News 08.08.2012, 12:06 Uhr

Digitale Demenz: Verblödet die Jugend?

Das Buch «Digitale Demenz» des deutschen Gehirnforschers Manfred Spitzer wirft derzeit hohe Wellen. Seine These: Dass wir das Denken immer mehr unseren elektronischen Helferlein überlassen, hat fatale Folgen - vor allem für Kinder.
Das kürzlich erschienene Buch «Digitale Demenz - Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen» sorgt derzeit für kontroverse Diskussionen. Geschrieben hat es der renommierte deutsche Gehirnforscher Manfred Spitzer. Er beschreibt darin, wie die zunehmende Dominanz der digitalen Medien in unserem Alltag zur Vernachlässigung unseres Denkapparats führt. Auf gut Deutsch: Google, Facebook und Co. machen dumm. Spitzer beruft sich dabei auf aktuelle Studien zum Thema, angereichert mit eigenen Gedanken.
Sorgen macht sich Spitzer insbesondere um die Kinder, deren Lernfähigkeit er durch digitale Medien in Gefahr sieht. Die Folgen seien «Lese- und Aufmerksamkeitsstörungen, Ängste und Abstumpfung, Schlafstörungen und Depressionen, Übergewicht, Gewaltbereitschaft und sozialer Abstieg», heisst es in der Beschreibung zum Buch.
Googeln verhindert Lerneffekt
In einem Interview mit dem Kurier begründet der Psychologe und Autor seine Thesen. Digitale Medien seien nichts anderes als Denkmaschinen, die uns die Arbeit – also das Denken – abnehmen. Das Denken werde quasi ausgelagert und in der Folge schrumpfe das Gehirn, weil es nicht mehr gefordert wird. Dies zeige sich beispielsweise beim Googeln. «Man hat immer im Hinterkopf, dass man die Info selbst nicht abzuspeichern braucht – und tut es auch nicht», so Spitz. Während dies bei Erwachsenen noch in Kauf zu nehmen sei, sieht er darin für Kinder eine fatale Entwicklung. Denn diese müssten sich erst Wissen aneignen, um überhaupt richtig Googeln zu können: «Wenn man nichts weiss, nützt einem eine Suchmaschine auch nichts. Ich brauche Vorwissen, das ich als Filter verwenden kann, um die Spreu vom Weizen zu trennen.»
Aufmerksamkeitsdefizite wegen Multitasking
Auch im Multitasking, also dem gleichzeitigen Ausführen mehrere Tätigkeiten, sieht Spitzer eine Gefahr. Der Mensch sei schlicht nicht dafür gemacht. Wer es trotzdem tue, trainiere sich Aufmerksamkeitsstörungen an und bekomme Probleme bei der Kontrolle seines Geistes. Und in der Interaktivität von E-Books, die doch eigentlich ein Vorteil sein sollte, sieht Spitzer einen Nachteil, weil man sich leicht in Hyperlinks verzettele und unaufmerksam werde.
Spitzer sieht nur eine Möglichkeit, Kinder vor den negativen Einflüssen des Medienkonsums zu bewahren: Den Konsum einschränken. Seine Methode, die eigenen Kinder von Computerspielen fernzuhalten («Wenn ich nur ein Computerspiel darauf erspähe, mit dem Zeit totgeschlagen wird, ist der Computer weg»), scheint aber irgendwie doch ein Bisschen radikal zu sein. Und in Zeiten von Smartphones auch schwer durchsetzbar.



Kommentare
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voenu
08.08.2012
Da kann ich PC John leider nur zustimmen. Jedoch ist jeder für seine Digitale Demenz selber verantwortlich! In meiner Lehre, vor 13J., wurde uns immer nahe gelegt nur wenn es nicht anders geht den TR zu nutzen. Heute geht es anscheinend schon ab 0 nicht mehr ohne TR?! TR=Taschenrechner. Aber ist es nicht auch in gewisser hinsicht erziehungssache der Eltern dass unsere Kinder nicht verblöden? Ich staune viel was unser kleiner bereits mit dieser digitalen Welt anfangen kann und gleichzeitig macht es mir dann und wann auch Sorgen. Man sollte ienfach Bewusster leben und nicht ganz dem Konsum verfallen...

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iondriver
08.08.2012
Auch bei mir kann ich eine beginnende, digital basierte, Demenz feststellen. Vor knapp 20 Jahren war mir etwa ein Drittel auswendig geläufig, was im Buch "Formeln + Tabellen: Mechanik" (blauer Einband, anfang 90er) drinstand. Heute bin ich fast 40, und ich... ...muss immer mehr das Zeugs googlen. Das Internet, eine Medaille mit 2 Seiten; Informationen binnen 2-3 Sekunden abrufbar, vielerorts...Kommunikation rund um den Globus, auf Fingerdruck... Handkehrum, was auf Webseiten steht, muss man nicht im Kopf speichern. Es ist so selbstverständlich geworden. Sinngemäss gesagt haben wir Menschen uns mit der technologischen Entwicklung immer mehr "ins eigene Knie geschossen". Also somit nur die heutige Jugend (bis 20 j.) als verblödend darstellen würde uns Mittel-Alten (20 - 50) schon schlecht dastehen lassen, oder?

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Kovu
08.08.2012
Ich staune viel was unser kleiner bereits mit dieser digitalen Welt anfangen kann und gleichzeitig macht es mir dann und wann auch Sorgen. Man sollte ienfach Bewusster leben und nicht ganz dem Konsum verfallen... Nun, daran dass sie sehr früh was mit der digitalen Welt was anfangen können ist nichts verwerfliches. Es ist immer die Frage wie man es einsetzt. Jedenfalls ist es schlimmer, wenn sie später elektronische Geräte und Internetdienste 'konsumieren' ohne zu wissen, wie diese funktionieren und wo ihre Tücken liegen. Mein Vater hat mich und meine Geschwister schon sehr früh in die Technik und Computerwelt eingeführt (und das war vor 25 Jahren wohl wirklich noch die Ausnahme) und ich bin ihm wirklich dankbar dafür. Da ich heute weiss, wie Computer, Programme und Netzwerke funktionieren, kann ich einschätzen welche Risiken ich zu welchem Nutzen eingehe... und ich kann mir am Computer manches verwirklichen, was anderen einfach verwehrt bleibt, weil sie selber nie ein Programm geschrieben haben.

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Nalevets
09.08.2012
Dass man Informationen nicht im Kopf sondern woanders speichert, ist nichts neues. Darum haben wir seit Jahrhunderten Wörterbücher, Lexikone usw. Die internetbasierten Suchfunktionen sind zwar mächtiger als eine schlichte Ordnung nach Alphabet o.ä. aber wir brauchen so etwas, um die heutige Überflut an Informationen zu bewältigen. Nach wie vor besteht Weisheit nicht darin, Informationen im Kopf zu behalten sondern zu wissen, wo man diese Informationen finden kann und vor allem die dazugehörigen Zusammenhänge zu verstehen.

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voenu
09.08.2012
Nach wie vor besteht Weisheit nicht darin, Informationen im Kopf zu behalten sondern zu wissen, wo man diese Informationen finden kann und vor allem die dazugehörigen Zusammenhänge zu verstehen. Besser könnte man es nicht ausdrücken! So wurden wir auf unsere IAP vorbereitet... und es funktioniert ;-)

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jodelboy
10.08.2012
Ich kann bei mir die "digitale Demenz" ganz gut beim Smartphone beobachten. Seit Anfang der Lehre (Kauf eines Smartphones) trage ich alles, woran ich mich erinnern lassen muss, in den Kalender im Handy ein. Ich glaube, wenn mir das Teil verloren ginge, dann könnte ich mich an keinen Termin mehr erinnern :cool: Das digitale Leben ist eben schon schön mit all den kleinen Helferlein.. Zu den Aussagen mit dem Taschenrechner kann ich nur sagen: "Früher mussten wir das Feuer noch mit zwei Holzstöcken machen, die wir aneinander rieben bis Glut entstand. Die heutige Jugend macht das mit dem Feuerzeug, oh mein Gott! :eek:"

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schmidicom
10.08.2012
Wie bereits geschrieben wurde ist auswendig lernen nicht der Stein der Weisheit und somit ist nichts schlimmes daran wenn gewisse Dinge ausgelagert werden. Wirklich tragisch finde ich wenn diese "digitale Demenz" oder wie auch immer man das nennen will dazu führt das die Leute nicht einmal mehr in der Lage sind das zu lesen und viel wichtiger auch zu verstehen was auf dem Bildschirm angezeigt wird. Bereits die kleinste Fehlermeldung bringt heutzutage viele Benutzer an den Rand der Verzweiflung und das selbst dann wenn in der Fehlermeldung selbst eigentlich bereits erklärt wird was Sache ist. Beispiel das ich selbst erlebt habe und immer wieder in dieser Form erlebe ist folgendes: User: Hallo, ich kann eine Datei nicht löschen und weiss nicht warum. Ich: Kommt denn eine Fehlermeldung beim Versuch sie zu löschen? User: Ja. Ich: Könnten sie mir sagen was da drin steht? User: Ja, da steht "Die Aktion kann nicht abgeschlossen werden, da die Datei in LibreOffice 3.5 geöffnet ist." Ich glaube an dieser stelle muss ich nicht mehr weitererzählen oder?