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09.07.2002, 22:15 Uhr
E-Mobbing: Der elektronische Psychoterror
Der PC und das Internet haben den Büroalltag stark geprägt. Dadurch haben sich auch die Mobbing-Methoden verändert. Die Zeiten sind vorbei, als Bleistiftspitzer, Büro- oder Heftklammern auf mysteriöse Weise verschwanden oder die lang vorbereitete Präsentation im Reisswolf ihr Ende fand. Der moderne Mobber hat längst Maus und Tastatur für seine Zwecke entdeckt.
Neulich traf in der Redaktion eine seltsame Anfrage per E-Mail ein. Die Absenderin wollte wissen, welches Programm geeignet sei, Fotomontagen zu erstellen. Bis hierher nichts Ungewöhnliches. Doch weiter schrieb sie, was sie genau damit beabsichtige: "Ich habe eine Arbeitskollegin, die ich nicht leiden kann. Jetzt will ich ein Foto von ihr einscannen und ein weiteres Foto von einer Kuh. Dann möchte ich der Frau die Kuhaugen verpassen und das Bild ausdrucken."
Der Ausdruck "mobbing" (engl. anpöbeln) bezeichnet die gezielte und dauernde Schikane am Arbeitsplatz. Die Folgen für das Opfer und die Wirtschaft sind immens: Langzeit-Gemobbte leiden unter Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Depressionen. Meist erkennen Mobbing-Opfer die Situation falsch und suchen den Fehler vergebens bei sich. In besonders schlimmen Fällen führt Mobbing zu lebenslanger Arbeitsunfähigkeit. Nach Berechnungen der Zeitschrift "Cash" [1] kostet der Psychoterror im Büro der Schweizer Wirtschaft jährlich über 4 Milliarden Franken.
Einige Geschäftsleute versuchen aus dem Mobbing-Bedürfnis sogar Profit zu schlagen. So ist im Handel eine "Mobbing-CD" mit vielen "Scherz-Programmen" erhältlich, die dem Arbeitskollegen den Alltag vermiesen. Stürzt Ihr PC immer wieder mit seltsamen Fehlermeldungen ab, so könnte es sein, dass ausnahmsweise nicht Bill Gates und seine Programmierer-Gilde Schuld ist. Verschwinden plötzlich Ihre Dokumente vom Server oder von der lokalen Festplatte, könnte ebenfalls ein Arbeitskollege am Unwerk sein.
Eine weiteres Mittel bietet das Internet. Gerüchte sind über Usenet, Foren, Chats und Gästebücher schnell weltweit verbreitet und können kaum mehr glaubhaft berichtigt werden.
Gegenmassnahmen mit Hilfe von Provider und Behörden zu treffen kostet Kraft und Nerven, woran es Mobbing-Opfern meist schon fehlt. Denn: Wird nicht gleich zu Beginn interveniert, ist es oft schon zu spät.
Falls also eines Morgens in der Cafeteria ein Kuhaugen-Bild von Ihnen hängt, sollten Sie sich an einen Vorgesetzten Ihres Vertrauens oder eine Mobbing-Beratungsstelle (siehe Telefonbuch) wenden. In der Praxis aber hilft oft nur noch eins: kündigen.
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