Pro bedeutet wirklich Pro
24.09.2024, 10:53 Uhr
Test: iPhone 16 Pro
Das iPhone 16 Pro trägt seinen Zusatz zurecht und nimmt die Kreativbranche ins Visier. Doch auch die anspruchsvollen Foto-Amateure werden ihre helle Freude daran haben.
(Quelle: Apple Inc.)
Eine gute Nachricht vorweg: Das iPhone 16 Pro mit 6,3 Zoll und die grössere Ausführung, das iPhone 16 Pro «Max» mit 6,9 Zoll sind sich bis ins kleinste fotografische Detail ebenbürtig. Es gibt also keinen Grund mehr, nur deshalb zur Max-Variante zu greifen, weil sie in einem Bereich leicht überlegen ist. So konnte beim iPhone 15 Pro nur die Max-Variante ein 5×-Tele vorweisen. Vergeben und vergessen, heute sind beide gleich.
Die neue Kamerasteuerung
Während immer mehr Smartphone-Hersteller aus Kostengründen auf mechanische Tasten verzichten, schwimmt Apple erfreulicherweise gegen den Strom. Die vom iPhone 15 Pro her bekannte Aktions-Taste ist in allen iPhone-16-Modellen verbaut. Neu dazu gesellt sich die brandneue Kamerasteuerung, die genau dafür gedacht ist: Sie erkennt beim Fotografieren unterschiedlichen Druck und reagiert auf Streichgesten.
Die neue Kamerasteuerung kommt als spezialisierte Taste und soll das Gefühl einer Kompaktkamera vermitteln – mit unterschiedlichem Erfolg
Quelle: Apple Inc.
Kamera starten. Ein einfaches Drücken startet die mitgelieferte Kamera-App von Apple. Doch das muss nicht sein: Alternative Kamera-Apps tauchen automatisch in den Einstellungen Kamera › Kamerasteuerung auf, wenn sie durch den Hersteller für die Kamerasteuerung angepasst wurden. Oder es wird überhaupt keine App gestartet, was ebenfalls praktisch sein kann, wenn es immer wieder zu unerwünschten Fehlstarts kommt. Das passierte im Test jedoch nie – auch deshalb nicht, weil der nötige Druck auf die Taste nicht zu unterschätzen ist.
Zoomen. Das Zoomen wird gefühlsecht! Durch ein Wischen wird der Ausschnitt stufenlos angepasst – ganz so, als würde man den Tubus eines klassischen Objektivs drehen. Idealerweise sollten die nativen Zoom-Einstellungen 0,5×, 1×, 2× und 5× verwendet werden, damit keine Zwischenstufen durch Software berechnet werden müssen.
Das Zoom über die Kamerasteuerung funktioniert geschmeidig und nahezu stufenlos
Quelle: Apple Inc.
Das kann sich zwar in einigen Situationen positiv auf die Bildqualität auswirken, doch der Unbeschwertheit zuliebe sollte der kleine Qualitätsbonus nicht überbewertet werden. Die Kamerasteuerung «rastet» bei diesen Werten zwar leicht ein – doch am meisten Spass hat, wer sich einfach darüber hinwegsetzt und dem Zoom keine Auflagen macht. Wer mit dieser stufenlosen Zwischenberechnung partout nichts abgewinnen kann, verwendet statt Zoom das Werkzeug Kameras: Jetzt wird nur zwischen den nativen Brennweiten gewechselt.
Im Gegensatz zum Apple-Trackpad ist die Kamerasteuerung eine richtige Taste, die sich drücken lässt. Zusätzlich bietet sie durch die Taptic Engine auch ein haptisches Feedback doch leider werden die Möglichkeiten nicht konsequent genutzt. So wäre ein «Klickern» beim Zoomen eine willkommene Ergänzung. Die Apple Watch zeigt, wie es richtig gemacht wird – etwa beim Drehen der Krone.
Ein kleines technisches Kunstwerk, wie man es von Apple gewohnt ist: die Kamerasteuerung mit Touch-Oberfläche und Taptic Engine
Quelle: Apple Inc.
Funktionen wechseln. Um zwischen den Funktionen zu wechseln, wird der Kameraauslöser zweimal leicht gedrückt, also nicht nur angetippt. Anschliessend wird gewischt, um zur künstlichen Tiefenschärfe, den Stilen oder einer anderen Funktion zu wechseln.
Fokus und Belichtung speichern. Erst im Verlaufe dieses Jahres wird ausserdem eine weitere Funktion über ein Software-Update eingeführt: die Möglichkeit, durch leichtes Drücken vor der Aufnahme die Belichtung und den Fokus zu fixieren. Das bedeutet nicht, dass sich der Fokus nicht mehr ändert, im Gegenteil: Es handelt sich um eine Motivverfolgung bei bewegten Sujets – ganz so, wie man es von gehobenen Systemkameras kennt.
Die Funktion für das Sperren der Belichtung und des Fokus wird noch dieses Jahr nachgereicht
Quelle: Apple Inc.
Nicht ohne Tücke
Grundsätzlich fühlt sich die Taste für die Kamerasteuerung sehr gut an – aber sie ist nicht automatisch eine Liebe auf den ersten Klick.
Was auf Anhieb gefällt, ist das Gefühl der halb gedrückten Taste. Die Schaltfläche besteht aus glattem Saphirglas. Die Taptic Engine erzeugt ein hauchdünnes Klicken, wenn die Taste nur leicht gedrückt wird. Wie viel Druck dafür benötigt wird, lässt sich in den Einstellungen unter «Bedienungshilfen › Kamerasteuerung» festlegen.
Doch gerade in der ersten Zeit tat ich mich damit schwer – vor allem auf dem grossen iPhone 16 Pro Max. Denn diese Taste liegt zu weit innen, ohne jeden Zweifel. Wird das iPhone 16 Pro «Max» wie eine Kompaktkamera an der Seite gehalten, reicht der Finger nicht bis über die Taste. Vermutlich wollte Apple den Hochformat-Fotografen entgegenkommen; doch in dieser Haltung wäre es praktischer, wenn sich die Taste noch weiter in der Mitte befinden würde. Wesentlich besser funktioniert es beim kleineren iPhone 16 (Pro), dessen Kompaktheit zu einem ergonomischen Vorteil wird.
Eine mögliche Abhilfe besteht darin, dass das iPhone um 180 Grad gedreht wird, sodass die Kamerasteuerung unter den linken Daumen zu liegen kommt. Doch ihm fehlt es wortwörtlich am Fingerspitzengefühl, um die Einstellungen sicher und komfortabel vorzunehmen.
Wird das Gerät bei der einhändigen Bedienung in der linken Hand gehalten, lassen sich Selfies so komfortabel wie nie schiessen. Wer das iPhone hingegen rechts hält, kann die Kamerasteuerung überhaupt nicht nutzen.
Die zweite Schwäche betrifft die Bauart der Taste. Ich bin es seit Jahren gewohnt, die «Lauter»-Taste als Auslöser zu verwenden – und die steht aus dem Gehäuse hervor. Die Kamerasteuerung ist hingegen flächenbündig verbaut, sodass der Kraftaufwand höher ist. Ein ruhiges, konzentriertes Auslösen wird dadurch erschwert.
Kurzum: An die Kamerasteuerung muss man sich etwas gewöhnen. Obwohl bei mir langsam das Umdenken einsetzt, lässt sich noch nicht sagen, ob ich diese Taste auch weiterhin verwende – oder ob ich zurück zur klassischen Auslösung über die «Lauter»-Taste wechsle.
Und wie sieht es aus, wenn das iPhone in einer Hülle steckt? Zumindest mit den Apple-Hüllen funktioniert die Steuerung so gut, wie mit einem nackten iPhone: Der eingearbeitet Saphirkristall überträgt die Bewegungen des Fingers zur Kamerasteuerung. Bei Hüllen von Drittanbietern kann das eventuell anders sein – ganz zu schweigen von jenen Anbietern, die einfach ein Loch in das iPhone-Kleid stanzen. Vermutlich wird die Kamerasteuerung mit dieser Billig-Lösung nahezu unbenutzbar, Irrtum vorbehalten.
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