Netflix
21.07.2021, 09:37 Uhr
Netflix steigt ins Game-Streaming ein
Trotz nachlassender Zahlen will Streaming-Anbieter Netflix zukünftig auch Game-Streaming anbieten – ohne Aufpreis.
Der Streaming-Riese Netflix hat mit seinen Serien und Filmen im zweiten Quartal so wenige neue Nutzer anlocken können wie noch nie zuvor in einem Vierteljahr.
In den drei Monaten bis Ende Juni nahm die weltweite Anzahl der Abonnenten lediglich um 1,5 Millionen auf insgesamt gut 209 Millionen zu, wie das Unternehmen am Dienstag nach US-Börsenschluss mitteilte. Auch die Prognose für das laufende Quartal fiel mit 3,5 Millionen neuen Kunden relativ mager aus. Der Streaming-Marktführer steht angesichts verschärfter Konkurrenz unter Druck und will nun in neue Märkte expandieren.
Dass die Menschen nach der Pandemie die Lust am Streaming verlieren, glaubt Netflix-Chef Reed Hastings nicht. «Die Wachstumsstory bleibt intakt, zumindest für die nächsten Jahre», sagte er bei einem Video-Interview nach Vorlage des Quartalsberichts. Bange vor Streaming-Konkurrenten wie dem Hollywood-Giganten Walt Disney und anderen finanzstarken Rivalen wie WarnerMedia mit dem beliebten Bezahlsender HBO («Game of Thrones») oder Amazon, die sich durch Fusionen und Zukäufe stärken wollen, ist Hastings auch nicht. «Wir sehen keinen grossen Gegenwind durch neue Streaming-Wettbewerber.»
Netflix konnte auch im vergangenen Quartal durchaus mit einigen Produktionen punkten. So war etwa die zweite Staffel der französischen Gauner-Serie «Lupin» ein Hit, der allein in der ersten Woche von 54 Millionen Nutzerkonten abgerufen wurde. Solche Erfolge verblassten jedoch im Vergleich zum Streaming-Boom, den die Corona-Krise 2020 ausgelöst hatte. Im Vorjahreszeitraum, als viele Menschen pandemiebedingt zu Hause festsassen, gab es einen regelrechten Ansturm auf Netflix. Im ersten Halbjahr 2020 hatte das Unternehmen einen rasanten Zuwachs von über 25 Millionen neuen Nutzern verbucht.
Die Pandemie habe zu einer ungewöhnlichen Verzerrung der Zahlen geführt, schrieb Netflix nun im Brief an die Aktionäre. Dafür lief das Quartal finanziell betrachtet weit besser als vor einem Jahr. Der Nettogewinn stieg um fast 90 Prozent auf 1,4 Milliarden Dollar (ca. 1,3 Mrd. Franken) und die Erlöse wuchsen um 19 Prozent auf 7,3 Milliarden Dollar. Dass diesmal nicht mit den ganz grossen Blockbustern zu rechnen war, war aufgrund pandemiebedingter Produktionsprobleme eigentlich klar gewesen. Doch beim Ausblick hatten Analysten mehr erwartet. Das liess die Aktie nachbörslich in einer ersten Reaktion stark absacken, der Kurs erholte sich aber rasch wieder.
Neben dem Hauptgeschäft mit Streaming stellt Netflix zusehends die Weichen, um in neue Märkte vorzudringen. Im Juni eröffnete der Pionier des Fernsehens im Internet einen Online-Shop für Fanartikel. Noch ist das Angebot gering, doch perspektivisch könnte sich Netflix so – ganz nach dem Vorbild des grossen Kontrahenten Disney – eine bedeutende zusätzliche Erlösquelle durch Merchandising erschliessen. Nach der Verpflichtung des Gaming-Experten Mike Verdu von Facebook werden zudem die Pläne für einen Angriff im Geschäft mit Videospielen konkreter. «Wir befinden uns in der Anfangsphase», erklärte Netflix.
Das Unternehmen bestätigte einen Plan, über den kürzlich bereits der Finanzdienst Bloomberg berichtet hatte, wonach Spiele über die Streaming-Plattform von Netflix ohne zusätzlichen Aufpreis verfügbar gemacht werden sollen. Der Trend, Videospiele auf Servern im Netz laufen zu lassen und die Nutzer auf allen möglichen Geräten per Streaming übers Internet spielen zu lassen, gewinnt gerade mit Angeboten unter anderem von Microsoft, Google und Nvidia an Fahrt. Hastings betont ohnehin schon seit Jahren, dass Netflix nicht nur mit anderen Streaming-Anbietern, sondern auch mit Social Media, Youtube und etlichen anderen Formen digitaler Unterhaltung konkurriere.
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