Kommentar
07.01.2014, 12:19 Uhr
Kommentar: Apple als Konsolen-Grossmacht
Apple könnte fast über Nacht zum weltgrössten Hersteller von Spielkonsolen werden. Doch die Kalifornier scheinen vor sich hin zu dösen.
Einige Neuerungen von iOS 7 blieben weitgehend unbeachtet, obwohl sie bester Zündstoff sind; zum Beispiel die systemweite Unterstützung von Game-Controllern. An der CES in Las Vegas hat die Firma SteelSeries mit «Stratus» den ersten Controller vorgestellt, der mit dem iPad harmoniert. Hier das Produktvideo des Herstellers:
Teenies, Ballerspiele & Controller? Das geht zusammen. Und dennoch ist dem Stratus ein Nischendasein bestimmt, wenn Apple nicht eingreift. Dabei hätte es der Computermacher in der Hand, den Konsolen-Markt in seinen Grundfesten zu erschüttern. Die Kalifornier sind eigentlich schon auf der Zielgerade, aber zwei Elemente fehlen noch.
Referenzdesign
Apple überlässt den Zubehörmarkt gerne Drittanbietern und erfreut sich an den sprudelnden Lizenz-Einnahmen. Im diesem Fall muss jedoch ein Referenzdesign her, das von Apple selbst stammt. Der Stratus-Controller orientiert sich zum Beispiel am Layout des Playstation-Controllers, und dieser ist nicht jedermanns Sache, um es diplomatisch auszudrücken:
Vielleicht antwortet die Konkurrenz deshalb mit einem Controller im Xbox-Design. Oder jemand wickelt ihn um das iOS-Gerät, sodass am Schluss ein Zwitter entsteht, wie man ihn bereits von der Wii U kennt. Alles ist möglich – und das ist keine gut Sache. Nicht in diesem Fall.
Ein Apple-Controller müsste sowohl das Layout, als auch die Ergonomie vorgeben. Nur so wird verhindert, dass der Markt gleich zu Beginn fragmentiert wird. Eine solche Vorlage ist zudem eine unverzichtbare Richtlinie, an der sich die Spielehersteller orientieren können.
Es geht aber auch darum, eine Botschaft zu übermitteln: Apple bekennt sich zur Steuerung mit einem Controller. Die Programmierer kommen in den Genuss von Planungssicherheit, während die Konsumenten wissen, dass zu diesem Controller auch die passenden Spiele entwickelt werden.
Im Augenblick müssen sich die Entwickler jedoch an einem einzigen Controller orientieren – und an einem fantasielosen noch dazu. Vielleicht schafft der Stratus den Durchbruch oder auch nicht. Für die meisten Entwickler wird es jedoch viel zu riskant sein, Energie, Zeit und Geld in diese Steuerung zu investieren.
Ein neues Apple TV
Doch selbst mit einem Referenz-Controller bleibt es fraglich, ob man sich gemeinsam vor ein iPad setzen will. Bereits aus einem Meter Entfernung verkommt das Apple-Tablet zum Mäusekino. Gelegenheitsspieler möchten sich jedoch im Sofa räkeln und das virtuelle Treiben am Full-HD-Fernseher verfolgen. Das gilt erst recht, wenn Familie und Freunde zusehen.
Apples kleine Settop-Box Apple TV ist das perfekte Bindeglied zwischen dem iOS-Gerät und dem Fernseher. Die Box erfreut sich grosser Beliebtheit, um Videos, Fotos und Musik zur Hifi-Anlage und zum Fernseher zu streamen. Auch die Synchronisierung des Displays ist problemlos möglich, so dass sich bereits heute alle Inhalte vom iOS-Gerat auf den Fernseher übertragen lassen.
Allerdings ist Apple TV für die Präsentation von Fotos und Videos gedacht. Für Action-lastige Spiele sind die Latenzzeiten über Wifi viel zu lang. Die nächste Generation von Apple TV müsste deshalb mit einem Lightning-Anschluss ausgestattet sein, über den sich das iOS-Gerät direkt verbinden lässt. So landet die Darstellung direkt auf dem Fernseher – ohne Ruckler oder sogar Unterbrüche.
Besser noch: Die Darstellung eines Full-HD-Fernsehers besteht aus ca. 2 Millionen Pixel, diejenige des Retina-Displays aus ca. 3.1 Millionen Pixel. Spiele-Entwickler könnten also mit gutem Gewissen die Auflösung reduzieren und die eingesparte Rechenleistung für aufwendigere Texturen oder Lichteffekte einsetzen. Wenn man sich vor Augen hält, was Spiele wie «Infinity Blade III» sogar in der hohen Auflösung hergeben, dann wären die aktuellen iOS-Geräte bereits heute ein vollwertiger Konsolen-Ersatz.
Und zu guter Letzt würde die Android-Konkurrenz mit heruntergelassenen Hosen dastehen. Die Lightning-Schnittstelle wird einmal mehr zur multimedialen Allzweckwaffe, die Bild und Ton in bester Qualität ausgibt. Das Gros der Konkurrenz ist hingegen mit einem äusserst eingeschränkten USB-Anschluss gestraft.
Was bleibt?
Apple hätte es in der Hand, neben Microsoft, Nintendo und Sony zur vierten Grossmacht bei den Konsolen zu werden – und das mit einem lächerlich geringen Aufwand, wenn man sich die immensen Entwicklungskosten der klassischen Spielkonsolen vor Augen hält.
Ein Controller mit einem neuen Apple TV könnte für weniger als 200 Franken angeboten werden. (Zum Vergleich: das aktuelle Apple TV und ein Xbox-Controller kosten zusammen etwa 170 Franken.) Und selbst wenn angepasste Spiele nicht gratis oder für einen Franken angeboten würden, wäre ein Preis von 10 Franken für alle Beteiligten ein gutes Geschäft. Die schiere Menge der iOS-Geräte macht es möglich.
Doch das ist (noch) Wunschdenken. Im Augenblick bleibt nur die Hoffnung, dass Apple diese Möglichkeiten nutzt. Ansonsten könnten Drittanbieter mit halbgaren «Lösungen» Tatsachen schaffen, die anschliessend nur schwer zu korrigieren sind.
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