News 16.01.2013, 15:51 Uhr

Aaron Swartz: ein Märtyrer für das Internet?

Kim Dotcom, Julian Assange, jetzt Aaron Swartz: Menschen, die gegen das Urheberrecht verstossen werden verfolgt und angeklagt. Das ist prinzipiell richtig. Bloss: Ihnen drohen schlimmere Strafen als Kinderschändern oder Sklavenhändlern, ein gesellschaftliches Unding. Mit Swartz` Tod könnte sich das ändern.
Aaron Swartz hat sich das Leben genommen. Für die Open-Source-Gemeinschaft ein harter Schlag. Und auch die restliche Tech-Szene trauert, denn wer mit 14 RSS entwickelt und mit knapp 20 zum Mitgründer von Reddit wird, hätte der Welt wohl noch einige Freude bereitet. Gerade in einer Zeit, in der die grössten Innovationen darin bestehen, dass Hersteller wieder zu grösseren Bildschirmen zurückkehren, darum ein schmerzlicher Verlust.
Vielleicht ist gerade deshalb das Internet auch drei Tage nach der Meldung seines Ablebens voller Blogs und Artikel, die um Swartz trauern und Verantwortliche ausfindig machen wollen. So wird momentan untersucht, welche Rolle das MIT gespielt hat. Das Institut soll gewusst haben, dass Swartz wegen des Verfahrens so reagieren könnte. Hätte es anders handeln sollen?
Swartz soll der lange gesuchte Märtyrer für die Interwelt sein, ist zu lesen. Die Berichterstattung nimmt teilweise groteske Züge an. Denn eigentlich ist niemand für seinen Tod verantwortlich zu machen. Swartz beging Selbstmord, das ist unbestritten. Vermutlich, weil er psychisch labil war. Die Aussicht auf eine drohende Gefängnisstrafe habe ihn dazu getrieben, ist aus ihm vertrauten Kreisen zu hören.
Schlimmer als Mord und Sklaverei zusammen
Wenn jemand stirbt, wird nach erstem Bedauern immer gleich die Schuldfrage gestellt, das ist normal. Trotzdem verdient sein Fall eine Nachbetrachtung.
In 13 Punkten warf die Anklage Aaron Swartz vor, das Gesetz über den Missbrauch von Computern verletzt zu haben, indem er sich unberechtigt Zutritt zu Technikräumen des MIT verschaffte und so an widerrechtlichen Zugriff zur Jstor-Datenbank gelangte. Deren Dokumente habe er später veröffentlichen wollen, so die Schuldzuweisung. Allerdings hatte er sich mit Jstor schon länger ausgerichtlich geeinigt, die Dokumente nicht zu veröffentlichen, Jstor hat die Staatsanwälte sogar gebeten, die Klage fallenzulassen. Trotzdem forderte die US-Staatsanwältin Carmen Ortiz 35 Jahre Haft und eine Million US-Dollar Strafe für dieses Vergehen, Swartz hätte also nach seinem Gefängnisaufenthalt direkt in Pension gehen können.
Als Schweizer erscheint diese Strafe sehr hoch, doch vielleicht sollen die Strafen in den USA ja besonders abschreckend sein.
Ein Blick ins Gesetzbuch gibt Aufschluss. In der Bildergalerie sieht man, dass Bankräuber, aber auch Mörder, Sklavenhändler oder Menschen, die wissentlich AIDS verbreiten, wesentlich kürzer einsitzen müssen.
Schritte in die richtige Richtung
Wer hier von Unverhältnismässigkeit redet, macht sich also fast noch darüber lustig, so gross ist die Diskrepanz. Dies ist nun auch der Kongressabgeordneten Zoe Lofgren aufgefallen. Sie will verhindern, dass anderen Internetnutzern das gleiche Schicksal widerfährt wie Aaron Swartz, Aus diesem Grund möchte sie «Aaron`s Law» (Aarons Gesetz) durchbringen, doch irgendwie scheint das auch nur eine Zwischenlösung zu sein. Denn sie fordert lediglich, dass gewisse Sektionen des Gesetztextes angepasst werden, damit Verstösse gegen Nutzungsbedingungen ausgenommen sind. Die drakonischen Strafen erwähnt sie nicht.
Woran es liegt, dass Computerkriminelle aus Sicht des Rechtssystems das schlimmste Übel von allen sind, ist nicht nachvollziehbar, aus keiner Sichtweise. Es bleibt darum nur die Hoffnung, dass sich irgendwann die Vernunft durchsetzt.
Übrigens: Swartz wird kein Präzedenzfall für diese Sache werden, denn die Staatsanwaltschaft hat die Klage mittlerweile fallengelassen. Und Jstor hat am letzten Freitag damit begonnen, ihre Dokumente gratis zur Verfügung zu stellen. Da war Swartz aber bereits einige Stunden tot.

Fabian Vogt
Autor(in) Fabian Vogt



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