Kommentar 25.08.2006, 15:00 Uhr

Das Freitagsbit: Plutoismus

Die WWKolumne
Pluto war immer mein Lieblingsplanet. Klein und unscheinbar umkreist er die Sonne und hält Abstand wie die Schweiz zur EU. Ein Underdog, der gerade deswegen meine Sympathie geniesst. Umso ungerechter ist der Beschluss der International Astronomical Union, dem Zwerg am äussersten Rand des Sonnensystems den Planetenstatus zu entziehen [1].
Das ist ein erstes Symptom des aufkeimenden Plutoismus. Er greift um sich. Ein neues Beispiel: In den USA gehen Musikverlage laut New York Times gegen Musiker vor, die Gitarren-Griffe und Noten aus Songs heraushören und auf ihren privaten Sites anbieten. Begründung der Verlage: Die Verkäufe von Notenblättern seien markant zurückgegangen. Kurzerhand werden die Musiker zu Dieben am geistigen Eigentum anderer umdefiniert.
Aha. Wenn mir die zweitbeste aller Ehefrauen ihre Liebe versagt, verklage ich am besten den Hersteller ihres Schminkköfferchens, dessen Inhalt sie allzeit in hübschem Zustand erhält.
Zum Glück gibt’s auch den umgekehrten Fall, dass Kleine ganz gross herauskommen. Heute vor 15 Jahren kündigte ein gewisser Linus Torvalds in einem Usenet-Posting an die Gruppe comp.os.minix das Betriebssystem Linux an [2]. Aus dem IT-Asteroiden ist ein richtiger Planet geworden, der sich im OS-All einen festen Platz erobert hat.
Bis jemand auf die Idee kommt, ihm den Status als Betriebssystem abzuerkennen. Und dieser Tag wird kommen, je stärker sich der Plutoismus ausbreitet.
Denn die Erde ist ein Fenster - in eine andere Welt.



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