Kommentar
16.01.2009, 08:40 Uhr
Das Freitagsbit: Herr Ingo Franz Pi
Die WWKolumne – Alte Herren schreien gerne Zeter und Mordio und trauern ihrer Manneskraft nach. Herr Ingo Franz Pi ist da keine Ausnahme. Er verliert langsam aber sicher seine Realität. Poetisch ausgedrückt. Ich besuche ihn manchmal.
Herr Pi war früher Rechtsanwalt in der Musikbranche und sehr erfolgreich. Bei ihm musste man immer seine Zunge hüten, den Schnabel halten, den Hag des Mundes schliessen, wenn das Gehirn schreit. Heute sitzt der alte Herr tieftraurig im Altersheim.
Ungeliebt, von seinen Angehörigen vergessen. Umso lauter schreit er. Nur in seltenen, ruhigen Momenten kullert ihm eine Träne aus den Augen und er beginnt zu erzählen.
Ungeliebt, von seinen Angehörigen vergessen. Umso lauter schreit er. Nur in seltenen, ruhigen Momenten kullert ihm eine Träne aus den Augen und er beginnt zu erzählen.
Und alte Menschen haben viel zu erzählen. Von besseren Zeiten, vom ersten Kuss nach dem Auflegen der Elvis-Scheibe. Love me tender. Herr Pi erzählt von der Geburt der CD, der Inkarnation digitaler Musik und dem bösen, bösen Internet, das die heile Welt des Herrn Pi zertrümmert hat.
Er schimpft über die CD; sie sei der Untergang der Industrie gewesen, man habe sich damit das eigene Grab geschaufelt. In das nun die Filesharer Herrn Pi stossen wollen. Sagt Herr Pi weinerlich. Er könne doch nichts dafür, dass Musik nur noch gestohlen werde. Da muss man doch etwas dagegen tun!
Nun denn, antworte ich Herrn Pi, Sie weilen nicht mehr lange unter uns Virtuellen. Sie werden bald gelöscht. Ihre Gene werden geschreddert und mit unendlich vielen Nullen überschrieben. Geniessen Sie die Zeit, die Ihnen noch bleibt und gönnen Sie sich eine Freude! Ein kleine Freude wenigstens!
Da hellt sich das Gesicht von Herrn Ingo Franz Pi auf und er lächelt:
«Darf ich Sie verklagen?»
«Darf ich Sie verklagen?»
16.01.2009
16.01.2009