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10.10.2016, 09:17 Uhr
«Irgendwann werden Beamte darüber entscheiden, was wir im Netz finden, und was nicht»
Während Netzaktivisten und Provider eine Beratung zu einem neuen Interneturheberrecht «hinter verschlossenen Türen» kritisieren, kommt die Universität Zürich in einer Studie zum Schluss, dass Netzsperren nicht zielführend sind.
Der Bundesrat gab vor zwei Jahren bekannt, das Urheberrecht ans Internetzeitalter anpassen zu wollen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) will dazu eine Vernehmlassungsvorlage erarbeiten, die sich auf die Empfehlungen der umstrittenen Arbeitsgruppe Agur 12 stützt. Eine zivilrechtliche Prüfung darüber, ob Internetprovider bei Upload von urheberrechtlich geschütztem Material stärker in die Pflicht genommen werden können, steht dabei zur Debatte. Hintergrund sind Umsatzeinbussen bei Inhaltsanbietern aus den USA. Eine Reaktivierung der Diskussion «hinter verschlossenen Türen» seitens Bundesrätin Sommaruga sorgt nicht nur bei der Digitalen Gesellschaft und der Digitalen Allmend für erhitzte Gemüter. In einem Communiqué vom September fordern die netzpolitischen Vereine gar die sofortige Auflösung der Agur 12, weil bis jetzt keine Stellungnahmen und kein Bericht veröffentlicht wurden. Ein Sprecher des EJPD dementiert gegenüber PCtipp: «Selbstverständlich wird der Bundesrat bei seinem Entscheid über das weitere Vorgehen die gesamten Ergebnisse der Vernehmlassung berücksichtigen.» Gleichwohl heisst es beim Bundesamt auf Anfrage: Die Vernehmlassung bestätige, dass ein «Bedürfnis» bestehe, das Urheberrechtsgesetz zu revidieren. Die Vorstellungen über die Stossrichtung gingen jedoch stark auseinander, so der Sprecher.
Kritik von UPC und Green.ch
Von der Interessensgruppe ISP (IG ISP) wurden Swisscom, Sunrise und UPC an den runden Tisch eingeladen. «Swisscom steht grundsätzlich hinter den Vorschlägen der Agur 12 und trägt den 2013 ausgehandelten Kompromissvorschlag weiterhin mit», sagt Swisscom-Mediensprecher Armin Schädeli auf Anfrage. Bei UPC tönt es ein wenig kritischer: «Die Einführung solcher Bestimmungen wie Teilnehmeridentifikationen, Versendung von Warnhinweisen und Zugangssperren muss sehr sorgfältig und unter Einbezug aller Stakeholder erarbeitet werden, weil sehr vielschichtige Interessen im Spiel sind», betont Sarah Nettel, UPC-Sprecherin. Sehr empört gibt man sich jedoch bei Green.ch: Der Aargauer Internetprovider wurde nicht erneut kontaktiert oder zu einem runden Tisch eingeladen. «Die zunehmende Internetzensur bereitet uns Sorgen», sagt Franz Grüter, Verwaltungsratspräsident der green.ch AG dem PCtipp. Sie sei einer Demokratie unwürdig und überdies lachhaft, da technisch einfach zu umgehen. «Nebst der Verschärfung des URG kommt ja nun auch noch die Sperrung ausländischer Casino-Angebote auf uns zu. Irgendwann werden dann Beamte darüber entscheiden, was wir im Netz finden, und was nicht. Das ist absurd», so Grüter.
Experten erachten Netzsperren als untauglich
Der Branchenverband der Schweizer Internetdienstleister (Simsa) hat sich inzwischen zu einer «Task Force» formiert. Das neue Geldspielgesetz wird zurzeit von einer Rechtskommission des Nationalrats behandelt. Ein Gesetzesentwurf in der Rechtskommission des Nationalrats sah bislang Internetsperren zum Ausschluss vor ausländischen Onlinespielangeboten vor. Indes haben Experten der Universität Zürich untersucht, inwieweit technische Möglichkeiten für Netzsperren zur Verfügung stünden. In einem Gutachten (PDF) bewerten die Professoren die Einführung von Netzsperren als problematisch. In Form von IP-Sperren würden diese nach Ansicht der Experten zu einem stark erhöhten «Overblocking-Risiko» führen und darüber hinaus rechtmässige Inhalte anderer Anbieter mit identischer IP-Adresse aussperren. Der Branchenverband Swico, der sich auf die Studie beruft, macht derweil mit seinem Begehren Luft, Mitglieder des Nationalrats das entsprechende Kapitel im Gesetzesentwurf streichen zu lassen.
Autor(in)
Simon
Gröflin
15.10.2016