News 17.11.2011, 07:49 Uhr

Shaston SA mit ihrem XXSIM-Dienst unter der Lupe - Roaming-Schnäppchen via Umwege

Der Telekomdienstleister Shaston bietet hierzulande den Prepaid-Dienst XXSIM an, der vor allem im Ausland für tiefe Handy- und Surfkosten sorgen soll. Zu schön, um wahr zu sein? Wohl kaum: Auch XXSIM ist im Geschäft, um Geld zu verdienen.
Die Versprechen der in Moutier ansässigen Shaston SA mit ihrem XXSIM-Dienst tönen verlockend. Ein Handy mit der entsprechenden SIM-Karte kann in 120 Ländern Anrufe gratis entgegen nehmen. Zudem lassen sich gut 85 Prozent an Telefonkosten sparen. Und die Roaming-Gebühren beim Surfen mit dem Smartphone belaufen sich auf einen Bruchteil dessen, was andere heimische Mobilfunkunternehmen verlangen.
Was muss man aber tun, um zu den vermeintlich tiefen Gebühren zu kommen, die XXSIM übrigens allesamt in Euro angibt? Zunächst heisst es einmal die SIM-Karte für umgerechnet 15 Franken (Umrechnungskurs jeweils 1.25 Franken pro Euro) zu bestellen. iPhone-Nutzer werden für die benötigte Micro-SIM-Karte mit 25 Franken zur Kasse gebeten. Da es sich um ein Prepaid-Angebot handelt, müssen die User nach der Registrierung die Karte erst einmal aufladen.
Hallo Estland
Legt man die XXSIM-Karte dann ins Handy ein, ist man ausschliesslich über eine estnische Mobilfunknummer erreichbar, es sei denn das eigene Telefon kann zwei SIM-Karten beherbergen. Man muss also all jenen, die einen im Ausland anrufen sollen, die Nummer mit der für den Durchschnittssschweizer etwas unüblichen Ländervorwahl +372 mitteilen. Dazu gehört natürlich, dass der Anrufer bereit sein muss, die Gebühren für einen Anruf auf eine estnische Mobilfunknummer zu übernehmen. Immerhin: In der Schweiz kann auch eine 0800-Nummer und zusätzlich die baltische Nummer gewählt werden, wonach das Gespräch für den Anrufer gratis ist - für den Angerufen werden dann aber Gebühren fällig.
Auch das Telefonieren geht nicht wie gewohnt: Die Verbindung wird über das sogenannte Rückruf-Verfahren (Call Back) abgewickelt. Das bedeutet, dass nach dem Wählen der gewünschten Nummer erst einmal das eigene Handy läutet. Nimmt man diesen «Anruf» entgegen, wird die Verbindung hergestellt und erst dann klingelt das Handy des Gesprächspartners.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was der Vergleichsdienst Comparis.ch zu dem Angebot meint

Was der Vergleichsdienst Comparis.ch zu dem ...

In der Praxis wohl weniger Einsparungen
Die tiefen Gebühren werden also mit ein paar Unbequemlichkeiten erkauft. Aber sind die Preise wirklich so niedrig, dass Swisscom und Konsorten vor XXSIM erzittern müssen?
«In Europa hat man keinen allzu grossen Kostenvorteil», meint Ralf Beyeler, Telekom-Experte beim Schweizer Vergleichsdienst Comparis.ch, gegenüber PCtipp.ch. Und um seine Aussage zu untermauern, rechnet er anhand eines Praxisbeispiels durch, was das Ganze für einen Schweizer User, der eine Zeitlang in Spanien ist, kostet und kommt auf rund 50 Prozent Einsparungen. Rechnet man aber die Tatsache ein, dass der Anrufer mehr bezahlen muss, da er eine estnische Nummer wählen muss, verringert sich der Kostenvorteil.
Comparis.ch-Experte Ralf Beyeler beurteilt das XXSIM-Angebot für PCtipp
Allerdings sei der Sparvorteil beispielsweise für aussereuropäische Reisende gross, ergänzt der Telekom-Experte. «In der Türkei bezahlt der Kunde mit dem gleichen Beispiel mit XXSIM gegenüber der Swisscom nur rund einen Viertel des Preises», weiss Beyeler.
Wie dem auch sei: Ganz generell warnt der Telekom-Experte von Comparis.ch, bei solchen und ähnlichen SIM-Karten-Angeboten eine gewisse Vorsicht walten zu lassen und den entsprechenden Firmen nicht zu viel Euro Vorschuss zu überweisen. «Es gab bereits Anbieter, bei denen die Kunden das Geld nicht wieder sahen und auch die Dienstleistung nicht mehr in Anspruch nehmen konnten», berichtet er ohne damit XXSIM beurteilen zu können. Es gelte grundsätzlich kleinere Beträge einzuzahlen, rät Beyeler abschliessend.
Rechenbeispiel von Ralf Beyeler, Comparis.ch
Ralf Beyeler, Telekom-Experte beim Schweizer Vergleichsdienst Comparis.ch, hat für PCtipp.ch die Gesamtkosten für einen Kunden gerechnet, der sich in Spanien aufhält, dabei 10 Anrufe zu durchschnittlich 2 Minuten tätigt, 20 Anrufe zu durchschnittlich 2 Minuten entgegennimmt und 20 SMS verschickt.
Bei Swisscom würde er mit der Zusatzoption «World Option Flex» dafür 41.75 Franken bezahlen. Mit XXSim sind es 20.94 Franken. Der Swisscom-Kunde kann also rund 21 Franken sparen.
Dafür muss der Anrufer, wenn er den Kunden erreichen möchte, auf einer estländischen Telefonnummer anrufen und daher statt einem nationalen Anruf einen internationalen Anruf bezahlen. Nehmen wir an, dass die 20 Anrufe (siehe oben) von einem gängigen Swisscom-Handy geführt werden, so kostet dies den Anrufer 10 Franken, wenn der Angerufene unter seinem Swisscom-Handy erreichbar ist. Ruft der Anrufer hingegen die estländische Nummer von XXSIM an, bezahlt der Anrufer 25 Franken Gebühren an. Rechnet man die Mehrkosten, die dem Anrufer entstehen, weil er auf einer estländischen Nummer anrufen muss ein, so ist XXSIM unter dem Strich nicht viel billiger als die World Option Flex von Swisscom für einen Swisscom-Kunden.
Für Anrufer und Angerufenen enstehen ergo total folgende Kosten:
Angerufener hat World Option Flex von Swisscom und telefoniert mit Swisscom im Ausland: Er bezahlt dafür 41.75 Franken an Swisscom, dazu bezahlt der Anrufer 10 Franken für die Anrufe. Macht total insgesamt 51.75 Franken.
Mit XXSIM bezahlt der Kunde, der sich im Ausland aufhält, mit 20.94 Franken zwar weniger, dafür bezahlt der Anrufer rund 25 Franken. Macht total also 45.94 Franken.
XXSIM bietet auch eine 0800er-Nummer an, mit der der Anrufer den Kunden kostenlos erreichen kann. In diesem Fall werden jedoch 15 Eurocent pro Minute verrechnet. Mit dieser Variante verrechnet XXSIM dem Kunden dafür 9.38 Franken (für die angenommenen 20 Anrufe zu durchschnittlich 2 Minuten), insgesamt also 30.32 Franken. Das ist weniger als die obenerwähnten 51.75 Franken, die Swisscom verrechnet.



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