Tests 13.04.2016, 12:00 Uhr

Fairphone 2 im Test: Dieses Handy können Sie selber reparieren

Kinder in Kobaltminen und Selbstmordserien in Fabriken: Dass es auch anders geht, will ein holländisches Start-up mit seinem Fairphone 2 zeigen. Doch wie gut ist es?
Dieses Smartphone ist anders als die anderen. Das niederländische Start-up Fairphone sucht seine Partner nach Kriterien wie konfliktfreie Rohstoffe und faire Arbeitsbedingungen aus. Das erste Smartphone des Herstellers ging 2013 aus einem Kickstarter-Projekt hervor und war schon nach wenigen Tausend Stück ausverkauft. Beim Fairphone 2 sieht es aufgrund des riesigen Erfolgs seines Vorgängers besser aus, auch als Nichtvorbesteller an ein Gerät heranzukommen.
Das Fairphone 2 mit der schwarzen Kunststoffhülle

Gehäuse und Design

Nicht gerade schön: Die etwas dicke Kunststoffhülle mit der Gummiummantelung fühlt sich im Direktvergleich zum ähnlich aussehenden Lumia 950 etwas klobig an. Wenn sich der Gummirahmen mit der Zeit ein wenig ausdehnt, verdeckt die schwarze Gummihülle den unteren Rand des Fairphone 2 nie vollständig. Dafür ist die leicht überragende Gummikante gleichzeitig Stosschutz. Eine Besonderheit ist die modulare Bauweise des 5-Zoll-Smartphones. Einzelne Teile wie Display und Kamera lassen sich mit einem Schraubenzieher ersetzen. Sämtliche Ersatzteile kann man beim Hersteller nachbestellen. Ein neues Display-Modul beispielsweise kostet um die 92 Franken. Lediglich die Haupteinheit mit dem Prozessor und dem Speichermodul lässt sich nicht austauschen.
Entfernt man die Hülle, offenbaren sich zwei Micro-SIM-Slots, ein 2420-mAh-Akku und ein Micro-SD-Karten-Schlitz. Beim Einlegen der Micro-SIM-Karte ist ein wenig Vorsicht geboten. Die Kontaktpins sind nicht besonders widerstandsfähig. Gerät man dabei in die Schieflage, sollte man das Kärtchen wieder vorsichtig aus dem Slot ziehen und den verbogenen Pin wieder behutsam herunterdrücken. Ob das Smartphone aufgrund seiner modularen Komponenten auch langlebiger ist, kann nur ein Langzeittest unter Beweis stellen. Dadurch, dass sich die Gummiränder der Hülle mit der Zeit etwas dehnen, gelangt auch mehr Staub in die Komponenten.
Das Fairphone 2 ist modular aufgebaut: Einzelteile kann man nachbestellen

Guter Bildschirm

Der IPS-Bildschirm kann mit einem guten Kontrast überzeugen. Die 1920 x 1080 Pixel auf 5 Zoll resultieren in 441 Bildpunkten pro Zoll. Zusammen mit dem kratzfesten Gorilla Glass 3 erweist sich der Bildschirm als ausreichend hell, um auch bei Sonnenlicht Inhalte noch gut ablesen zu können, wenngleich die Blickwinkelstabilität nicht ganz überzeugt und die Farbgenauigkeit einen Tupf besser sein könnte. Die Helligkeitsregulierung ist ab dem unteren Drittel ein wenig unausgewogen. Doch unter dem Strich kann man nicht viel sagen zur Display-Qualität des Fairphone 2.
Nächste Seite: Mässige, aber ausreichende Hardware

Mässige, aber ausreichende Hardware

Software-Besonderheiten

Zur Ressourcenschonung tragen ein paar tolle Zusatzfunktionen der Software bei: Ein Wisch nach rechts verschafft Überblick über die vier zuletzt geöffneten und meistgenutzten Apps. Der Launcher ist zudem in zwei Bereiche für aktive und inaktive Apps unterteilt. Apps, die länger als einen Monat nicht benutzt wurden, rutschen automatisch in den Inaktivbereich. Das Update auf Android Marshmallow hat der Hersteller bereits versprochen. In Zukunft will Fairphone seinen Besitzern auch den Umstieg auf alternative Aftermarket-Firmware wie CyanogenMod erleichtern.
Praktisch: Der Startbildschirm bringt mit einem Wisch nach links eine App-Übersicht mit den meistgenutzten Apps hervor
Quelle: PCtipp

Mässige, aber ausreichende Hardware

Ein gewisser Kompromiss war wohl nötig, um eine gute Balance zwischen Preis-Leistungs-Verhältnis und einer fairen Produktionskette zu erlangen. Mit einem Strassenpreis von 599 Franken ist es dennoch ein eher teures Smartphone für die etwas veraltete Hardware. Zum Einsatz kommt ein Vierkern-Snapdragon-801-Chip (2,26 GHz). Sowas fand man vor zwei Jahren noch in einem LG G3 oder im Galaxy S5 vor. Berücksichtigt man jedoch, dass der Hersteller das Android-5.1-Betriebssystem kaum verändert hat, werden Leistung und Chipsatz noch mindestens fürs nächste Android-Betriebssystem ausreichen. Der Akku ist mit seinen 2420 mAh eher etwas unterdimensioniert. Im Schnitt reichts aber locker für einen Tag. Auch im täglichen Zusammenspiel mit einer Huawei Watch über Bluetooth 4.0 ging die Handy-Batterie gegen Abend nicht schneller zur Neige. Wird das Handy aber oft nacheinander ein- und ausgeschaltet, geht dem Akku der Schnauf schneller aus. Auf jeden Fall ist das Smartphone ausgesprochen schnell. Im Geekbench-3-Leistungstest kommt der betagte Prozessor auf 928/2731 Punkte in der Single-/Multicore-Leistung. Im Vergleich zu einem Nexus 6P mit Achtkern-Snapdragon-810-Prozessor ist das zwar deutlich weniger als die 1339/4252 Punkte des High-End-Flaggschiffs; im Alltag spürt man davon aber wenig. Es sei denn, man ist leidenschaftlicher Zocker. Im Betrieb kam es nie zu Hängern oder App-Abstürzen, wie das gelegentlich auf Billig-Smartphones vorkommen kann.
Nächste Seite: Multimedia, Kamera, Musik

Multimedia, Kamera, Musik

Multimedia, Kamera, Musik

Die Sprachqualität beim Telefonieren ist gut. Die Stimmen der Gesprächspartner werden verzerrungsfrei ohne Hintergrundrauschen wiedergegeben. Multimediagenuss ist über die qualitativ mittelmässigen Lautsprecher nicht besonders toll. Vor allem im oberen Lautstärkebereich scheppert der Lautsprecher. Mit Kopfhörern klingt das einigermassen passabel.
Die Kamera ist leider auch nicht das Mass der Dinge. Die Fotoqualität der Hauptkamera ist bestenfalls Durchschnitt und sehr abhängig vom Licht. Ein Rauschen bei Innenaufnahmen ist fast omnipräsent. Das liegt auch daran, dass sowohl bei der Haupt- als auch bei der Frontkamera der Auslöser immer etwas verzögert einsetzt. Wir hoffen, dass die Entwickler des Fairphones 2 mit einem Software-Update noch einige Schwachstellen der Kamera ausbügeln werden.
Bei gutem Tageslicht hält sich das Bildrauschen einigermassen in Grenzen
Quelle: NMGZ
Sobald es dämmert, werden auch Fernaufnahmen schnell unscharf
Quelle: NMGZ

Fazit

Wenig spektakulär am Fairphone 2 ist die veraltete Hardware. Abgesehen von der speziellen Hülle gewöhnt man sich sehr schnell an das flinke Smartphone der Holländer. Bleibt nur noch eine Sache: der Preis! Wer diesen mit seinem Gewissen vereinbaren möchte, erhält vor allem eines: eine sehr gute Reparierbarkeit, derer man sich notfalls auch selber annehmen kann. Denn oft passiert es genau dann, wenn die Garantiezeit abgelaufen ist: Das Handy fällt zu Boden und ein neues Display kostet mehrere Hundert Franken.
Das Testgerät wurde uns freundlicherweise von Swisscom zur Verfügung gestellt.

Testergebnis

Reparierbarkeit, Bildschirm, Software
Hardware, Kamera, Preis

Details:  5-Zoll-Full-HD-Display, Quad-Core-Prozessor (Snapdragon 801) mit 2,26 GHz, 2 GB RAM, 32 GB Speicher, 8-Mpx-Kamera, WLAN-AC, 2 x MicroSIM, MicroSD-Slot, Android 5.1 Lollipop

Preis:  Fr. 599.-

Infos: 
fairphone.com/phone/

Leserwertung

Jetzt abstimmen!
Was halten Sie vom Produkt?

Autor(in) Simon Gröflin



Kommentare
Es sind keine Kommentare vorhanden.