11:17 Uhr
E-Bikes: Was sie beim Kauf beachten müssen
Die Digitalisierung macht vor nichts und niemandem halt, auch nicht vor dem guten alten Drahtesel. Aus dem Velo wird ein durchtrainiertes Cyborg-Rennpferd. Unsere Kaufberatung gibt grundlegende Tipps rund um E-Bikes.
Klären wir zuerst zwei Dinge: die genaue Terminologie und die rechtliche Lage. Genau genommen sind ein E-Bike und ein Pedelec zwei unterschiedliche Dinge. Ein Pedelec ist ein Fahrrad mit Motorunterstützung, die aber nur aktiv ist, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Ein E-Bike hingegen ist ein Fahrrad mit Elektromotor, der ohne Treten funktioniert und sich bei 25 km/h abschaltet. In der Praxis wird der Begriff E-Bike jedoch für beide Varianten verwendet. Und da der Marktanteil der Bikes mit Tretunterstützung deutlich grösser ist, hat sich der Begriff E-Bike für Pedelecs eingebürgert. In der Schweiz werden die Begriffe Pedelec oder Elektrofahrrad zudem praktisch nicht verwendet und eigentliche E-Bikes (ohne Tretunterstützung) kaum verkauft. Sprechen wir in diesem Artikel von E-Bikes, meinen wir Pedelecs – also Fahrräder mit einem Elektromotor, der nur beim Treten aktiv ist, Bild 1.
Pedelec vs. S-Pedelec
Pedelecs sind nicht ganz Velos, aber auch nicht ganz Motorräder. Zudem gibts Unterschiede im Tempo. Angeboten werden die schnellen S-Pedelecs (bis 45 km/h) und die «normalen» Pedelecs (bis 25 km/h). Für die schnelleren Modelle gilt grossteils die gesetzliche Grundlage der Mofas (30er-Töffli), während Pedelecs fast gleich wie Velos behandelt werden. Beachten Sie dazu auch die Tabelle.
Antrieb
Der Antrieb eines E-Bikes besteht aus drei Hauptteilen: dem Motor, dem Akku und der Motorsteuerung. Alle drei Komponenten arbeiten eng zusammen und sind häufig vom selben Hersteller. Schauen wir uns die einzelnen Teile genauer an.
Der Motor
Der Elektromotor eines E-Bikes ist dafür verantwortlich, die Energie aus dem Akku auf die Strasse zu bringen. Das geschieht bei modernen E-Bikes hauptsächlich in zwei Varianten.
● Die derzeit häufigste Variante ist der Mittelmotor. Dabei wird der Motor an der Kurbel angebracht und unterstützt direkt dort, wo Ihre Beine am Werk sind. Der Motor wird meistens direkt in den Rahmen eingebaut. Beliebt ist der Mittelmotor vor allem wegen seiner Vielseitigkeit und seinem natürlichen Fahrgefühl. Der Mittelmotor fühlt sich am meisten an, als fahre man ein reguläres Velo, Bild 2; zumindest, was die Gewichtsverteilung angeht. Das Schaltsystem macht hier ebenfalls einen grossen Unterschied.
Die Nachteile des Mittelmotors: Der Motor überträgt seine Kraft nicht direkt auf das Rad, sondern muss die Leistung erst noch über Kette und Ritzel leiten. So geht Energie verloren und mehr Bauteile werden belastet.
● Die Variante Nabenmotor wird, wie der Name vermuten lässt, in die Nabe des Vorderoder Hinterrads eingebaut. So wird die Kraft direkt auf das jeweilige Rad übertragen, was Energie spart. Im Gegenzug dazu verändert sich das Fahrgefühl deutlich mehr als bei dem relativ neutralen Mittelmotor.
Fast alle Nabenmotoren werden heutzutage am Hinterrad angebracht, Bild 3; das aus verschiedenen Gründen, allem voran das natürlichere Fahrgefühl. Der Nabenmotor am Vorderrad ist nur in zwei Situationen wirklich praktisch: er ist sehr einfach einzubauen und daher bei aufgerüsteten Velos beliebt. Und bei etwa gleichmässiger Motor- und Tretleistung entsteht eine Art Allradantrieb, der angenehm zu fahren ist. Leistet der Motor aber mehr als die Beine des Fahrers, fährt sich ein Frontrad-Nabenmotor sehr ungewohnt und neigt zu schlechter Kraftübertragung auf den Boden.
Der Nabenmotor am Hinterrad ist besonders für leistungsstarke E-Bikes ideal, da er wenig Leistung verliert und den Fahrer angenehm von hinten her anschiebt. Wichtig bei einem Hinterrad-Nabenmotor ist, dass der Schwerpunkt des Velos nicht zu stark nach hinten rutscht. Daher sollte der Akku eher in der Mitte oder im vorderen Drittel des Velos angebracht werden. Das ist insbesondere für Mountainbikes wichtig, die einen ausgeglichenen Schwerpunkt benötigen. Allerdings ist der Nabenmotor bei Mountainbikes etwas weniger beliebt, da die Masse des angetriebenen Rads deutlich höher ist als ohne Motor. Und da das Rad im Gegensatz zum Rahmen nicht gefedert ist, beeinflusst dies das Fahrverhalten negativ.
Die Leistung von E-Bike-Motoren ist grösstenteils durch gesetzliche Grundlagen limitiert. Pedelecs mit Unterstützung bis 25 km/h dürfen in der Schweiz bis maximal 500 Watt Leistung liefern. Da in der EU das Limit bei 250 Watt liegt, werden die meisten Velos entsprechend ausgerüstet. Für S-Pedelecs liegt die Obergrenze in der Schweiz bei 1000 Watt. In der Praxis liefern die meisten Motoren dieser Klasse zwischen 350 und 500 Watt. Niedrigere Werte sind bei günstigen Rädern üblich, während Luxus-Bikes durchaus bis über 800 Watt an Power anbieten.
Batterien
Direkt mit der Leistung des Motors verbunden ist die Batterie. Denn ohne Batterie läuft der Motor nicht und die Nutzung des Motors beeinflusst direkt, wie lange die Batterie hält. Heutzutage werden in allen E-Bikes Lithium-Ionen-Akkus verbaut. Diese sind bewährt und bieten die aktuell beste Energiedichte zu einem bezahlbaren Preis in einem sehr gut nutzbaren Format, Bilder 4 und 5.
Der Akku beeinflusst beim Fahren exakt einen Wert: Wie lange kann ich mit Motor fahren. Er macht weder den Motor leistungsfähiger, noch liefert er mehr oder weniger Unterstützung. Die Kapazität des Akkus wird in Wattstunden (Wh) angegeben. Ein üblicher 250-Watt-Motor verbraucht in einer Stunde also 250 Wh, wenn er auf sich allein gestellt ist. Die meisten E-Bike-Akkus haben eine Kapazität zwischen 300 und 500 Wh. Das klingt nach dem vorherigen Beispiel nach wenig. Man darf allerdings nicht vergessen, dass der Akku nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h bzw. 45 km/h die volle Leistung bringt und auch dann nicht die gesamte Kraft allein trägt. Der Fahrer trägt in der Regel zwischen 50 Watt und 200 Watt an Leistung selbst. Ein 250-Watt-Motor mit einem 500-Wh-Akku hält also bei durchschnittlichen Bedingungen nicht nur zwei Stunden, sondern eher vier bis fünf Stunden durch, bis er geladen werden muss.
Die genauen Reichweiten variieren jedoch stark. Die Leistung des Fahrers, die benötigte Leistung des Motors, das Gelände, bewältigte Höhenunterschiede und die Umgebungstemperatur sind einige der wichtigsten Faktoren, welche die Akkulaufzeit beeinflussen. Steigungen nagen mehr an der Batterie, während Abfahrten den Akku praktisch nicht belasten.
Die meisten Motorhersteller bieten verschiedene Leistungsstufen an. Üblich sind ein Stromsparmodus, ein regulärer Modus und ein Hochleistungsmodus, die unterschiedlich viel Strom benötigen. Je nach Hersteller gibt es mehrere Abstufungen. Bosch bietet hierzu sogar einen Onlinerechner an, bei dem Sie durch verschiedene Angaben zu sich, Ihrem Velo und der geplanten Route ausrechnen können, wie weit Sie wahrscheinlich kommen. Diesen finden Sie unter der Internetadresse go.pctipp.ch/1907.
Wie lange der Akku zum Aufladen benötigt, ist einfach auszurechnen: Ah/A=t Sie teilen also die Amperestunden des Akkus durch den Ampere-Output des Ladegeräts und erhalten die Zeit (t) in Stunden. Die Werte sind jeweils auf dem Akku und dem Ladegerät aufgedruckt.
Zum Abschluss noch ein paar allgemeine Tipps zum E-Bike-Akku:
- Verwenden Sie nur Originalakkus, da diese korrekt mit dem Motor funktionieren.
- Benutzen Sie nur Originalladegeräte, um Schäden zu vermeiden.
- Bringen Sie Ihren Akku nach einem Sturz oder einem grösseren Schlag sicherheitshalber ins Fachgeschäft zur Prüfung.
- Die Lebensdauer des Akkus nimmt mit jedem kompletten Ladezyklus leicht ab. Nach 500 Ladezyklen sollte der Akku noch rund 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität haben. Ab rund 1000 Ladezyklen brauchen Sie wahrscheinlich einen neuen Akku.
Schaltungen
Neben dem Motor hat die Schaltung wahrscheinlich den grössten Einfluss auf das Fahrverhalten eines E-Bikes. Grundsätzlich verwenden die meisten E-Bikes einen von zwei Schaltungstypen.
● Die klassische Kettenschaltung ist vor allem bei Mountainbikes und S-Pedelecs mit Hinterradnabenmotor beliebt, Bild 6. Sie bietet das ähnlichste Fahrverhalten zu regulären Velos, da die Kraftübertragung von der Kurbel zum Hinterrad genau gleich funktioniert. Je nach Motortyp greift die Unterstützung bereits an der Kurbel oder erst am Hinterrad. Die Nachteile sind ebenfalls dieselben wie beim regulären Velo: Die Kettenschaltung ist eher wartungsintensiv und muss regelmässig geputzt und nachgeölt werden. Zudem ist der Schaltvorgang etwas komplizierter, was für ungeübte Fahrer problematisch sein kann.
● Die Nabenschaltung feiert mit E-Bikes eine regelrechte Wiedergeburt. Denn kombiniert mit einem Motor, bietet die Nabenschaltung diverse Vorteile und einige der Nachteile des Schaltungstyps werden kompensiert, Bild 7. Nabenschaltungen sind direkt in die Nabe des Hinterrads eingebaut. So verfügt das Velo nur über ein einziges Ritzel an der Kurbel und ein zweites am Hinterrad. Die Kette wird zum Schalten nicht umgeworfen, sondern bleibt auf dem gleichen Ritzel. Geschaltet wird im Innern der Nabe, was das Schaltsystem vor äusseren Einflüssen schützt und die Wartung einfacher macht.
Die zwei grössten Nachteile von Nabenschaltungen, der Preis und die kleinere Reichweite, werden durch E-Bikes grösstenteils kompensiert. Der höhere Preis fällt bei einem 5000-Franken-Bike schlicht weniger ins Gewicht als bei einem 400-Franken-Velo und die geringere Reichweite wird durch den Motor kompensiert. Weniger geeignet sind Nabenschaltungen vor allem für sportliche Fahrer, da die Schaltungen nur maximal 50 Nm (Newtonmeter) an Drehmoment vertragen. Das schliesst einige starke Motoren aus und überträgt sportliches Fahren nur schlecht.
Eine Variante der Nabenschaltung funktioniert mit einem Riemenantrieb statt einer Kette. Der Riemen ist leichter zu warten als eine Kette, läuft ruhiger und überträgt Kraft noch etwas besser, Bild 8. Allerdings muss der Riemen bei einem Schaden von einer Fachperson ausgetauscht werden, während man eine Kette selbst austauschen kann.
Zusammengefasst sind Kettenschaltungen hauptsächlich für sportliche Fahrer ideal. E-Mountainbikes und S-Pedelecs für Touren profitieren am meisten von einer Kettenschaltung. Für sportliche Fahrer sollte die komplexere Schaltung auch kein Problem sein.
Nabenschaltungen sind hingegen besonders praktisch für die Stadt. Sie sind wartungsarm, einfach zu bedienen und können im Stehen schalten, was beispielsweise an einem Lichtsignal praktisch ist.
Bei beiden Varianten gibt es neben den üblichen manuellen Versionen auch elektronisch gesteuerte und sogar automatische Systeme. Diese bieten unter anderem Vorteile wie Schaltempfehlungen und eine optimale Abstimmung mit dem Motor. Eine Kombination von Schaltung und Motor vom gleichen Hersteller kann miteinander kommunizieren und für die gewählte Motorleistung und Tretfrequenz einen passenden Gang aussuchen. Einige E-Bikes bieten auch halbautomatische Systeme an, die beispielsweise auf Basis einer eingestellten Trittfrequenz automatisch schalten, was besonders für Ausdauerfahrer spannend ist. Zum Bremsen haben sich Scheibenbremsen etabliert, Bild 9.
Digitales
Die meisten E-Bikes verfügen über einen Bordcomputer und weitere digitale Spielereien, Bild 10. Das bietet sich nur schon an, weil der Bordcomputer eines E-Bikes keine separate Stromversorgung braucht. Zudem lassen sich so die verschiedenen Motorfunktionen einfach steuern und im Auge behalten, Bild 11. Zuletzt ist gerade für S-Pedelecs die Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit wichtig, da man in einer 30er-Zone leicht über das Tempolimit gerät und gebüsst werden kann.
Basisfunktionen wie grundlegende Infos zum Motor und zum Akkustand sind bei fast allen E-Bikes im Lieferumfang enthalten. Ausführlichere Bordcomputer sind normalerweise als Optionen verfügbar oder bei kostspieligeren Modellen inbegriffen, Bild 12.
Der Schweizer Hersteller Flyer bietet beispielsweise alle seine E-Bikes mit dem sogenannten FIT-System an. Es handelt sich um eine Kombination aus Bordcomputer und Motorsteuerung, alles am Lenker angebracht. Auf dem grössten Modell D1 sehen Sie nicht nur Ihre aktuelle Geschwindigkeit, sondern auch die Uhrzeit, den Akkustand, die aktuelle Motorleistung, den eingestellten Gang, die verbrannten Kalorien, die aktuelle Tripdistanz, Eigenleistung, Kadenz, Höhe über Meer, Temperatur und anderes mehr. Da fällt es dem E-Bike-Fahrer schon fast schwer, noch auf die Strasse zu schauen.
Tipps und Fazit
Tipp: Ermüdung und Caipirinhas
Ein kleiner Tipp noch aus eigener Erfahrung: Mit E-Bikes zu fahren, ist ein wenig wie Caipirinhas trinken: Man merkt erst, dass man es übertrieben hat, wenn es zu spät ist. Da man auf dem E-Bike mit wenig Kraftaufwand vergleichsweise flott vorankommt, bemerkt man kaum, dass man dennoch ohne Unterbruch Muskelkraft aufwendet. Denn ohne zu treten, gehts nicht. Steigt man anschliessend nach ein paar Stunden Fahrt vom Velo, bemerkt der Körper plötzlich, dass ein gutes Stück Energie fehlt. Achten Sie also auch bei der Ausfahrt mit dem E-Bike darauf, dass Sie genügend trinken und den Energiehaushalt mit Snacks ausgleichen.
Tipp: Führerschein Kategorie M
Um E-Bikes der Kategorie S-Pedelec fahren zu dürfen, benötigen Sie in der Schweiz einen Führerschein der Kategorie M. Das ist derselbe Führerschein, der auch zum Führen von Mofas berechtigt. In der Mundart spricht man unter anderem vom Töfflibrief. Für den Führerschein der Kategorie M benötigen Sie zunächst ein Formular des kantonalen Verkehrsamts. Auf diesem Formular finden Sie alle wichtigen Informationen, was Sie zum Führerschein der Kategorie M alles brauchen. Zunächst füllen Sie die persönlichen Details ein. Danach besuchen Sie einen Optiker oder Augenarzt für einen Sehtest. Die Resultate des Sehtests können direkt auf dem kantonalen Formular eingetragen werden. Mit diesen Informationen melden Sie sich zur Identifikation bei Ihrer Einwohnerbehörde. Bringen Sie dazu eine ID-Karte oder einen Reisepass mit.
Je nach Kanton können hier Amtskosten anfallen. Schicken Sie das ausgefüllte Formular anschliessend an das kantonale Verkehrsamt. Sie erhalten per Post einen Zugang zu einer Onlinetheorieprüfung. Es handelt sich um eine vereinfachte Version der Auto-Theorieprüfung mit spezifisch auf Mofas und E-Bikes zugeschnittenen Fragen.
Schaffen Sie 90 Prozent der möglichen Punkte in der Theorieprüfung, erhalten Sie Ihren Führerschein der Kategorie M per Post. Der ganze Vorgang kann allerdings einige Wochen dauern.
Fazit: unbedingt Probe fahren
Egal, wie viele Daten Sie sich zu einem E-Bike online zusammensuchen: Am Ende geht beim Velokauf nichts über eine Probefahrt. Nur so finden Sie wirklich heraus, welches Bike am besten zu Ihnen passt. Bei einer Probefahrt spüren Sie aus erster Hand, wie der Motor beschleunigt, wie die Sitzposition für Sie persönlich ist, wie gut der Sattel zu Ihrem Körperbau passt, wie agil das Velo in die Kurve geht, wie gut Sie mit dem Schaltsystem zurechtkommen. Beim Kauf eines E-Bikes sind viele Faktoren von sehr individuellen Präferenzen und körperlichen Gegebenheiten abhängig. Das, kombiniert mit eher hohen Preisen, macht eine Testfahrt extrem lohnenswert. Sammeln Sie im Voraus so viele Informationen wie möglich über ein Modell, damit Sie bereits eine Vorahnung haben, was für Sie passen könnte, aber lassen Sie auf keinen Fall die Testfahrt aus. Zusammen mit einer kompetenten Fachperson finden Sie so am ehesten ein passendes Modell.
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