Test
16.10.2020, 09:36 Uhr

FIFA 21 unter der Lupe

Ein neues Jahr, ein neues «FIFA»: EA Sports setzt in «FIFA 21» auf Detailverbesserungen und kleine Innovationen. Der Test verrät, ob die Fussballsimulation in diesem Jahr zum Pflichtkauf wird.
(Quelle: Games.ch)
• Autor: Olaf Bleich, Games.ch
Normalerweise sprechen wir in dieser Zeit des Jahres von dem grossen Fussball-Derby zwischen «PES» und «FIFA». Doch das Duell fällt diesmal kleiner aus als sonst: Konami verzichtet nämlich in diesem Jahr auf einen vollwertigen Nachfolger. Stattdessen veröffentlichte man mit «eFootball PES 2021 Season Update» den Vorjahrestitel mit aktualisierten Daten zum Mid-Price.
Allein EA Sports stellt in dieser Spielzeit mit «FIFA 21» einen Nachfolger seiner erfolgreichen Sportspielserie auf die Beine. Den ganz grossen Umbruch solltet ihr aber an dieser Stelle nicht erwarten. Nachdem «FIFA 20» im Vorjahr noch mit VOLTA Football einen neuen grossen Spielmodus auffuhr, spielt der Nachfolger eher auf Sicherheit, setzt auf die bewährten Funktionen und bessert an einigen Ecken und Kanten dezent nach.
Nun stellt sich die Frage: Ist «FIFA 21» ein besseres Update zum Vollpreis oder doch ein kleiner Schritt in Richtung Fussballperfektion?

Starke Präsentation und dickes Lizenzpaket

Vieles bleibt bei «FIFA 21» beim Alten oder wurde nur leicht angepasst: Die gesamte Präsentation des Spiels erinnert stark an den Vorgänger. Die Inszenierung der Spiele und Wettbewerbe ist noch immer herausragend, aber neue Impulse gibt es an dieser Stelle kaum. Auffällig sind aber die leicht verbesserten Animationen und die weiter überarbeiteten Spielermodelle. Vor allem die Gesichter der Stars wirken nun einen Tick natürlicher, ausserdem finden sich weit weniger «Editor-Kicker» im Aufgebot. In Verbindung mit der bekannt starken Soundkulisse und jeder Menge jubelnder, virtueller Fans kommt hier wirkliche Stadionatmosphäre auf.
Am Mikrofon begrüssen euch beim deutschsprachigen Kommentar erneut Wolff-Christoph Fuss und Frank Buschmann. Die Leistung der beiden Sprecher rangiert etwa auf dem Niveau der vergangenen Jahre. Viele Sprüche wurden ebenfalls übernommen. Das Timing der beiden ist nicht immer perfekt, aber von dem katastrophalen Kommentar früherer Zeiten sind wir glücklicherweise weit entfernt. Zudem ergänzt die sonst bei Sky aktive Esther Sedlaczek das Duo. Sie meldet sich immer wieder mit Informationen über andere Spiele zu Wort.
Diese Authentizität spiegelt sich auch in der üppigen Anzahl an Lizenzen und Originaldaten wider. Egal ob Deutschland, England oder Spanien, fast alle relevanten Mannschaften und Ligen sind mit an Bord. Dazu gibt es eine breite Vielzahl an Stadien. Einige wenige Inhalte wie beispielsweise Juventus Turin oder die Münchener Allianz-Arena bleiben aber exklusiv bei Konamis «PES». Im Gegenzug sicherte sich EA Sports die Rechte an Inter Mailand und dem AC Mailand, die natürlich stilecht in San Siro auflaufen.

Detailverbesserungen auf dem Platz

Quelle: Games.ch
Kommen wir zu den handfesten Gameplay-Entwicklungen auf dem Platz. Die ganz grosse Revolution bleibt aus, trotzdem bessert «FIFA 21» einige Schwachstellen der Vorgänger aus. Zunächst einmal drosselt EA Sports merklich das Spieltempo und stellt einmal mehr die Eins-gegen-eins-Situationen in den Fokus. Dank agiler Dribblings könnt ihr nun schneller an eurem Gegenspieler vorbeiziehen oder ihn auf kleinstem Raum austanzen. «FIFA 21» fühlt sich insgesamt kontrollierbarer als der Vorgänger an und nähert sich damit dem grossen Konkurrenten «eFootball PES» an.
Die neuen, manuellen Läufe unterstreichen diese Ausrichtung: Mithilfe des rechten Analogsticks gebt ihr nun selbst Laufwege für eure Mitspieler vor. Das sorgt sowohl on- als auch offline für viel mehr Möglichkeiten und Kreativität auf dem Platz. Obwohl gerade Flügelspieler deutlich aktiver agieren als noch zuvor, könnt ihr so eure eigenen Spielzüge kreieren.
Quelle: Games.ch
Zugleich bietet «FIFA 21» im Angriffsspiel mehr Möglichkeiten. Gerade das Flankenspiel gewinnt an Bedeutung hinzu, und Kopfbälle sind wichtiger als jemals zuvor. In der Defensive wiederum müsst ihr stärker die Kontrolle übernehmen. Raumdeckung und die Kontrolle eurer Abwehrreihen liegen jetzt in eurer Hand. Ihr entscheidet, wie viel Druck ihr ausübt. Zugleich profitieren auch Verteidiger von den verbesserten Kopfbällen und haben mit aktiven Blocks bei Schüssen oder Pässen mehr Mittel zum Aufbrechen der gegnerischen Offensive an der Hand.
Die Verbesserungen liegen bei «FIFA 21» im Verborgenen und sorgen für ein nur leicht abgewandeltes Spielerlebnis. Trotzdem: Die Serie entwickelt sich langsam weiter, und gerade falls ihr die Vorjahrestitel übersprungen habt, bietet der neue Teil sicherlich den ausgereiftesten Fussball aus der Feder von EA Sports.

Alte Bekannte und alte Probleme

Quelle: Games.ch
In Sachen Spielmodi gibt es in diesem Jahr ebenfalls nur Detailverbesserungen. Neue, grosse Spielarten sind nicht am Start. Eine merkwürdige neue Funktion zeigt sich im Anstossmodus: Wie in «Forza Horizon» könnt ihr das Spielgeschehen nun zurückspulen und so etwa Eckbälle oder versiebte Torchancen erneut angehen. Klingt spannend, beraubt einen aber um das Gefühl des Torerfolgs. Diese Option braucht niemand!
VOLTA Football dagegen beschränkt sich diesmal auf eine knapp zweistündige Story. Danach geht's vor allem darum, den eigenen Spieler aufzuwerten und das Team zu individualisieren. Spass macht der Freiplatz-Kick weiterhin, der Aha-Effekt des vergangenen Jahres ist aber verflogen.
In FIFA Ultimate Team geht ihr nun auch im Koop auf Punktejagd. Blöderweise dürft ihr euer Team aus «FIFA 20» nicht mitnehmen und startet daher erneut von vorn. Falls ihr den Kauf von PlayStation 5 oder Xbox Series S/X anstrebt, können wir euch zumindest beruhigen, denn auf die neuen Plattformen kann das eigene FUT-Team übertragen werden. «FIFA 21»-Besitzer erhalten zudem ein kostenloses Update des Spiels für die neuen Konsolen. Trotzdem: Der fade Beigeschmack hinter dem Ultimate Team bleibt, da dieser Modus wahlweise knallhartes Grinding oder eben «pay to win» ist. Beides ist nicht die perfekte Lösung.
Quelle: Games.ch
Immerhin widmete sich EA Sports diesmal dem Karrieremodus: Dieser wartet zum einen mit erweiterten Trainingsmöglichkeiten und Spielerentwicklungen auf. So könnt ihr Stars kurzerhand umschulen und an andere Positionen gewöhnen. Diese Neuerung ist absolut sinnvoll und passt hervorragend ins Gesamtkonzept. Schliesslich erweitert «FIFA 21» die Stars um die Eigenschaft «Bissigkeit». Diese entscheidet darüber, ob sie auf dem Platz ihre volle Stärke abrufen können. Besonders bissige Spieler rennen also etwas schneller als die, die gerade vielleicht keine Lust haben.
Sehr gut gefällt dagegen die «interaktive Simulation» der Spiele. Ähnlich wie im «Football Manager» seht ihr hier die Matches in schematischer Form und dürft als Trainer Anweisungen geben, die Taktik ändern oder Auswechselungen vornehmen. Sehr schön: Auf Tastendruck können wir sogar direkt ins Spiel hineinspringen und selbst die Kontrolle übernehmen. Das wiederum war ein lang gehegter Wunsch der Community und wertet die Karriere deutlich auf.

Fazit

«FIFA 21» ist ein schwieriger Fall. Objektiv betrachtet, spielt sich der aktuelle Ableger definitiv besser als der Vorgänger. Lizenzen und der Umfang passen ebenfalls.
Der ganz grosse Umbruch fehlt jedoch: Viele Gameplay-Schwächen auf dem Platz bleiben bestehen, und auch die grossen Spielarten – allen voran FIFA Ultimate Team – kranken an ähnlichen Problemen wie zuvor.
Es fühlt sich an, als würde EA Sports in diesem Jahr auf Zeit spielen und der grosse Umbruch erst in einem der kommenden Teile folgen. Deshalb können wir «FIFA 21» wirklich nur beinharten Fans, die beispielsweise in «Pro Clubs 11vs11» immer auf dem neuesten Stand sein wollen, empfehlen – oder all jenen, die im Vorjahr ausgesetzt haben.

Alle anderen sollten sich dagegen zwei Mal überlegen, ob sie den vollen Preis für «FIFA 21» bezahlen wollen.



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