Kommentar 08.10.2010, 06:00 Uhr

VIP-Fussfessel

Neuerdings sagen alle auf Fratzenbuch, wo sie gerade sind. Nur weil es jetzt eine App gibt, die das kann. Dabei sind sie alle am gleichen Ort: im Internet.
Ich zwar zwei Wochen in den Ferien, und Internet gabs nur ganz kurz im Internetcafé. Seit zwei, drei Jahren vermisse ich das Netz immer weniger, wenn ich es nicht habe. Obwohl ich fast immer drin bin, wenn ich es habe.
Das ist seltsam. Irgendwo auf der Alp oder am Strand habe ich nicht im Geringsten das Gefühl, dass ich etwas verpasse, wenn ich nicht online bin, aber kaum zu Hause, muss ich zwanghaft mehrmals am Tag E-Mails, Facebook etc. checken. Vermutlich hat die Psychologie für diese Krankheit bereits einen Namen gefunden, aber das hilft mir auch nicht weiter.
Apropos Facebook, dort verpasst man im Moment ja einen Dreck. Der Dreck heisst Facebook Places, zu Deutsch Gesichtsbuch Orte. Fast so sinnvoll wie der Name ist das Konzept: Es ist eine selbst auferlegte elektronische Fussfessel. Im Unterschied zur herkömmlichen Personenüberwachung weiss damit aber nicht nur die Polizei, wo man sich gerade befindet, sondern eigentlich jeder. Und die Fessel sagt es auch jedem, egal, ob es einen interessiert oder nicht. Natürlich ist das Spam-Tool exklusiv für jene, die glauben, dass man fürs Internet eine Gold-Membercard (iPhone & Co.) benötigt. Die anderen können ihr normales Leben abseits des VIP-Wahns weiterführen.

Autor(in) David Lee



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