Test: Apple iPhone 15 Pro Max
Die Kamera: Objekt(ive) der Begierde
Das Kamerafeld des iPhone 15 Pro (Max) besteht aus drei Linsen. Im Mittelpunkt steht natürlich die Hauptkamera mit 48 Mpx und Blende ƒ/1,78. Sie wird flankiert von einem Ultraweitwinkel mit 12 Mpx (ƒ/2.2) und einem Tele mit 12 Mpx (ƒ/2.8).
Das Kamerafeld kommt sehr bekannt vor, doch die Eigenschaften wurden gründlich verbessert
Quelle: Apple Inc.
Das klingt so herrlich übersichtlich für jeden, der einfach nur unbeschwert fotografieren möchte. Doch wer es genau wissen will, muss sich zuerst durch ein Gestrüpp aus technischen Daten und computergestützter Fotografie kämpfen. Diese Zusammenhänge muss man zum Glück nicht kennen; doch spannend sind sie alleweil.
48 Mpx – einst Fluch, jetzt Segen
Die Hauptkamera, in der Kamera-App mit «1×» beschriftet, liefert als einzige 48 Mpx Auflösung. Sobald eine andere Kamera gewählt wird, sackt sie auf 12 Mpx ab.
Das schaffte allerdings schon das iPhone 14 Pro vor einem Jahr. Das Frustrierende «damals»: 48 Mpx sind mir einfach zu viel – und die Alternative von 12 Mpx zu wenig. Ausserdem stand für die Speicherung nur das ProRAW-Format zur Auswahl, das nicht nur riesige Dateien erzeugt, sondern auch nach einer fähigen Software wie Lightroom verlangt.
Kurzum: Ich habe für private Aufnahmen bis jetzt noch kein einziges Foto mit 48 Mpx geschossen.
Das alles hat sich zum sehr viel Besseren gewendet. Um mit 48 Mpx zu fotografieren, braucht es das ProRAW-Format nicht mehr. Stattdessen speichert das iPhone 15 Pro auch diese Bilder im HEIF-Format, das keine Weiterverarbeitung verlangt. Der Unterschied bei den Dateigrössen ist enorm: Eine 48-Mpx-Aufnahme in ProRAW verputzt etwa 75 MB, während sich eine 24-Mpx-Aufnahme in HEIF gerade einmal 2,5 MB gönnt.
Mit Ausnahme einiger weniger Spezialanwendungen ist die neue Kamera also ein grosser Gewinn in alle Richtungen der Fotografie.
Tipp: Diese Neuerung bei den Formaten ist nicht nur dem iPhone 15 (Pro) vorbehalten; auch das iPhone 14 Pro fotografiert seit iOS 17 in der 48-Mpx-Auflösung direkt im HEIF-Format.
24 Mpx – und drei klassische Objektive
Bleiben noch die 48-Mpx-Aufnahmen, die für die meisten Zwecke völlig überkandidelt wirken. Dabei hat sich Apple etwas Besonderes einfallen lassen, das der konventionellen Fotografie sehr nahekommt.
Die Hauptkamera mit ihren 48 Mpx wird um die klassischen Kleinbild-Brennweiten 24 mm, 28 mm und 35 mm erweitert. Als Ausgangslage wird immer eine 48-Mpx-Aufnahme hinzugezogen – und das Endprodukt ist in jedem Fall ein 24-Mpx-Bild. Dabei wird nicht einfach der Ausschnitt verändert, sondern durch komplexe Berechnungen die Anmutung dieser Brennweiten erzeugt, was ich allerdings nicht verglichen habe.
Um zwischen den «Objektiven» zu wechseln, wird mehrmals auf das Symbol der Hauptkamera (1) getippt, bis die gewünschte Brennweite erreicht ist (2). Beim gedrückt Halten wird hingegen wie üblich das Zoomrad aufgerufen. (3)
Die Einstellungen, welches Objektiv bevorzugt wird oder überhaupt zum Einsatz kommt, wird in den deutlich umfangreicheren Kamera-Einstellungen definiert:
Das 120-Millimeter-Tele
Ein Novum ist das neue 120-Millimeter-Tele, das allerdings nicht im kleineren iPhone 15 Pro verbaut ist; dort reicht der Platz nur für 77 Millimeter, was im Jargon der Fotografen eher einem moderaten Porträt-Objektiv entspricht als einem «richtigen» Tele.
Für die 120 Millimeter lange Brennweite verwendet Apple ein Tetraprisma-Design mit einem Modul aus kombinierter optischer Bildstabilisierung und Autofokus-3D-Sensorverschiebung, das es bei Apple bis jetzt so nicht gab. Das Prisma lenkt das Licht viermal im 90-Grad-Winkel um; der Lichtstrahl wird also mehrmals «gefaltet», was eine viel kompaktere Bauweise erlaubt.
Das Bild wird also nicht einfach beschnitten und dann hochgerechnet; in diesem Fall sind die 120 Millimeter die unverfälschte optische Brennweite.
Bildstabilisator
Die klassische Fotografie lehrt uns, dass eine längere Brennweite die Gefahr von verwackelten Bildern erhöht – je länger, desto mehr. Das war bis anhin selten ein Problem, der Software sei Dank. Auch der Action-Modus des iPhone 14 zeigt eindrücklich, wie ein Video durch geschickte Ausschnittvergrösserung stabilisiert werden kann. Gleichwohl kommt das iPhone 15 Pro mit einem optischen Bildstabilisator der zweiten Generation: Er verschiebt den Sensor bis zu 10’000-mal pro Sekunde – und damit doppelt so oft, wie die Stabilisierung im iPhone 14 Pro!
Das funktioniert natürlich nur auf kurzen Wegen. Deshalb ist dieser Bildstabilisator nicht dazu da, um Action-Aufnahmen zu beruhigen, sondern den nervösen Zeigefinger, weil zu sehr dem Koffein zugesprochen wurde.
Kurzum: Das iPhone 15 Pro bietet unterdessen eine ganze Reihe von Stabilisierungen, sodass verwackelte Bilder eigentlich kaum mehr möglich sind – auch nicht bei Freihand-Aufnahmen in der Dämmerung mit dem 120-Millimeter-Tele:
Neue Porträt-Funktion
Durch maschinelles Lernen («Machine Learning») erkennt die Kamera-App des iPhones automatisch, ob eine Person oder ein Haustier ins Visier genommen wird. Dann wird automatisch der Porträt-Modus aktiviert – auch dann, wenn der Kamera-Modus nicht auf der Stellung Porträt steht. Dieser Automatismus wird durch ein «ƒ» angezeigt; ein Tippen aktiviert die Voransicht und stellt die Blendeneinstellungen oben rechts zur Verfügung. Die Tiefenmaske wird jedoch in jedem Fall aufgezeichnet.
22.09.2023
24.09.2023