Kommentar 18.06.2010, 06:00 Uhr

Revolutionär wie immer

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Etwas, das viele Leute an Apple stört, ist die übertriebene Rhetorik. Egal, ob es sich um die Erfindung des iPhone oder um ein kleines Update des iPod Nano handelt – immer ist alles unglaublich, revolutionär, magisch und so weiter. Apple scheint sich der inflationären Wirkung durchaus bewusst zu sein, heisst der Spruch zum iPhone 4 doch: «Das ändert alles. Wieder einmal.» Das ist masslos übertrieben. Wieder einmal.
Doch andere Unternehmen sind da nicht besser. Liest man Pressemitteilungen oder hört den Mediensprechern an Produkteinführungen zu, tönt es nicht selten so, als ob man gerade Zeuge der bedeutendsten Erfindung der letzten 1000 Jahre sei. Der einzige Unterschied zu Apple ist, dass es keiner glaubt und es keinen interessiert, welche Wortwahl da verwendet wird.
Beispiele gefällig? Nun, dass Steve Ballmer den anderen Steve (Jobs) in Sachen Hysterie bei Präsentationen um Längen schlägt, ist Branchenkennern bestens bekannt. Aber man muss nicht gleich den CEO von Microsoft bemühen, ein Blick in die Mailbox tut es auch. Zwei PR-Mails dieser Woche: «XBox 360 definiert Unterhaltung neu. Microsoft hat heute eine neue Ära der Unterhaltung eingeläutet», dabei gibt es das dazugehörige Produkt noch nicht mal. «HP erfindet das Drucken neu.» Mit einem Fotodrucker für 179 Franken. Ja nee, is klar.
Activision lässt uns am 9. Juni per Mail wissen:
«Mit Guitar Hero für iPhone und iPod Touch unterstreichen wir erneut unsere Führungsposition im Bereich der Musik-/Rhythmus-Videospiele und erschaffen eine völlig neue Guitar Hero Erfahrung, in die Millionen Leute weltweit jederzeit und überall eintauchen können.»
Zur Ankündigung von Google TV lässt sich Howard Stringer, Chairman, President und CEO der Sony Corporation, wie folgt zitieren: «Durch ‚Sony Internet TV’ wird Sonys umfassende Palette an Fernsehern zusätzlich erweitert. Dies sorgt für eine völlig neue Dimension von Unterhaltung und Interaktivität beim Fernsehen.»
Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. Das sind PR-Standardfloskeln, geschrieben, ohne auch nur eine Minute nachzudenken.
Ich vermute: Auch andere Unternehmen hätten gerne so eine Hysterie um ihre Produkte, wie dies bei Apple der Fall ist. Sie kriegen es bloss nicht hin.

Autor(in) David Lee



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