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07.08.2013, 09:06 Uhr
Nie im Voraus bezahlen
Ein Leser schickt uns einen Erlebnisbericht zu einem Missbrauchsvorfall bei Ricardo. Die Masche ist nicht unbekannt. Auch auf Portalen wie ImmoScout und Homegate lauern fiese Trickdiebe.
Vorsicht auch bei Immobilienportalen! Generell gilt: Nie etwas oder zumindest keine grösseren Beträge im Voraus bezahlen
In einem fünfseitigen Brief schildert uns M.K. minutiös einen fünftägigen Erlebnisbericht. Der User ersteigerte demnach vier Samsung-Tablets, die als Geräte aus einem Liquidationsverkauf angepriesen wurden. Eigenen Aussagen zufolge ist M.K. schon seit 2005 Mitglied bei ricardo.ch und konnte den Grossteil seiner eigenen Positivbewertungen als angenehmer Einkäufer erzielen.
Auffällige Lockvogelangebote
Während einer Woche beobachtete M.K. mehrere teure Artikel eines Mitglieds, die kaum von Liquidationsverkauf zeugen konnten. Dabei handelte es sich um viele aktuelle elektronische Artikel mit Startpreisen von 1 Franken. Selbst bei einem Liquidationsverkauf müsste ein Anbieter einen gewissen Prozentsatz des Ladenverkaufspreises erwirtschaften, damit etwas verdient werden kann. Zunächst kam bei M.K. der Verdacht auf, dass es sich um gestohlene Ware aus einem Media Markt handeln könnte, worauf er sogleich dessen Benutzernamen googelte, um nachzuforschen, was jener Verkäufer so in letzter Zeit versteigerte. In einer riesigen Excel-Liste, die uns auch vorliegt, hat der Leser alle vermeintlich getätigten Abschlüsse protokolliert. Tatsächlich könnte man anhand der bereitwillig bezahlten Beiträge von Missbrauchsopfern hochrechnen, dass schon in zwei Tagen über 30'000 Franken ergaunert wurden.
Ein ausgeraubter Media Markt?
Der aufmerksame User meldete angesichts der Art der gehandelten Ware den Vorfall an die Kapo Zürich wegen Verdachts auf die kürzlich überfallene Media-Markt-Filiale in Dietikon. Jedoch erwies sich ein Rückruf der Polizei als Fehlanzeige, zumal jener Vorfall kürzlich geklärt werden konnte. Nach dem Gespräch mit der Kapo informierte M.K. ricardo.ch über die Feststellungen. Er nahm auch mit anderen Käufern Kontakt auf, die M.K. tatsächlich bekundeten, nie Ware erhalten zu haben.
Profil gelöscht
Nachdem aber erste Negativkommentare bei dem verdächtigten Verkäufer zu sehen waren, war das Profil dieses Users am 26. Juli 2013 auf Ricardo verschwunden. Aus einer sicheren Quelle behauptet M.K. erfahren zu haben, dass sich der Verkäufer in seiner Heimat im Kosovo aufhalte und seine in der Schweiz eingetragene Firma hoch verschuldet sei, wovon auch ein uns vorliegender E-Mail-Verkehr zeugt. In der E-Mail schreibt der Verkäufer an M.K. unter anderem, dass sein Lager plötzlich leer sei.
Zu wenig Hilfeleistung
Zu wenig Hilfeleistung
Was für M.K. offenbar das Fass zum Überlaufen brachte, war die Tatsache, wonach Ricardo den verschiedenen Käufern «unterschiedlich» geantwortet hätte. Bedenken von Mitgliedern würden damit abgetan, dass die (offensichtlich) positiven Bewertungen davon zeugen würden, dass alles in Ordnung sei. Ricardo habe seiner Ansicht nach «kläglich versagt», zu wenig Hilfestellung geleistet und weise Anschuldigungen von sich. Die Kontrollen bei einem Neumitglied würden anscheinend nur «als Augenwischerei» betrieben.
Stellungnahme von Ricardo
Ricardo meinte dazu, dass alle Meldungen der Mitglieder überprüft würden. «Es werden bei Meldungen unserer Mitglieder die Kommentare und Negativbewertungen des betroffenen Kontos angeschaut und bei Verdachtsfällen wird der Kunde blockiert und muss dann Nachweise über dessen Geschäftstätigkeit und Person/Firma erbringen. Wichtig zu erwähnen ist jedoch, dass ricardo.ch den Marktplatz zur Verfügung stellt, der Verkaufsvertrag entsteht jedoch direkt zwischen dem Käufer und dem Verkäufer», erklärte uns Simon Marquard, Mediensprecher von Ricardo.
Jedes Neumitglied erhalte den Aktivierungscode an seine Adresse geschickt, somit würde bereits die Adresse verifiziert.
Empfehlungen
«Wir empfehlen unseren Mitgliedern, teurere Artikel direkt persönlich beim Verkäufer abzuholen. Ricardo bietet zudem freiwillig einen Käuferschutz an, von dem alle Mitglieder Gebrauch machen können und von uns im Schadensfall bis zu Fr. 250.– erhalten. Bei Betrugsfällen teilen wir den Mitgliedern mit, rechtlich vorzugehen, da wie erwähnt, der Verkaufsvertrag zwischen dem Käufer und Verkäufer entsteht. Im Fall einer Anzeige nimmt jedoch die Polizei mit uns Kontakt auf und wir geben ihr die benötigten Koordinaten. Bei täglich 20'000 verkauften Artikeln kann es in wenigen Fällen zu Problemen zwischen den Vertragsparteien kommen, jedoch bewegen sich diese Fälle im Promillebereich», so Marquard.
Schöne Ferienwohnung gesehen ...
Schöne Ferienwohnung gesehen ...
Haben Sie auch schon eine schöne Ferien- und Studentenwohnung auf einer Immobilienplattform entdeckt? Das Angebot tönt verlockend: ein schönes Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Berlin, speziell für Studenten für nur 200 Franken? Während andere mit Massen-E-Mail-Bewerbungen um die schöne Wohnung ringen, haben Sie offenbar schon Glück gehabt. Darauf meldet sich jemand in Englisch per E-Mail, um Ihnen mitzuteilen, dass sich der momentane Vermieter zurzeit in Schweden aufhalte, und dass es am einfachsten wäre, alles Weitere (also die Kaution) per Western-Union-Überweisung zu regeln. Von einem ähnlichen Beispiel berichtete die Süddeutsche Zeitung. Dem Bericht zufolge kennt auch ImmoScout die Probleme seit längerer Zeit. Dort würden pro Woche im Schnitt 800 Angebote deaktiviert werden, sagte ein Sprecher von Immoscout24.ch gegenüber der Zeitung.
Achtung bei Superlativen
Ein klassisches Lockvogelangebot hört sich meistens gut an mit Superlativen wie «tolle Lage, gross, billig». Meist tauchen solche Täter ImmoScout zufolge in grösseren Ballungszentren auf, wo der Markt eben eher begrenzt und die Nachfrage gross ist. Die Masche ist meistens dieselbe: Als neutrale Agentur wegen der zu grossen Distanz zum Vermieter agiert häufig eine Firma wie Moneybookers. Sobald die Monatsmiete plus Kaution einbezahlt sei, gehöre die Wohnung dem neuen Besitzer. Die Anzeige gegen die Betrüger verläuft erfolglos. Es gibt wenig Chancen, den Täter ausfindig zu machen. Man kann zwar Anzeige gegen Unbekannt erstatten, wenn es passiert ist. Die Spur bei den Polizeibehörden verflüchtigt sich oft in irgendwelche Internetcafés beispielsweise bei der Elfenbeinküste oder auch in andere Länder: Die Schweizer Polizei ist da oft machtlos, berichtet auch die Berner Zeitung von einem Fall.
Ihre Meinung interessiert uns
Haben Sie schon ähnliche Erfahrungen auf Auktions- oder Immobilienplattformen gemacht? Ihre Meldung interessiert uns. Zurzeit stehen unsererseits noch Anfragen an die Kantonspolizei offen. Gerne berichten wir in einem zweiten Teil mehr darüber.
Autor(in)
Simon
Gröflin
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